Zweibrücker Oliver Spurzem bei Ironman auf Hawaii „Das ist schon fast wie beim ersten Mal“

Zweibrücken/Kona · Nach drei langen Jahren coronabedingter Pause startet Oliver Spurzem an diesem Samstag wieder beim Ironman auf Hawaii. Zu seiner fünften Teilnahme an der Langdistanz-WM ist der Zweibrücker Triathlet mit einem guten Gefühl und großen Zielen angereist. Wenn die Stimmung auf Kona in diesem Jahr auch eine etwas andere ist.

 2019 – vor Corona – überquerte Oliver Spurzem letztmals zufrieden die Ziellinie bei der Ironman-WM auf Hawaii. Dieses Mal soll eine Zeit unter zehn Stunden auf der Anzeigetafel erscheinen.

2019 – vor Corona – überquerte Oliver Spurzem letztmals zufrieden die Ziellinie bei der Ironman-WM auf Hawaii. Dieses Mal soll eine Zeit unter zehn Stunden auf der Anzeigetafel erscheinen.

Foto: Privat

Oliver Spurzem weiß, welche Qualen und Schmerzen am Samstag auf ihn zukommen. Und doch steigt in dieser Rennwoche mit jedem Tag die Vorfreude auf den Startschuss, das Getümmel. Die letzten Einheiten in Wind und Hitze zwischen dem Vulkangestein laufen gut. Die Anspannung wächst. Der Körper des Zweibrücker Triathleten hat sich nach mittlerweile zwei Wochen auf Kona an die Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit gewöhnt. Jetzt ist er „einfach nur heiß“ auf seinen fünften Start bei der legendären Ironman-WM auf Hawaii. Auf den sich der 45-Jährige so akribisch vorbereitet hat wie kaum zuvor. Denn sein Ziel ist klar: Nach der dreijährigen coronabedingten Abwesenheit soll es dieses Mal klappen mit dem Knacken der Zehn-Stunden-Marke.

Nach bereits vier Teilnahmen könnte man meinen, dass der Hawaii-Start für Spurzem keine große Aufregung mehr mit sich bringt. Doch vieles ist anders dieses Mal. Die Anspannung ist dem Zweibrücker schon vor der Abreise deutlich anzuhören. „Es ist alles sehr aufwühlend, aber ich habe richtig Bock“, sagt er einen Tag vor seinem Abflug. „Es ist alles noch sehr surreal.“ Da tauche immer wieder die Frage auf: „Fliege ich jetzt echt nach Hawaii – nach drei Jahren? Das ist schon fast wie beim ersten Mal“, gibt Spurzem lachend Einblicke in seine Gefühlswelt. „Das ist schon richtig krass gerade. Es ist einfach noch mal ein ganz anderer Vibe nach Corona. Das war ja kein von mir bewusst gewählter, sondern ein durch eine Krankheit erzwungener Break. Das ist dieses Mal nicht so greifbar wie in den Jahren zuvor.“

2014 startete Spurzem erstmals auf der Pazifikinsel (10:07 Stunden). Nach 2015 und 2017 lief er 2019 letztmals in Kona durchs Ziel. Er weiß grundsätzlich, was ihn auf den 3,86 Kilometern Schwimmen in der Kailua Bay, den 180,2 Kilometern auf dem Rad und den abschließenden 42,2 laufend auf dem heißen Asphalt erwartet. Während er insgesamt eine Langdistanz-Bestzeit von 9:14 Stunden (Frankfurt 2017) stehen hat, brachte Spurzem die kräfteraubenden 226 Kilometer auf der Pazifikinsel – wo die Bedingungen den Athleten noch mal ganz andere Fähigkeiten abverlangen – nach 10:03 Stunden hinter sich. Knapp über der ersehnten Zeit.

Die soll dieses Mal fallen. Dafür hat sich der Zweibrücker akribisch vorbereitet, viel auf dem Rad, an der Effizienz sowie weiter an der optimalen Verpflegung gearbeitet. Und seine bisherigen Ergebnisse in diesem Jahr bestätigen die gute Arbeit: Platz elf bei der Militär-WM in Spanien, Altersklassen-Erster bei der Halbdistanz in Maxdorf und der große Triumph mit dem Altersklassen-Sieg beim Ironman in der Schweiz. Womit der Stabsfeldwebel des Fallschirmjägerregiments 26 eindrucksvoll seine bereits im Vorjahr erfolgte WM-Quali für Kona bestätigt hatte.

