Plastik ist der Feind Die Müllverweigerin aus Saarbrücken

Saarbrücken · Laura Faust verzichtet konsequent auf den Kauf von Produkten, die Abfall verursachen. Auslöser für die Lebensumstellung ist ausgerechnet ein Urlaub.

 Laura Faust aus Saarbrücken schützt die Umwelt, indem sie Müll vermeidet. Hier hält sie ein Glas mit dem Müll der letzten Monate in der Hand.

Laura Faust aus Saarbrücken schützt die Umwelt, indem sie Müll vermeidet. Hier hält sie ein Glas mit dem Müll der letzten Monate in der Hand.

Foto: Iris Maria Maurer

Binnen Sekunden sieht Laura Faust alles ganz klar: Im Urlaub in Israel vor fünf Jahren. Sie sitzt da und will mit ihrem Mann Wellen, Strand und Sonne genießen. Doch plötzlich fällt ihr Blick an der Strandpromenade auf die Kellner, die den Gästen am Tisch den Kaffee servieren. In Plastikbechern. Becher, die mitgenommen, fallen gelassen und schließlich am Strand oder im Meer landen. „Ich war kurz davor, hinzugehen und die Kellner und Kaffeebesitzer zu fragen: Was macht ihr da?“, erinnert sich die heute 31-jährige Lehrerin. Aber der nächste Gedanke hält sie davon ab und verändert ihr Leben bis heute: „Ich dachte, ich kann nicht von denen verlangen, auf Plastik zu verzichten, wenn ich es in Deutschland nicht auch tue.“

Wieder zurück in Saarbrücken verbannt Faust nach und nach den Müll aus ihrem Leben: Sie „precycelt“ anstatt zu recyceln. Zunächst reduziert sie die Mengen an Plastik, die bis zu diesem Tag in den gelben Säcken ihres Haushaltes gelandet sind. Sie kauft nur noch loses Obst und Gemüse statt abgepacktes. „Ich spare einfach konsequent die Läden in Saarbrücken aus, in denen immer noch verpackte Gurken und Bananen rumliegen – das klappt“, macht sie anderen Mut. Joghurt kommt nur noch in Pfand- statt in Plastikgläsern in den Kühlschrank der Familie und Saft oder Milch in Pfandflaschen. Zum Bäcker nimmt Faust einen Leinenbeutel von Zuhause mit, um auf die x-te Papiertüte zu verzichten. „Natürlich darf ich nicht träge sein“, gibt die junge Frau zu, „das Einkaufen muss ich heute schon mehr im Voraus planen als früher. Allerdings fallen dadurch diese tagtäglichen zeitraubenden Spontaneinkäufe weg“.

Der Einstieg ins verantwortungsvolle Konsumieren ist schnell getan. Doch der Teufel steckt – wie bei so vielen Dingen – im Detail. „Für meinen Mann und mich war ausgeschlossen, den Weg nur halb zu gehen. Wir wollten wirklich etwas ändern und nicht länger auf Kosten der Zukunft unserer Welt leben. Aber uns ist schnell klar geworden: Das geht nur mit bewusstem Verzicht“, erklärt Faust. Will heißen: Produkte, die es nur mit Verpackung gibt, landen seit dem Umdenken erst gar nicht mehr im Einkaufswagen. „Bei Gummibärchen und veganem Aufschnitt fällt uns das richtig schwer“, gesteht die 31-Jährige. Und wenn es ein Produkt nur verpackt gibt und sie es unbedingt brauchen, suchen sie nach einem Anbieter, der ohne Verpackungen arbeitet. „Anfangs“, blickt die Lehrerin zurück, „war das nachhaltige Einkaufen stressig, weil es nicht genug Bezugsquellen gab. Das hat sich aber in den letzten Monaten stark verändert“.

So konsequent zu leben und auch manchem abzuschwören, sei manchmal hart, aber ja für die gute Sache. Und in deren Sinne werden auch die Zähne geputzt – mit Zahnputztabletten, um Tuben-Müll zu vermeiden. Tee gibt es nur aufgegossen im Sieb – und nicht aus dem Beutel, wäre ja Abfall. Trockenwaren also Reis, Nudeln, Linsen und Müsli kauft Faust seit einigen Monaten im Saarbrücker Unverpackt-Laden im Nauwieser Viertel. Dort gibt es Trockenwaren aus Spendersystemen. Gekauftes wird in eigene Behälter abgefüllt. Gäbe es diesen Laden nicht, hätte die 31-Jährige sich 25 Kilo-Säcke mit Trockenware nach Hause liefern lassen und sie irgendwie gelagert, um die lästigen Einzelverpackungen zu umgehen.

Das Ergebnis spricht für sich: Im ersten Halbjahr 2016 hatte das Ehepaar ein Apotheker-Glas voll mit nicht recycelbarem Müll, zwei gelbe Säcke, Altglas, Altpapier und Kompost. Zum Vergleich: Allein die Pro-Kopf-Menge des Verpackungsmülls in Deutschland stieg in den vergangenen Jahren stetig. Das Umweltbundesamt weist für 2009 eine Menge von 192,3 Kilogramm aus, 2014 waren es 219,5 Kilogramm. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich an der Spitze, hat die Europäische Umweltagentur ermittelt. Ein trauriger Rekord.

„Wir haben es nur einmal in den vergangenen Monaten nicht so hinbekommen wie wir wollten“, ärgert sich indes Faust. Schuld war: ein Infekt. Sie und ihr Mann konnten sich nicht mehr rühren. Geschweige denn kochen. Sie mussten Essen bestellen. Aber: „Wir haben keinen Lieferservice gefunden, der Pfandgeschirr mitbringt.“ Schweren Herzens nahm das Paar die Verpackungen in Kauf.

Kleider kauft Laura Faust größtenteils aus zweiter Hand und verschenkt oder tauscht sie, wenn sie sie nicht mehr braucht. „Synthetik-Wäsche ist eine ganz schwierige Sache. Sie hat eine extrem lange Lebensdauer. Aber wer macht sich darüber beim Kauf schon Gedanken?“

Wahrscheinlich die wenigsten. Laura Faust macht sich viele Gedanken: Über mit der giftigen Chemikalie Bisphenol A hergestellte Kassenzettel, die nicht recycelbar sind. Über mit Plastik beschichtete Butterverpackungen. Über unnötige Flugreisen und was diese für die Erde bedeuten. Über Discounter und antibiotikahaltiges Fleisch.

In ihrer Freizeit stöbert die gebürtige Karlsruherin auf Internet-Blogs, die sich dem verpackungsfreien Einkaufen und Leben widmen und lässt sich von der Kreativität anderer Umweltbewussten im In- und Ausland inspirieren. Sie selbst gibt auch Tipps bei Instagram und ist aktiv bei „Food-Sharing“. Dank dieser Internet-Plattform geben Betriebe und Privatpersonen übrig gebliebene Lebensmittel an Dritte lokal weiter anstatt sie wegzuwerfen.

Wertschätzung von Ressourcen, von Natur, von Leben. Für Laura Faust sind das zentrale Themen. Das Familienauto, das sie derzeit beruflich braucht, ist ihr noch ein Dorn im Auge. Passt es doch so gar nicht in das Lebenskonzept vom konsequenten Verzicht der Umwelt zuliebe. „In Zeiten des Klimawandels ist es einfach nicht mehr angezeigt, Auto zu fahren“, sagt sie, „das Auto schaffen wir auch noch ab, sobald es geht“. Das glaubt man ihr sofort.

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