WSF Zweibrücken Die große Furcht vor der „blöden 100“

Zweibrücken · Die Nachwuchs-Kanuten der WSF Zweibrücken können seit Mitte Mai wieder fast normal trainieren. Stefan Loch, Trainer und 2. Vorsitzender des Vereins, ist nach dem zermürbenden Hin- und Her der letzten 14 Monate aber erstmal nur vorsichtig optimistisch. Auch weil noch immer zahlreiche Wettkämpfe verschoben oder abgesagt werden.

 Auf dem Schwarzbach zum Paddel greifen durften die Kanuten der Wassersportfreunde Zweibrücken auch während der Pandemie. Seit Mitte Mai ist nun aber auch das Training mit bis zu 20 Kids wieder erlaubt. Das freut WSF-Trainer Stefan Loch (rechts), hier im Bild mit der Familie Jung/Lang aus Pirmasens (v. links: Mutter Heike und ihre Kinder Ulf und Britta).

Auf dem Schwarzbach zum Paddel greifen durften die Kanuten der Wassersportfreunde Zweibrücken auch während der Pandemie. Seit Mitte Mai ist nun aber auch das Training mit bis zu 20 Kids wieder erlaubt. Das freut WSF-Trainer Stefan Loch (rechts), hier im Bild mit der Familie Jung/Lang aus Pirmasens (v. links: Mutter Heike und ihre Kinder Ulf und Britta).

Foto: Markus Hagen

So recht trauen mag Stefan Loch dem Braten noch nicht. „Es steht und fällt mit dieser blöden 100“, sagt der 2. Vorsitzende der Wassersportfreunde (WSF) Zweibrücken. Loch ist Trainer der WSF-Kanuten – und hätte derzeit eigentlich Anlass optimistisch in die Zukunft zu blicken. Denn die Inzidenz in der Rosenstadt hält sich von der „blöden 100“, die eine Rückkehr zur Bundesnotbremse bedeuten würde, derzeit weit entfernt (Stand Mittwochmorgen: 40,9). Damit ist das Nachwuchstraining bei den Kanuten seit dem 12. Mai wieder fast wie früher. Bis zu 20 Kinder dürfen im Freien ohne Abstand Sport treiben. „Das bedeutet für unsere Abteilung im Grunde Normalbetrieb“, sagt der 42-Jährige. Lediglich die Sanitäranlagen dürfen noch nicht genutzt werden. 

Doch nach über einem Jahr Corona-Pandemie, während dem bei den WSF-Kanuten immer mal wieder – aber nie langfristig – ein Stück Normalität eingekehrt war, ist der 2. Vorsitzende des Gesamtvereins vorsichtig geworden. „Zweibrücken ist eine kleine Stadt, rund 35 000 Einwohner. Da braucht es nicht viel, vielleicht nur zehn, zwanzig Fälle. Und die Inzidenz schießt wieder nach oben“, befürchtet Loch. Ein kleiner Ausbruch reiche also – und dann ginge „das Spiel wieder von vorne los“. Das Warten. Darauf, dass die Inzidenz wieder unter 100 sinkt. Das Hoffen. Dass sie dort auch fünf Tage am Stück bleibt. Erst dann gilt die Bundesnotbremse nicht mehr.

Dabei hatten es die Kanuten in den vergangenen 14 Monaten noch „vergleichsweise gut“, wie Loch einräumt. Vor allem im Gegensatz zur Schwimmabteilung der Wassersportfreunde. „Für sie ist die Situation wegen der noch immer geschlossenen Bäder natürlich verheerend“, weiß Loch. Doch auch die Kanuten hat die Corona-Krise hart erwischt. „Auch wenn wir uns ja theoretisch einfach unsere Boote schnappen und auf dem Schwarzbach paddeln konnten“, meint der 2. Vorsitzende. Doch Theorie und Praxis sind nun einmal zwei verschiedene Paar Schuhe. Denn einfach loslegen – das konnten eben nur die erfahrenen Mitglieder der Wassersportfreunde. „Den Kindern, die noch lernen oder gerade erst angefangen haben, hilft das herzlich wenig. Einen Achtjährigen kann man nicht alleine auf dem Wasser lassen“, erklärt Loch. Zwar konnten die Wassersportfreunde ihr Training – unter wechselnden Vorgaben und Einschränkungen – seit Mai vergangenen Jahres in Teilen aufrechterhalten. Doch gerade Neulinge profitierten davon wenig. Den vorgegebenen Abstand auf dem Wasser einzuhalten, sei dabei kein Problem gewesen. „Weniger als 1,50 Meter? Dann hast du das Paddel des Trainingspartners zwischen den Zähnen“, sagt Loch und muss schmunzeln. Doch die jüngsten Nachwuchskanuten bräuchten Hilfe, um überhaupt in ihr Boot einsteigen zu können. Das sei mit Abstandhalten nicht zu vereinbaren, ergänzt der 42-Jährige ernster. Angesichts dieser Umstände sei es nicht verwunderlich, dass „in Sachen Nachwuchs im letzten Jahr kaum etwas nachkam.“

