27 Blindgänger, 32 Tonnen Munition

Mainz · 13 Bombenentschärfer hatten auch dieses Jahr viel zu tun in Rheinland-Pfalz. In ihrem Job können Fehler sieben Jahrzehnte nach Kriegsende immer noch tödlich sein. Eine Jahresbilanz.

Eine verschobene Landesgartenschau, evakuierte Schulen und viel gefährliche Arbeit: Fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg haben auch 2014 explosive Altlasten den Kampfmittelräumdienst (KMRD) Rheinland-Pfalz auf Trab gehalten. Bis zum 30. November entschärften die Experten nach eigenen Angaben 26 Bomben und sprengten einen bei Worms gefundenen Blindgänger. "Wir haben mehr als 32 Tonnen Munition geborgen", sagte ihr Technischer Leiter Horst Lenz der Deutschen Presse-Agentur.

Die für 2014 geplante Landesgartenschau in Landau öffnet erst nächstes Jahr ihre Tore, weil der KMRD insgesamt neun Blindgänger auf ihrem Areal und einen zehnten daneben entschärfen musste. Tausende Schüler hatten daher bei einer Aktion am 7. März 2014 „bombenfrei“. Experten sondierten das komplette Gelände.

Gravierende Zwischenfälle erlebten die Bombenentschärfer nach eigener Aussage in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz nicht. Der schwerste entschärfte Sprengkörper wog 1000 Kilogramm. Sein Fund im Juli in Weitersburg nahe Koblenz löste eine der aufwendigsten Aktionen in diesem Jahr aus. 6000 Anwohner mussten ihre Häuser verlassen. Gesperrt wurden auch die Bundesstraße 42 und die Autobahn 48, der rechtsrheinische Bahnverkehr und die Rhein-Schifffahrt. Erst am 30. November wurde in Mainz eine 500-Kilogramm-Bombe entschärft. Hier mussten sich sogar 8500 Anwohner aus der Gefahrenzone entfernen. Auch hier kamen Straßen-, Bahn- und Rhein-Schiffsverkehr zum Erliegen.

Die Zahl der Fundmeldungen in diesem Jahr gab Lenz mit 836 bis zum 30. November an. Immer noch melden sich auch alte Zeitzeugen mit Erinnerungen an Bombenabwürfe. "Aber das wird so lange nach dem Krieg immer schwieriger, immer schwammiger. Außerdem hat sich mit den Flurbereinigungen seit 1945 viel verändert." Nach wie vor wertet der KMRD laut Lenz auch historische Luftbilder aus. "Die sind aber nicht geeignet, irgendwo auszuschließen, dass da nicht doch noch Bomben liegen", warnte er mit Blick auf Bauprojekte. Für eine Schätzung, wie viele Blindgänger noch im Land unter der Erde schlummern, fehlt nach Angaben des KMRD eine seriöse Basis.

Die Zielgenauigkeit war im Weltkrieg laut Lenz sehr schlecht. Wegen Navigationsfehlern habe es Abweichungen von bis zu 100 Kilometern gegeben. Im Krieg habe die schiere Masse gezählt. "Zum Beispiel warfen die Alliierten in meinem Heimatort Irlich, der heute zu Neuwied gehört, 2926 Bomben ab, um ein einziges Mal eine kleine Brücke zu treffen", sagte der Experte. Der KMRD Rheinland-Pfalz hat derzeit 13 Mitarbeiter. Hauptstandort ist Koblenz und Verwaltungssitz Trier. Hinzu kommt ein Standort in Worms.

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HintergrundBomben-Spezialisten bergen in Deutschland jedes Jahr noch immer mehrere Hundert Tonnen Munition aus dem Zweiten Weltkrieg. Auch in Rheinland-Pfalz werden nach wie vor Blindgänger entdeckt. Vor allem die Städte waren vor fast 70 Jahren wichtige Ziele der alliierten Bomberpiloten. Experten schätzen, dass im Zweiten Weltkrieg rund ein Zehntel der über Deutschland abgeworfenen Bomben nicht explodiert ist. Zum Beispiel vereisten nach Angaben des Kampfmittelräumdienstes (KMRD) Rheinland-Pfalz mitunter die Zünder beim Abwurf aus mehreren Tausend Metern Höhe, so dass die Entsicherung nicht funktionierte. Oder die Bomben , die nur am Kopf und am Heck Zünder hatten, schlugen quer auf. Um die hochexplosiven Funde unschädlich zu machen, riskieren die Kampfmittelräumer ihr Leben. Seit Gründung der Bundesrepublik 1949 sind mehrere Dutzend von ihnen bei der Arbeit umgekommen. Häufig werden Blindgänger bei Bauarbeiten entdeckt. Aber auch die Auswertung von historischen Luftbildern und die Angaben von Zeitzeugen führen zu derartigen Funden. dpa

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