Handball-Bundesliga Ein unrühmlicher Doppelspieltag

Mannheim · Die Rhein-Neckar Löwen sind wegen Terminchaos morgen zweifach im Einsatz und schenken die Champions League ab.

 Jubelnde Rhein-Neckar Löwen? Im Bundesliga-Topspiel morgen gegen den THW Kiel mag das möglich sein, im zeitgleich stattfindenden Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in Kielce sicher nicht.

Jubelnde Rhein-Neckar Löwen? Im Bundesliga-Topspiel morgen gegen den THW Kiel mag das möglich sein, im zeitgleich stattfindenden Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in Kielce sicher nicht.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Das Handy von Andre Bechthold steht dieser Tage kaum noch still. Schließlich ist der Trainer der zweiten Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen seit der Eskalation im Terminstreit um die Champions League plötzlich ein gefragter Mann. Während die Profis an diesem Samstag (18.10 Uhr/ARD) im Bundesliga-Spitzenspiel beim THW Kiel ihre „Mission Titelverteidigung“ fortsetzen, muss das von Bechthold und Michel Abt betreute Team im Achtelfinale der Königsklasse fast zeitgleich beim polnischen Serienmeister KS Vive Kielce antreten – ein Himmelfahrtskommando.

Die Aussicht, mit seiner Drittliga-Auswahl auf dem größtmöglichen internationalen Parkett anzutreten, habe er „zunächst für einen Scherz gehalten“, erzählte Ex-Profi Bechthold zuletzt. Doch weil beim deutschen Meister aus Mannheim das Liga-Topspiel inklusive Live-Übertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Priorität besitzt, wurde aus dem vermeintlichen Spaß schnell bitterer Ernst. Die Zahl der Anrufe und Nachrichten in den vergangenen Tagen und Wochen sei daraufhin „extrem gestiegen“, berichtet Bechthold.

Während die Verantwortlichen und Spieler der ersten Mannschaft sich ganz auf das Gastspiel in Kiel konzentrieren, steht nämlich nun auch die Zweitvertretung im Fokus. „Für unsere Spieler freuen wir uns“, gibt Bechthold deshalb zu: „Auf der anderen Seite ist es aber eine Katastrophe für unsere erste Mannschaft.“ Sein Trainer-Kollege Abt kündigte an, man werde ganz getreu dem Vereinsnamen „kämpfen wie die Löwen, damit wir uns am Ende nichts vorzuwerfen haben“.

Erwartet wird von der Mischung aus A-Jugendlichen und weiteren Nachwuchsspielern allerdings nichts. Auch intern gilt eine Niederlage mit rund 20 Toren Unterschied als einkalkuliert, das Rückspiel am Ostersonntag (1. April) verkommt damit zu einer Farce. Die Champions League, eigentlich doch der prestigeträchtigste Club-Wettbewerb, wird vom vermeintlich aussichtsreichsten deutschen Kandidaten also aufgrund von Verbandsstreitigkeiten einfach abgeschenkt. Der Image-Schaden für den gesamten Sport ist gewaltig. „Für den Handball ist das eine Katastrophe“, sagt Löwen-Sportchef Oliver Roggisch: „Wir mussten uns entscheiden: Was ist realistischer – wieder Meister zu werden oder die Champions League zu gewinnen?“

Also konzentrieren sich die Löwen auf die Bundesliga, wo sie als Tabellenführer auf bestem Weg zum dritten Titelgewinn in Serie sind. Nach zuletzt elf Siegen hat die Mannschaft von Nikolaj Jacobsen trotz eines Spiels weniger derzeit zwei Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierte SG Flensburg-Handewitt. Die Norddeutschen treten am Samstag (18 Uhr) zum Champions-League-Achtelfinale bei den Schweden von IFK Kristianstad an.

Rekordmeister Kiel hatte im Vorfeld einem Termintausch zugestimmt – und ist damit gut gefahren. Die Kieler gewannen das Achtelfinal-Hinspiel gegen das ungarische Spitzenteam Pick Szeged mit 29:22 (14:14) und erarbeiteten sich eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am 1. April (17 Uhr) in Szeged.

Der unrühmliche Doppelspieltag der Löwen ist das Ergebnis einer peinlichen Posse im Streit zwischen der Handball-Bundesliga (HBL) und der Europäischen Handball-Föderation (EHF). Die HBL hatte das Spiel ohne Rücksicht auf die Champions League angesetzt, auch weil sie sich durch die spielfreie Fußball-Bundesliga eine hohe TV-Quote verspricht. „Im ersten Live-Spiel haben wir im Durchschnitt 1,6 Millionen Menschen erreicht. Das ist für ein Club-Spiel sehr, sehr viel“, begründete HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann die Terminierung und stößt nicht überall auf Verständnis. „Da fehlt jegliche Kommunikation zwischen beiden Seiten, einfach schlecht“, sagte Ex-Nationalspieler Holger Glandorf von der SG Flensburg-Handewitt. Mehrere Kompromissversuche scheiterten in der Folge, das Ergebnis kennt eigentlich nur Verlierer. Und das, bevor beide Partien überhaupt angepfiffen sind.

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