Der raue Charme der Faithfull

Zweibrücken · „Helden und Legenden“ lautet das diesjährige Festival-Motto von Euroclassic – mit Marianne Faithfull war am Montag in der Tat eine echte Legende dabei. In den Sechzigern und Siebzigern des letzten Jahrhunderts schrieb die Britin an der Seite von Mick Jagger Rockgeschichte.

 Marianne Faithfull stützte sich in Zweibrücken bisweilen auf ihrem Stock ab. Foto: Sedi

Marianne Faithfull stützte sich in Zweibrücken bisweilen auf ihrem Stock ab. Foto: Sedi

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Was hat diese Frau alles schon durchgemacht: Den Brustkrebs besiegt, eine gebrochene Hüfte ausgeheilt, Hepatitis C - ganz zu schweigen von der langjährigen Heroinsucht, die Marianne Faithfull die Siebziger- und Achtzigerjahre begleitete. Bei ihrem Auftritt in der Zweibrücker Festhalle am Montag schien es so, als kokettiere sie ein wenig mit der Gebrechlichkeit: "One, two, three - up!" ("Eins, zwei, drei - und hoch!"), feuerte sie sich da an, als sie sich einmal mit Zuhilfenahme ihres Krückstocks aus dem Sessel stemmte - andere Male schaffte sie das auch ohne großes Aufheben. Die 68-Jährige zeigte sich durchaus gut gelaunt, wenngleich sie einräumte, dass die meisten ihrer Songs wohl eher traurig seien. Schade nur, dass der große Notenständer, den die Faithfull wohl zur Textsicherheit benötigte, ihr Gesicht für einen Teil des Publikums verdeckte, besonders dann, wenn sie in eben jenem Sessel saß.

Die Adjektive "rau", "kratzig" und "gebrochen" kennzeichnen nur ungenau das, was aus der Kehle der Sängerin drang. Töne genau treffen oder rhythmische Genauigkeit sind nicht ihr Ding - es machte ihr auch nichts aus, dass Schlagzeuger Rob Ellis beim einzigen Duett "Late Victorian Holocaust", geschrieben von Nick Cave , ihr die Einsätze dirigierend vorgab. An anderer Stelle behauptete die Sängerin, dass sie sich als Konzertbesucherin oft diebisch über Fehler anderer Künstler freue - von daher wünschte sie den 500 Zuhörern viel Spaß. Die stimmlichen Ungenauigkeiten taten der Sache aber keinen Abbruch - im Gegenteil, viele der Songs lebten genau von der Diskrepanz der überaus wohl klingenden Begleitung und dem unglaublichen Charakter von Faithfulls Stimme. Bei einigen Liedern spendeten die Zuhörer schon zu Beginn Applaus, so bei dem famosen "Broken English", mit dem Faithfull 1979 ihre brachliegende Karriere neu startete. Bob Dylans "It's All Over Now, Baby Blue" und natürlich "As Tears Go By" erinnerten wiederum an die Zeiten der jungen Marianne an der Seite von "Rolling Stones"-Sänger Mick Jagger (dessen Bruder Chris, welch Zufall, diese Woche in Homburg auftritt).

Am Ende des Konzerts schickte das Publikum die Britin mit stehendem Applaus in die Garderobe, aus der die Sängerin nach einiger Zeit tatsächlich wieder kam - zur großen Überraschung ohne ihre drei Mitmusiker. Da stand sie nun und stimmte ganz alleine "Love Is Teasin'" an, eine Art Sauflied über die Vergänglichkeit der Liebe - auf diese Art und Weise könnte man das auch nachts um drei in einer irischen Kneipe gehört haben. Aber weil da eben nicht irgendwer, sondern Marianne Faithfull sang, gab das Solo den umjubelten Schlusspunkt eines denkwürdigen Konzerts.

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