Fußball-Schiedsrichter in der Zwangspause Vorfreude auf Wiederanpfiff von Sorgen begleitet

Zweibrücken · Nicht nur Vereine, Spieler und Trainer sind von der Zwangspause im Amateursport betroffen. Auch Schiris müssen auf ihren Einsatz an der Pfeife warten. Alexander Seiberth, stellvertretender Schiedsrichter-Obmann im Fußballkreis Pirmasens-Zweibrücken, befürchtet, dass nach dem Lockdown nicht alle Unparteiischen auf den Platz zurückkehren werden.

 Auch die Schiedsrichter im Amateursport befinden sich aufgrund der erneuten Zwangspause in der Warteschleife. 

Auch die Schiedsrichter im Amateursport befinden sich aufgrund der erneuten Zwangspause in der Warteschleife. 

Foto: picture alliance / dpa/Arne Dedert

Die Pfeife bleibt stumm in der Tasche. Auch die Fußballschuhe muss Alexander Seiberth vorerst nicht schnüren. Denn auch zum Ausklang dieses sonderbaren Jahres geht es bei dem Zweibrücker Schiedsrichter ungewöhnlich ruhig zu. Normalerweise würde Seiberth gerade bei den von der Schiedsrichtervereinigung unter der Führung von Obmann Ralf Vollmar organisierten AH- und Schiri-Turnieren in der Westpfalzhalle „vier Tage lang über 24 Stunden unter Strom“ stehen. Doch auch der Budenzauber fällt seit 20 Jahren erstmals weg, erklärt der stellvertretende Schiedsrichter-Obmann des Fußballkreises Pirmasens-Zweibrücken.

Aber nicht nur das. Die erneute coronabedingte Zwangspause für den Amateursport bedeutet: keine Organisation, keine großen Sitzungen, kein Leiten der Spiele auf dem Platz. „Mein Telefon ist sehr still, meine E-Mail-Postfach sehr leer“, beschreibt Seiberth, der im Kreis für die Einteilung der Schiedsrichter zuständig ist, die derzeitige Lage. Natürlich genieße er diese Entschleunigung und Ruhe, die Möglichkeit, sich mal auf etwas anderes konzentrieren zu können, auch mal. Für einen Moment. „Doch man vermisst den Trubel. Wenn man das Ganze Jahrzehnte lang begleitet, freut man sich schon wieder, bald auf den Platz zurückzukönnen“, sagt Seiberth. Dabei gehe es nicht nur um die 90 Minuten. „Das ganze Drumherum fehlt. Wie bei jeder Mannschaft, wie bei jedem anderen Hobby, das man im Kollektiv betreibt, wie im Privaten.“ Der Schiedsrichter betreibe seine Tätigkeit zwar nicht in der Mannschaft, „aber er ist doch Teil der Fußballfamilie. Man freut sich auf die Gespräche – auf die dritte Halbzeit, wie man so schön sagt“.

Je länger der Stillstand im Amateursport andauert, je länger das Pfeifen der letzten Spiele zurückliegt, umso größer werde allerdings die Gefahr, dass sich Freizeitbeschäftigungen verschieben, dass nicht alle Unparteiischen zurückkehren. „Nach dem ersten Lockdown hatten wir schon die Befürchtung, dass der eine oder andere die Situation nutzt, um zu sagen: Okay, es gibt schönere Dinge, mit denen man das Wochenende verbringen kann“, erklärt Seiberth. Gerade bei den Kollegen, die ohnehin am zweifeln waren. „Aber es kam glücklicherweise nicht so.“ Doch die erneute Pause lässt die Sorge wieder wachsen, dass nicht alle dabei bleiben und es somit irgendwann eng werden könnte, alle Spiele zu besetzen. Derzeit sind im Kreis Pirmasens-Zweibrücken etwas unter 90 Unparteiische aktiv. „Um jeden einzelnen, den wir verlieren, wäre es schade. Wenn ich es bei vielen älteren auch verstehen könnte.“ Doch auch beim jungen Schiedsrichternachwuchs, bei denen, die gerade erst angefangen haben, sei die Gefahr da, dass sie merken: Es geht ja doch auch ohne. „Ich hoffe aber, dass möglichst viele zurückkommen.“

So wie im Sommer, als es endlich wieder auf den Platz ging. Wenn auch unter anderen Bedingungen, unter stets anderen Hygienekonzepten der einzelnen Vereine. Doch mit diesen Herausforderungen hätten die Unparteiischen keine großen Probleme gehabt. „Wenn man es als Vorteil für uns sehen darf, haben wir mit dem Hygienekonzept nicht viel zu tun. Es gibt andere, wie den Hygienebeauftragten im Verein, der das Ganze zu tragen hat – der ist nicht zu beneiden“, erklärt Alexander Seiberth, dass er sich mit seinen Kollegen „natürlich“ an die Regeln hält. „Man möchte Vorbild sein, auch als Schiedsrichter.“ Grundsätzlich seien die Konzepte auf dem Platz leicht einzuhalten gewesen. „In der Kabine wird es schon schwieriger“, sagt Seiberth. „Wobei wir als Schiedsrichter es da noch recht einfach haben. Auch wenn ich im Team unterwegs war, sind wir nacheinander in die Umkleide. Das ist leichter als für eine ganze Mannschaft“, beschreibt er die Herausforderungen bei der Umsetzung der Hygienekonzepte.

