Von Erstliga-Gefühl zu Verbitterung

Ein Hauch von Erstliga-Gefühl kommt am Samstag beim Marsch auf den Betzenberg auf. Gut 45 000 Fans zieht es zur Zweitligapartie zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Absteiger VfB Stuttgart . Auch mich und zwei meiner Sportkollegen - einer davon im Trikot des VfB. Großer Andrang am Einlass, laute Gesänge auf den Rängen, eine Gänsehautkulisse. Doch nur all zu schnell verfliegt das Gefühl, die Erinnerung an die guten alten Zeiten, und es wird klar: Eine volle Hütte, das wird hier sicher nicht mehr so häufig vorkommen.

Auf dem Platz kann die Mannschaft des FCK mit der erstligareifen Atmosphäre nicht mithalten. Eine Viertelstunde lang geben die Lautrer zwar Vollgas, erarbeiten sich Chancen gegen die spielerisch sicher stärker einzuschätzenden Cannstatter. Ich bin überrascht. Die Steigerung gegenüber den vergangenen Partien wird deutlich. Doch das Hochgefühl hält nicht lange. Ganz anders nun bei meinem Sitznachbarn - und unserem Vordermann: Guido Buchwald , Weltmeister von 1990 und elf Jahre Spieler des VfB. Denn Angst brauchen die bis dahin harmlosen Stuttgarter vor den Roten Teufeln nicht wirklich zu haben. Kaiserslautern ist bemüht, aber uneffektiv, absolut ungefährlich in der Offensive - nicht umsonst steht nach fünf Partien erst ein einziges Tor auf der Habenseite.

Bei fünf Spielen ohne Sieg, lediglich zwei Punkten auf dem Konto und als Schlusslicht der 2. Liga ist es in diesem Geschäft absolut normal, dass über die Arbeit im Verein, die fehlende Qualität in der Mannschaft und nicht zuletzt schon wieder den Trainer diskutiert wird. Doch Sportdirektor Uwe Stöver steht hinter Tayfun Korkut. Noch. Denn noch ruht die Hoffnung auf den zahlreichen Verletzten, auf den weiteren Neuzugängen wie Sebastian Kerk und Jacques Zoua, die dem harmlosen Angriff Schwung verleihen sollen. Denn eigentlich, so ist Korkut sicher, habe der FCK eine gute Zweitligamannschaft - wenn alle Spieler fit sind. Sind sie aber nicht. Und Zeit, abzuwarten, ist auch nicht.

So wird die Luft für Korkut schon jetzt dünner. Obwohl er aus der angeschlagenen Truppe noch nicht alles rausholen konnte, niemand von uns sieht, was er in seiner Trainingsarbeit leistet. Obwohl der Spagat schwer ist, zwischen Geduld nach dem Umbruch und dem unbedingt siegen müssen. Und obwohl auch unklar ist, wer im tatsächlichen Fall eines erneuten Trainerwechsels überhaupt Korkuts Stelle einnehmen und aus dieser Mannschaft mehr rauskitzeln sollte - dabei immer die nicht vorhandenen finanziellen Mittel im Hinterkopf.

Egal, wer auch immer an der Seitenlinie steht - derzeit reicht die Qualität in der Mannschaft nicht aus, um überhaupt an die oberen Regionen der 2. Liga zu denken. Das wurde am Ende auch gegen Stuttgart deutlich. Es kann in dieser Saison nur über den Kampf gehen, über den nun ein Sieg gegen Dresden her muss. Sonst kann es, wie ein glücklicher Buchwald nach dem Abpfiff am Samstag so treffend betonte, "eine ganz bittere Saison für den FCK werden". Und weg ist der Hauch von Erstliga-Atmosphäre. Vielmehr fühle ich mich in meiner Enttäuschung an die Runde 2007/08 erinnert, die beinahe in der Drittklassigkeit geendet hätte.

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