„Ich fühle mich gut, ich bin gesund“, erzählt er am Telefon wenige Tage vor dem Rennen noch recht entspannt. „Und dieses Mal passe ich auch ein bisschen auf die Zeit auf“, sagt er mit Blick auf seinen letzten Hawaii-Start 2019 als er das WM-Rennen eher konservativ angegangen war, um seine Leistung ohne Einbruch durchzuziehen. „Das habe ich geschafft, ich war glücklich – und habe mich dann im Ziel geärgert über die drei Minuten. Weil ich dachte: Hättest du mal ein bisschen gerechnet, dann hätte das schon damals geklappt mit der Zeit unter zehn Stunden.“ Allerdings sei die Frage, ob das hätte sein müssen, „und ob ich dann so gut vorbereitet wie jetzt hingefahren wäre. Der Fokus ist dieses Mal voll da, die Leistungsfähigkeit eine ganz andere.“

Doch Spurzem weiß aus Erfahrung, dass Hawaii noch mal eine andere Hausnummer ist. „Das ist halt Kona. Ich kann nicht sagen, wie es abläuft. Ich weiß nur, dass ich hochzufrieden damit bin, was mein Körper derzeit zu leisten im Stande ist.“ Auch auf dem Rad, was lange sein Knackpunkt war. „Da hat sich viel getan bei mir. Ich habe unzählige Stunden abgespult. Da habe ich richtig aufgebaut. Das ist wichtig, um die Zeit zu verbessern.“ Beim Schwimmen und Laufen sei Spurzem zwar nicht zwingend schneller geworden. „aber effizienter“. „Wenn du das Radfahren gut hinkriegst, dann noch zügig läufst und dabei etwas länger schneller sein kannst, dann ist das noch mal eine Verbesserung. Bislang sieht das alles sehr vernünftig aus in diesem Jahr.“ Jetzt muss es Oliver Spurzem nur noch gelingen, das auf das Rennen in Kona zu übertragen.

„Die Vorspannung ist auf jeden Fall vorhanden.“ Diese gilt es, auf Hawaii zu halten. „Das wird ganz von alleine passieren, sobald ich da aus dem Flieger steige, die Konkurrenz sehe, die Atmosphäre da ist“, sagte er vor dem Abflug am 22. September. Damit sollte er Recht behalten. Und doch ist die Stimmung vor Ort nicht vollkommen gelöst. „Es ist proppenvoll hier“, erzählt Spurzem. Durch das Anstauen der Altersklassenathleten aufgrund der coronabedingten Ausfälle der WM-Rennen 2020 und 2021 werden in diesem Jahr erstmals die Profi-Frauen – am Donnerstag – auch getrennt von den Profi-Männern – am Samstag – starten, jeweils mit einer Schar von Amateuren. Statt 2500 sind es dieses Mal 5000 Athleten. „Dazu kommen noch die ganzen Zuschauer“, erklärt der Zweibrücker und fügt bedauernd an: „Der Kona-Spirit, so wie es früher war, geht so ein bisschen verloren.“ Man bekomme schon auch mit, dass das Treiben nicht von allen Bewohnern gerne gesehen ist. „Die einen verdienen Geld mit dem Kram, die anderen freuen sich, wenn die alle wieder weg sind. Das ist ein bisschen schade.“ Die Ironman-Organisation habe dieses Mal auch Regeln rumgeschickt, wie sich die Besucher zu verhalten haben, „damit es hier nicht völlig eskaliert. Es gibt schon einige, die denken, sie könnten hier die Sau raus lassen und verscherzen es sich mit den Einheimischen“, erzählt der 45-Jährige. „Man merkt zudem, dass das alles immer mehr Kommerz wird. Es ist natürlich trotzdem ein Abenteuer“, erklärt Spurzem, fügt jedoch seufzend an: „Aber anders dieses Mal.“