Ein „absolutes No-Go“ sieht der Zweibrücker im Amateurbereich in Begegnungen ohne Zuschauer. „So wie in einigen Kreisen, die in den letzten Partien vor dem Lockdown nur ohne Fans spielen durften. Dann brauche ich auch gar nicht aufzulaufen, das macht bei den Amateuren keinen Sinn“, findet Seiberth, für den es schon gewöhnungsbedürftig gewesen sei, nach Abpfiff schnell zu duschen und nach Hause zu fahren. „Das ist nicht meine Welt. Ich mag es, nach dem Spiel Kontakt mit Trainern, Spielern, Zuschauern zu haben. Das ist es doch, was den Amateurbereich ausmacht.“

Bei der Frage danach, was den Reiz, Spiele zu leiten, was einen guten Schiedsrichter ausmacht, lacht Alexander Seiberth kurz auf. Schließlich kann sich nicht jeder vorstellen, sich Woche für Woche von Trainern, Spielern, Zuschauern anschreien zu lassen. Doch „jedem, der das Amt bekleidet, bringt das auch persönlich was“, erklärt der Zweibrücker. „Kritikfähigkeit ist glaube ich eine der wichtigsten Eigenschaften, die man mitbringen muss. Und natürlich auch Selbstkritik.“ Als Schiri müsse man die Regeln durchsetzen, „aber man darf nicht übers Ziel hinaus schießen“. Man müsse auch den Menschen, als Schiedsrichter eben den Spieler sehen. Der gegenseitige Respekt und das Verständnis für das Ganze seien wichtig. „Ich vergleiche das immer mit einem Richter: Es gibt ein Gesetzbuch, aber ich kann es nicht immer gleich anwenden.“ Es gebe auf dem Platz Dinge, die einfach Fakt sind, „wie ein Handspiel auf der Torlinie“. Aber im Zweikampf, bei Fouls, da könne man auch mal versuchen, „Mensch zu bleiben“. „Das hört sich immer so leicht an. Aber ich denke, das macht es interessant, wenn man mit Menschen zu tun hat, die verschiedenen Charaktere kennenlernt – da kann man auch für sich daraus lernen.“ Seiberth selbst sei das beste Beispiel dafür. „Ich bin sehr viel ruhiger geworden im Laufe der Zeit. Ich denke, das bringt einen überall weiter – nicht dieser Hitzeblitz zu sein.“ Emotionen gehörten zwar zum Fußball dazu. „Wenn keine Emotionen da wären, könnte man Schach spielen. Aber nach den 90 Minuten muss man im normalen Ton über alles reden können.“ So könnten beide Seiten etwas mitnehmen.

Alexander Seiberth hofft, diese Entscheidungen, diese Emotionen bald wieder hautnah auf dem Platz erleben zu können. Er hofft auf eine Normalisierung des Spielbetriebs – zumindest ab der kommenden Runde – und auf eine Neuauflage der Hallenturniere zwischen Weihnachten und Neujahr 2021. „AH-Turniere oder -Mannschaften werden zwar immer weniger. Es wird immer schwieriger, diese Turniere zu organisieren, aber wir hoffen, das wieder hinzubekommen.“ Ebenso das Schiedsrichter-Turnier. „Das war zwar immer eine Herausforderung, weil es von morgens bis nachts ging, aber das macht ja auch den Reiz aus“, wünscht sich Seiberth ein Stückchen des Trubels zurück.

Er rechnet allerdings nicht damit, die aktuelle Runde unter „normalen“ Bedingungen beenden zu können. „Ich glaube auch nicht, dass wir diese Saison wie geplant zum Abschluss bringen können. Sportlich ist es natürlich am fairsten, wenn es auf dem Platz entschieden wird und nicht irgendwo am Grünen Tisch – aber man muss auch realistisch bleiben“, betont der stellvertretende Kreisschiedsrichterobmann, dass Fußball zwar die schönste Nebensache der Welt sei – „aber es gibt Wichtigeres“. Und so kann es auch noch dauern, bis der Wiederanpfiff ertönt.

 Alexander Seiberth hofft, dass möglichst viele seiner Schiri-Kollegen an der Pfeife bleiben.

Alexander Seiberth hofft, dass möglichst viele seiner Schiri-Kollegen an der Pfeife bleiben.

Foto: Hutzler/Thomas Hutzler

Zu Beginn des neuen Jahres veranstaltet der Südwestdeutsche Fußballverband (SWFV) wieder Schiedsrichter-Neulingslehrgänge. Zur Gewinnung neuer Schiris bietet der SWFV zusätzlich eine Online-Ausbildung (22. Januar bis 28. Februar) an. Hier können sich die Teilnehmer von zuhause aus auf die Prüfung in Edenkoben vorbereiten. Weitere Informationen zur Ausbildung und den Terminen gibt es auf der Internetseite des Verbands unter www.swfv.de.

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