Ein Mann und seine Wurst-Mission

Bogotá · Daniel Álvarez Jacobsen hat erst Koch gelernt im Hotel Adlon, dann Metzger in Ingelheim. Nun will er in seiner Heimat Kolumbien so etwas wie der „Wurstkönig“ sein. Und er hat eine Mission.

Daniel Álvarez Jacobsen redet sich in Rage, er kommt auf die beliebteste Fleischwurst Kolumbiens zu sprechen. "Das ist Salchichon." Für den in Deutschland ausgebildeten Metzgermeister ein gepanschter Mist. "Salchichon enthält Mehl, Soja und Protein. Und mechanisch ausgebeintes Fleisch, da sind Hühnerköpfe und Hühnerfüße drin." Ein Kilogramm koste gerade mal 1500 Pesos (50 Cent).

Salchichon hat großen Anteil daran, dass der 33-Jährige eine Mission hat: Deutsche Wurstqualität für Kolumbien. Sein Vater stellt die Kunstdärme für die von ihm so verachtete Wurst her, sozusagen die Verpackung. Durch seine Mitarbeit beim Vater kam Jacobsen der fragwürdigen Wurstproduktion in Kolumbien auf die Spur. Auf dem Etikett von Salchichon ist ein grinsendes Schwein abgebildet - obwohl viel Fleisch von Hühnern drin ist. In Deutschland würde jeder Metzger entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Jacobsen ist ein Wanderer zwischen den Welten, Nachfahre deutscher Einwanderer, er und seine Mutter sprechen perfekt Deutsch. Im Jahr 1999 machte er einen Schulaustausch, das weckte seine Begeisterung für Deutschland, 2001 ging er zurück und lernte das Hotelfach. Er war dabei oft in der Küche, das weckte die Leidenschaft fürs Kochen.

Er ging nach Berlin, machte drei Jahre im edlen Hotel Adlon am Pariser Platz eine Kochausbildung. Doch er fand es sehr stressig, und statt edler Speisen im feinen Ambiente geht für ihn nichts über eine gute Bratwurst im Brötchen mit Senf. 2007 ging er zurück nach Bogotá und half zunächst dem Vater für drei Jahre.

Jacobsen war viel draußen bei Kunden und stellte beim Verkaufen der Kunstdärme und beim Einsammeln von Aufträgen fest, wie schlecht die Qualität der Wurst ist. "Da hab ich mir gesagt, ich geh zurück nach Deutschland und lerne Metzger."

Er landete bei der Metzgerei Martin, einem Familienbetrieb in Ingelheim. "Mich hat es beeindruckt, wie eingespielt die alle Arbeitsschritte gemacht haben. Ich habe einen gemacht und die waren fünf voraus. Die Kalkulation passte immer." Seine Lieblingswurst dort? "Der Lachsschinken war der Hammer". Und was sagt die Metzgerei über den Lehrling aus Bogotá ? "Deutschland ist das Land mit der besten Metzgerausbildung weltweit", betont Thilo Martin, Inhaber der Metzgerei. "Ich hab' mich bemüht, ihm beizubringen, was er braucht", sagt der 50-Jährige über seinen Lehrling. Fingerfertigkeit und gutes Abschmecken hätten ihn besonders ausgezeichnet. "Er wollte immer alles probieren, ich hab ihm gesagt: Pass auf, dass Du nicht zu sehr zunimmst."

Jacobsen machte auch noch den Meister. "Ich brauch' hier keinen Meister, um ein Geschäft aufzubauen. Aber ich wollte das für mich: Ich wollte so richtiger deutscher Metzgermeister werden." Auch wenn es schwer war, das perfekte Ausbeinen von Schweinen und Rindern. Ein Jahr bereitete er sich in einem anderen Betrieb in Frankfurt darauf vor. "Am Ende hab' ich es irgendwie geschafft."

In der Zeit erreichten ihn Rufe aus Kolumbien, doch sein Wissen hier zum Wohle der Wurst einzubringen - und er vermisste die Heimat auch etwas. Über seinen Vater bekam er Kontakt zu einer Fleischfirma, ein bis zwei Mal pro Woche produziert er dort seine Würste - aber wenn es so weiter geht, wird er Leute einstellen und über eine eigene Metzgerei nachdenken müssen. Sei es ein Sportfest mit 800 Leuten in der Deutschen Schule, eine Zeremonie zu 60 Jahren Bundeswehr in der Botschaft, das Oktoberfest einer Brauerei: Alle wollen Wurst von Jacobsen.

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