Zudem nervten die ständigen Änderungen dessen, was erlaubt war. Im März dieses Jahres, als die Inzidenz unter 50 lag, befanden sich bei den WSF zehn Kinder gleichzeitig im Training. Annähernd Normalbetrieb. Doch mit steigenden Inzidenzen und dem Inkrafttreten der Bundesnotbremse wenige Wochen später „waren die über 14-Jährigen aus dem Training im Grunde raus“, erinnert sich Loch. Die jüngeren durften in Kleingruppen zwar weiterüben. Für die Trainer, die stets einen tagesaktuellen Coronatest vorweisen mussten, wurde das Aufrechterhalten des Betriebes aber zu einer Belastungsprobe. „Wir machen das alle nebenberuflich. Von der Arbeit zum Testen und weiter zum Training. Wie soll das langfristig gehen?“, fragt Loch. Er und sein Trainerkollege Angel Perez seien zwar bereit gewesen, „den Spaß mitzumachen“. Auf Dauer könne dies aber keine Lösung sein. 

Doch auch für die leistungsorientierten Kanuten der Wassersportfreunde waren die letzten 14 Monate mit Entbehrungen verbunden. „Der Schwarzbach ist ja nicht für rauschendes Wildwasser bekannt“, erklärt Loch, deshalb stünden für die WSF-Kanuten für gewöhnlich Trainingslager auf dem Programm, um sich auf die Regattasaison vorzubereiten. Auf den Kanälen in Metz oder Nancy etwa. Doch Frankreich als damaliges Hochrisikogebiet kam 2020 selbstverständlich nicht in Frage. Zumindest einmal konnten die Zweibrücker sich auf den Ernstfall vorbereiten. Mit zehn Mann – darunter die erfolgreichen Brüder Ulf und Holger Jung – reisten sie im Sommer nach Augsburg, um ihre Boote auf dem Olympia-Kanal von 1972 zu Wasser zu lassen. Der Eiskanal ist noch heute eine beliebte Trainingsstrecke.

Wofür die WSF-Kanuten überhaupt trainierten, war zu jenem Zeitpunkt freilich noch völlig unklar. „Zermürbend und ermüdend“, beschreibt Loch jene Zeit des Hoffens, Bangens und Wartens. Denn die Wettkämpfe fielen reihenweise ins Wasser. Die Regattasaison war bis in den Herbst fast vollständig lahmgelegt. Und dann ging es plötzlich um alles. Im September fand an einem einzigen Wochenende in Markkleeberg (Sachsen-Anhalt) sowohl die Qualifikation für die internationalen Meisterschaften als auch die deutsche Meisterschaft statt. Ebenso wurden die Tickets für die Junioren-Europameisterschaft in Polen vergeben. Die schwierige Vorbereitung und fehlende Wettkampfpraxis forderten ihren Tribut. Durch einen verpatzten ersten Qualifikationstag wurden die Hoffnungen von Holger Jung auf die EM schon früh zunichte gemacht. „Klar war das schade. Alles wurde in dieses eine Rennen gepackt. Wenn es an diesem Wochenende nicht läuft, ist es vorbei. Sicher war Holger ein wenig enttäuscht“, erinnert sich Loch.

Die Zeit ohne Wettkämpfe nutzten die Brüder Ulf und Holger Jung im Januar dieses Jahres dann auf kreative – und mutige – Art und Weise. Zusammen mit ihrem Kumpel Marc Niesen stürzten sie sich auf ihren Kanus den rund 20 Meter hohen Leukbach-Wasserfall in der Innenstadt von Saarburg hinunter. Starker Regen hatte den sonst zu niedrigen Wasserpegel deutlich ansteigen lassen und die Aktion möglich gemacht. „Nicht nachmachen!“ Für solch eine Abfahrt sei viel Erfahrung nötig, betonten die drei Kanuten. Das mediale Echo auf die rasante Abfahrt war jedenfalls gigantisch. „So etwas hatten die drei offenbar schon länger im Hinterkopf. Dass das aber Wellen bis zur Bild-Zeitung schlägt, haben sie sich sicher nicht vorgestellt“, sagt Loch und muss schmunzeln.