Glücklicherweise wohne er selbst weit außerhalb, weg von dem Trubel. Doch auch im Training auf den Rennstrecken tummeln sich die Teilnehmer vermehrt. „Du musst teilweise sehen, wo du überhaupt trainieren kannst. Die Bucht und die Radstrecken sind so voll, dass du denkst, du bist schon im Rennen. Ich versuche, das auszublenden und begebe mich im Training schon voll in den Wettkampffokus.“

Die ersten Einheiten unter den Bedingungen auf der Insel „waren insgesamt schon hart“, erzählt Spurzem. „Aber es geht immer besser“, erklärt er, dass das Akklimatisieren und Jetlag-Verarbeiten ganz gut geklappt habe. „Es war gut, meine gewohnten zweieinhalb Wochen vorher anzureisen.“ In den ersten Tagen habe er recht locker trainiert. „Je näher du ans Rennen kommst, umso höherwertig sind die Einheiten noch mal. Zwar nicht mehr so lange, aber ich gebe dem Körper überschwellige Reize, sodass der im Rennen sagt: Was machen wir denn hier, Urlaub oder was?“, erklärt Spurzem lachend.

Nach den langen Monaten der Vorbereitung geht es für ihn jetzt in die Fokussierungsphase. Die „positive“ Nervosität ist zu spüren. „Wenn du die Schwimmstrecke siehst, dann kribbelt es schon. Jetzt ist Race-Week. Jetzt hast du immer mehr Termine in Kona-Town. Briefing, Unterlagen abholen, Bändchen abholen. Dann realisierst du langsam: Ja, jetzt passiert es wirklich.“

Der Startschuss für den Zweibrücker erfolgt am Samstag „erst“ um 7.20 Uhr (19.20 Uhr unserer Zeit). „Das wird hinten raus nicht so toll. Je später du startest, umso stärker wird der Wind. Das kann ein Faktor sein. Das kann dich fertigmachen“, erklärt er. Zudem hadert der 45-Jährige mit seiner „Riesenstartgruppe“, da seine Altersklasse die am stärksten vertreten ist. „Das wird richtig schwer“, betont Spurzem und fügt nach einer kurzen Pause an: „Es kann alle passieren.“

 Oliver Spurzem bei einer seiner Trainingseinheiten vor dem Ironman auf Hawaii.

Oliver Spurzem bei einer seiner Trainingseinheiten vor dem Ironman auf Hawaii.

Foto: Spurzem/Privat

Und ganz egal, wie das Rennen läuft: Die harte Saison ist für den Zweibrücker nach Hawaii noch nicht zu Ende. Stattdessen geht es gleich weiter nach Kalifornien. Wo er am 23. Oktober den bereits mehrfach verschobenen Ironman in Sacramento zum Ausklang absolvieren wird. Die dritte Langdistanz des Jahres, die zweite innerhalb von nur zwei Wochen. Dafür, dass er die Möglichkeiten bekommt, das alles in dieser Form zu erleben, sei er auch seinem Arbeitgeber Bundeswehr „sehr dankbar“, betont Spurzem. Das sei nicht selbstverständlich. So aber geht es für ihn zwei Tage nach der WM aufs Festland zurück. „Dann steht Erholen von Kona und ein bisschen Sightseeing an. Ich kann ja zwei Tage nach dem Rennen nicht gleich wieder im Training ausrasten“, erklärt Spurzem. Zwei Wochen nach Hawaii aber gleich die nächste Langdistanz zu absolvieren, „das geht schon“, sagt er lachend. „Das ist physisch möglich.“ Der Fokus liege dann eben nicht mehr auf der totalen Zuspitzung, sondern vor allem auf Bewegungstherapie. „Sodass ich so nah wie möglich an eine gute Leistungsfähigkeit herankomme. Das schlimmste, was du machen kannst, ist nach Hawaii gar nicht mehr zu trainieren. Dann schaltet der Körper komplett ab und macht schon Pause.“ Auch nach Hawaii heißt es also: auf Spannung bleiben. Nach erneuten 226 Rennkilometern und fünf ereignisreichen Wochen geht es schließlich nach Hause zurück. „Wo ich eine kurze Pause einlege – und dann schauen wir mal, was die kommende Saison bringt.“ Etwa, ob Hawaii auch in den Rennkalender 2023 integriert werden soll. Das dürfte auch davon abhängen, welche Zeit am Samstag beim Überqueren der Ziellinie für Oliver Spurzem gestoppt wird.

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