Wandel macht vor Sportvereinen nicht halt

Zweibrücken/Kaiserslautern. Seit 20 Jahren ist Martin Schwarzweller Geschäftsführer beim Sportbund Pfalz. In dieser Zeit hat sich das Vereinsleben verändert. Ebenso die Anforderungen an den pfälzischen Dachverband. Wie, welche Folgen der demografische Wandel nach sich zieht und wie zukunftsfähig Sportvereine sind, darüber sprach der Ellerstadter mit Merkur -Redakteurin Svenja Kissel.

 Trotz des Rückgangs bei den Mitgliedszahlen seien heute drei Mal so viele Kinder in pfälzischen Sportvereinen, deren Anzahl wiederum gestiegen ist, aktiv als etwa 1970. Das ehrenamtliche Engagement werde heutzutage immer wichtiger, betont Martin Schwarzweller.Symbolfoto/Foto: Svenja Kissel/Hutzler/pma

Trotz des Rückgangs bei den Mitgliedszahlen seien heute drei Mal so viele Kinder in pfälzischen Sportvereinen, deren Anzahl wiederum gestiegen ist, aktiv als etwa 1970. Das ehrenamtliche Engagement werde heutzutage immer wichtiger, betont Martin Schwarzweller.Symbolfoto/Foto: Svenja Kissel/Hutzler/pma

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 Zwei Mal in der Woche treffen sich die Frauen zu den Krebsnachsorge-Sportkursen der VTZ, die schon seit 25 Jahren bestehen. Foto: Verein

Zwei Mal in der Woche treffen sich die Frauen zu den Krebsnachsorge-Sportkursen der VTZ, die schon seit 25 Jahren bestehen. Foto: Verein

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Herr Schwarzweller, Sie führen den Sportbund von der hauptamtlichen Seite nun seit 20 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit hinsichtlich Vereinsleben und mit Blick auf Ihre Arbeit verändert?

Schwarzweller: Die Zahl unserer Mitgliedsvereine hat sich von 1952 im Jahr 1995 auf mittlerweile 2117 erhöht, auch die Zahl der Fachverbände ist von 50 auf 59 gestiegen. In den letzten 20 Jahren hat die Zahl derjenigen, die sich ehrenamtlich in unserer Gesellschaft engagieren - nicht nur im Sport - deutlich zugenommen. Dies merken wir zum Beispiel am großen Interesse an unseren Aus- und Fortbildungsangeboten. So haben sich die Teilnehmerzahlen von 2000 auf über 5000 jährlich mehr als verdoppelt. Natürlich haben auch die "Neuen Medien" bei unseren Mitgliedsorganisationen und beim Sportbund Pfalz Einzug gefunden, mit all ihren Auswirkungen auf die Kommunikation und Außendarstellung. Der Sportbund Pfalz kann etwa über seine Homepage, mit seinen Newslettern viel umfangreicher informieren und erreicht viel mehr ehrenamtliche und nebenamtliche Funktionsträger in den Vereinen und Verbänden, als dies in den 90er Jahren noch der Fall war.

Sie waren bereits vor der Übernahme der Geschäftsführung beim Sportbund tätig. Wie sind Sie bei dem Verband gelandet und wie ist es dazu gekommen, im Februar 1995 die neue Position zu übernehmen?

Schwarzweller: Bereits 1984 war ich für vier Wochen Praktikant beim Sportbund. 1986, nach meinem Studium, wurde eigens für mich beim Sportbund Pfalz eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für zwei Jahre eingerichtet und dann die Stelle "Bildungsreferent" geschaffen. Meinem Vorgänger Werner Tag bin ich hierfür noch heute dankbar. Nach vier Jahren wechselte ich dann zum neu gegründeten Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland nach Mainz und war für diesen fünf Jahre als Laufbahnberater für Spitzensportler tätig. Es war dann etwas Glück dabei, dass ich bei einer Vielzahl von Bewerbungen 1995 die Nase vorn hatte und Geschäftsführer des Sportbundes wurde.

Waren Sie, beziehungsweise in welcher Form, dem Sport in der Pfalz schon zuvor verbunden?

Schwarzweller: Ich bin seit meinem achten Lebensjahr Vereinssportler. Beim TV Ellerstadt und TuS Gronau spielte ich in der Jugend Fußball. Später kam beim TV Dürkheim Volleyball dazu. In dem Verein war ich über Jahre auch Abteilungsleiter und Turnratsmitglied. Auch als Fußballtrainer in der C-Klasse und als aktiver Fußballer bis zum 43. Lebensjahr hatte ich eine sehr schöne Zeit.