Am kommenden Wochenende stellen sich die Jung-Brüder aber wieder einer vergleichsweise normalen Herausforderung. In Markkleeberg werden dann die Qualifikationen im „Boater Cross“ ausgetragen. Eine Art Extremslalom, der ab 2024 auch bei den Olympischen Spielen stattfindet und in leichteren Kunststoff-Booten ausgetragen wird. Die Disziplin wird zwar auch unter dem Oberbegriff Kanuslalom geführt, im Gegensatz zu diesem starten die Kontrahenten hier aber zeitgleich. Auch wenn in Markkleeberg aufgrund der Pandemie getrennt gestartet wird. „Das ist eine gute Sache. Viel Action und für den Zuschauer direkt nachvollziehbar“, lobt Stefan Loch den frischen Wind, der damit in die Sportart einzieht.

Der traditionsreiche Kanupark Markkleeberg ist mir der Organisation von Großveranstaltungen vertraut. Doch anderswo fällt die Durchführung von Wettkämpfen deutlich schwerer. Einige wurden statt an einem Rennwochenende zumindest noch als Tagesveranstaltung angeboten. Auch wenn Loch das nicht optimal findet. „Aus dem Ruhrgebiet nach Rosenheim zu einem Wettkampf – und danach wieder zurück. Das ist schwierig“. Denn das sonst bei Wettkämpfen traditionelle und unter den Kanuten lieb gewonnene Zelten am Austragungsort ist vielerorts noch immer nicht erlaubt. Anderweitige Übernachtungen mit einer größeren Gruppe sind mitunter eine kostspielige Angelegenheit.

Andere Läufe hat es aber noch schlimmer erwischt. Sie wurden – und werden noch immer – abgesagt oder verschoben. „Eigentlich wären wir jetzt schon mitten in der Saison. Aber bei vielen Veranstaltungen ist man nicht mehr bei Plan B, sondern längst bei Plan C und D angekommen“, hadert Loch.

Die Süddeutschen Meisterschaften im bayerischen Günzburg wurden auf dem 19. Juni verlegt. Nun steht die Entscheidung an, ob sie auch tatsächlich stattfinden können. Rund fünf Wochen vorher wollen die Veranstalter in der Regel Klarheit haben, weiß Loch. Die Süddeutschen Meisterschaften der Schüler im Juli in Waldkirch wurden am Mittwoch abgesagt, weil die Veranstaltung mit der Landesverordnung in Baden-Württemberg nicht vereinbar ist. Dem Ausrichter wurde das zu unsicher. „Mehr als frustrierend“ sei es, „dass die Politik lieber Zuschauer im Profifußball zulässt als Nachwuchsrennen für Kinder im Freien“, findet Loch.

Vieles ist dabei abhängig von den Verordnungen der Bundesländer. Denn der Schüler-Länderpokal in Hildesheim (Niedersachsen) am 5. Juni hat Stand jetzt grünes Licht.

Zum Kanusport kam Stefan Loch im Alter von 9 Jahren. Eigentlich trat er den Wassersportfreunden damals bei, um zu schwimmen – bis er das erste Mal ein Paddel in der Hand hielt: „Kanu gibt dir die volle Bandbreite: Du bist draußen unterwegs, hast die Wettkämpfe. Aber auch die Freizeit mit dem Zelten im Rahmen der Turniere gehört für mich einfach dazu“, schwärmt der 42-Jährige. „Man stellt es sich irgendwann gar nicht mehr anders vor.“

 Kreativität während der langen Wettkampfpause: Die WSF-Kanuten Ulf und Holger Jung stürzten sich im Januar den Wasserfall in der Saarburger Innenstadt hinab.

Kreativität während der langen Wettkampfpause: Die WSF-Kanuten Ulf und Holger Jung stürzten sich im Januar den Wasserfall in der Saarburger Innenstadt hinab.

Foto: TV/privat
  Nach schwieriger Vorbereitung hat WSF-Kanut Holger Jung die Teilnahme an der Junioren-EM beim einzigen Wettkampf 2020 in Markkleeberg verpasst.

Nach schwieriger Vorbereitung hat WSF-Kanut Holger Jung die Teilnahme an der Junioren-EM beim einzigen Wettkampf 2020 in Markkleeberg verpasst.

Foto: Jung/privat

Auch wenn er dem Braten noch nicht so ganz trauen mag – ein wenig optimistischer blicke er angesichts des zunehmenden Impftempos und des nahenden Sommers dann doch in die Zukunft, räumt der 2. Vorsitzende der Wassersportfreunde ein. Zumindest solange sich die Inzidenzzahl in Zweibrücken von dieser blöden 100 fernhält.

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