Der Sportbund versteht sich als Dienstleister für die über 2100 pfälzischen Vereine. Wo muss und kann die größte Hilfestellung geleistet werden? Wo sehen Sie die Hauptaufgaben?

Schwarzweller: Die Qualifizierung von Übungsleitern, Vorstandsmitgliedern, Betreuern und Helfern steht im Fokus unserer Aktivitäten. Die rund 200 Lehrgänge und Seminare dienen auch dem Meinungsaustausch der Teilnehmer untereinander und geben uns immer wieder Impulse für neue Angebote. Einen hohen Stellenwert haben die Beratungsangebote im Sportstättenbau und zum Vereins- und Steuerrecht.

In den zurückliegenden Jahren mussten die Sportvereine in der Pfalz mit Kürzungen vonseiten der Landesregierung zurechtkommen. In der Konsequenz war auch der Sportbund gezwungen, immer mal wieder den Rotstift anzusetzen. Wo hat ihn das am meisten getroffen und wie gut ist der Dachverband damit insgesamt zurechtgekommen?

Schwarzweller: Die Kürzungen der Sportfördermittel wirken sich insbesondere auf die Bezuschussung der Vereine für ihre Übungsleiter aus und bei der finanziellen Förderung der Fachverbände durch den Sportbund Pfalz. Die Kürzungen konnten nur teilweise durch die Gewinnanteile, die der Sportbund Pfalz als Gesellschafter der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH erhält, kompensiert werden. Wie die Vereine und Fachverbände mussten wir den Anteil der Eigenmittel am Haushalt erhöhen. Der Mitgliedsbeitrag, den der Sportbund von seinen Vereinen erhebt, wurde von 0,40 Euro (seit 2002) auf nunmehr 0,60 Euro pro Jahr und Vereinsmitglied erhöht und die Teilnehmergebühren bei Lehrgängen mussten angepasst werden.

Gibt es Aktionen im Rückblick auf die 20 Jahre, an die Sie sich besonders gerne erinnern?

Schwarzweller: Da fallen mir sofort unsere Veranstaltungen und Aktionen im Jahr 1999 ein. In diesem Jahr feierten wir unser 50-jähriges Jubiläum unter anderem mit dem "Festival des Sports" rund um den Ohmbachsee, zusammen mit dem Deutschen Sportbund. Seit 2011 sind wir deutschlandweit der einzige Sportbund, der über ein eigenes Sportmuseum verfügt und auch unsere Veranstaltung "Die Pfalz läuft für den Dom" im Jahr 2004 fand bundesweit große Beachtung. Unsere Aktionen "Übungsleiter des Monats", "Schiedsrichter des Monats", "Vereinsgaststätte des Monats", "Helferfeste", bei denen wir bestimmte Zielgruppen und Vereinsaktivitäten in den Mittelpunkt stellten und stellen, waren bis dato ebenfalls ohne Vorbilder. Die olympischen Jugendlager unserer Sportjugend Pfalz in Athen und London gehörten ebenfalls zu den Glanzlichtern in der Vergangenheit.

Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Sportverein heutzutage aus? Welchem Wandel müssen sie sich unterziehen, um auch in Zukunft ihrer Rolle gerecht werden zu können?

Schwarzweller: Unsere Vereine stehen nicht außerhalb unserer Gesellschaft, sondern sind Teil dieser. Solange sie die Interessen ihrer Mitglieder bedienen und erfüllen, sind sie auch erfolgreich. Bewundernswert ist es, wie unsere Sportvereine sich um ihre Senioren kümmern, Kinder und Jugendliche betreuen, Menschen mit Handicap integrieren und neuerdings auch Flüchtlinge betreuen. Die meisten Vereine machen "automatisch" das Richtige. Wichtig sind gute Rahmenbedingungen und falls doch erforderlich eine entsprechende Hilfestellung seitens der Dachorganisationen aber auch der Kommunen. Letztgenannte sind sehr wichtige Partner unserer Sportvereine. Ich bin auf jeden Fall optimistisch, dass unsere Sportvereine auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.

Während die Zahl der Vereine im Sportbund Pfalz im vergangenen Jahr nahezu gleich geblieben ist, sind die Mitgliederzahlen im Vergleich zum Vorjahr um 4000 gesunken. Womit ist dieser Rückgang zu erklären? Und wie kann man einem weiteren Schwund entgegenwirken?

Schwarzweller: Die demografische Entwicklung - es werden immer weniger Kinder geboren - macht in ihren Auswirkungen auch nicht vor dem Vereinssport halt. Trotzdem sind heute drei Mal so viele Kinder und Jugendliche in pfälzischen Sportvereinen aktiv, als dies noch 1970 der Fall war. Auch ist es eine Tatsache, dass Menschen, die aus anderen Ländern zuwandern, in unseren Vereinen unterrepräsentiert sind - aus welchen Gründen auch immer. Aber wie gesagt, Vereine sind Teil unserer Gesellschaft und gesellschaftliche Entwicklungen machen vor ihnen nicht halt.

Ein großes Projekt hat der Sportbund Ende 2013 umgesetzt: die Fertigstellung der neuen Geschäftsstelle und den damit verbundenen Umzug in den neuen Standort in direkter Nähe zur TU Kaiserslautern . Wie wichtig war dieser Schritt im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit?

Schwarzweller: Wir standen vor einigen Jahren vor der Frage, ob wir 600 000 Euro in die Sanierung unserer aus den 50er Jahren stammenden Geschäftsstelle in Kaiserslautern - ursprünglich ein Wohnhaus - stecken sollen. Zusätzlich hätten wir in Einrichtungen für Besucher mit Handicap investieren müssen wie Sanitäranlagen und Aufzug. Wir sind am neuen Standort umgeben von attraktiven Sportstätten, arbeiten eng mit der Sportwissenschaft und dem Hochschulsport der Universität zusammen und haben deutlich reduzierte Betriebskosten. Nachdem wir auch die alte Geschäftsstelle zu einem guten Preis verkaufen konnten, ist unsere Rechnung voll aufgegangen. Die Erwartungen haben sich mehr als erfüllt. So konnten wir im letzten Jahr einen Übungsleiterkongress "vor der Haustür" mit 300 Teilnehmern durchführen, in diesem Jahr organisieren wir mit dem DOSB einen Sportabzeichentag für Sportler mit und ohne Handicap und eine internationale Trainertagung. Zum Sportabzeichentag am 16. Juli erwarten wir rund 800 Teilnehmer.

Welche Projekte gehen Sie mit dem Dachverband des pfälzischen Sports in Ihrem 21. Jahr als Geschäftsführer an?

Schwarzweller: Beim Thema "Projekte" bin ich zurückhaltend. Nach meiner Meinung gibt es zu viele und fast jede Woche wird "eine neue Wutz durchs Dorf getrieben". Wir müssen unser Augenmerk weiter darauf legen, die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement in unseren Sportvereinen und -verbänden so positiv wie möglich zu gestalten. Hierzu zählen unter anderem eine angemessene Bezuschussung bei der Sanierung von vereinseigenen Sportanlagen, im Bereich der lizenzierten Übungsleiter und der Fachverbände für ihre Arbeit. Bei der kommunalen Sportstättenplanung wollen wir - wie bereits in Neustadt geschehen - eng mit den Kommunen zusammenarbeiten, auch unter dem Gesichtspunkt der demografischen Entwicklung. Mit dem Landessportbund sind wir in einem guten Dialog, die Aufgabenverteilung und Abstimmung weiter zu verbessern. Und letztendlich wollen wir Serviceangebote für die Mitgliedsorganisationen weiterentwickeln.

Welchen Herausforderungen steht der Sportbund in naher Zukunft gegenüber?

Schwarzweller: Es sind Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft insgesamt steht. Beispielhaft möchte ich nennen die negative Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Bereich und ihre Auswirkungen auf das Vereinsleben, die Konsequenzen der Schuldenbremse auf die Sportförderung in den nächsten Jahren und die Folgen der nächsten Euro-Krise, die den Lebensstandard weiterer Bevölkerungskreise abzusenken droht. Das ehrenamtliche Engagement wird immer wichtiger - und ist wie gesagt so umfangreich wie noch nie. Dies gilt es, weiter zu unterstützen. Dass trotzdem immer wieder von der "Krise im Ehrenamt" die Rede ist, oder "dass niemand mehr bereit ist, ein Ehrenamt zu übernehmen", ist kontraproduktiv und falsch.

sportbund-pfalz.de

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