Tamme Oberle nicht nur im Para-Sport erfolgreich Von keinem Handicap ausbremsen lassen

Mittelbach · Tamme Oberle ist von Geburt an taub. Seine Sportbegeisterung und seinen Bewegungsdrang hat das nie gemindert. Durch sein Talent hat es der Zwölfjährige in diesem Jahr nun zu mehreren deutschen Meistertiteln gebracht: Mit dem Inlinehockey-Team der Saarpirates sowie im Slalom und Riesenslalom der Gehörlosen. Nun schaffte es der Zweibrücker, der zudem Eishockey und Handball spielt, in den Perspektivkader des Gehörlosen-Skiverbands.

 Tamme Oberle ist auch beim Hockeyspiel voll in seinem Element.

Tamme Oberle ist auch beim Hockeyspiel voll in seinem Element.

Foto: Privat/Cordula von Waldow

Von Ängstlichkeit oder Zurückhaltung keine Spur: „Ich mach‘s einfach“, erklärt Tamme Oberle. Egal, ob beim Sport als Ferienspaß, beim gezielte Fahrtraining, bei Meisterschaften oder Bundesentscheiden, der Sportverrückte möchte einfach eines haben: Freude an seinem Tun. Von seiner Taubheit lässt er sich dabei kein bisschen hindern. Ob auf Inlinern, Schlittschuhen, auf Skiern oder beim Handball – der Zwölfjährige liebt die Herausforderung. Liebt es, sich zu messen.

Dass dabei in diesem Jahr gleich zwei deutsche Meistertitel im Riesenslalom und Slalom in der U14-Klasse und ein Vize-Titel im Snowboard der offenen Altersklasse der Gehörlosen heraussprangen, dass er die deutsche Meisterschaft im Inlinehockey mit der U14 der Saarpirates aus Saarbrücken feiern konnte, sind für den Extremsportler vom Rechentalerhof ein Zusatzgeschenk. Sein Können bewies er zudem beim Deaf Ski Europacup in Garmisch-Partenkirchen. Als jüngster Teilnehmer erreichte er in der Jugendwertung bis 21 Jahre in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom jeweils Bronze. Aufgrund dieser Leistungen und seines Talents wurde Tamme Oberle nun in den deutschen Perspektivkader aufgenommen und wird dort ab Herbst mit der Nationalmannschaft trainieren dürfen.

Als „Gehörloser“ mit Einschränkungen geboren und von klein auf an Handicap und an Herausforderungen gewöhnt, bekommt er sportlich gesehen eine Sonderstellung als Para-Sportler. Wobei: Etliche Treppchenplätze, Medaillen und Pokale gewann das Naturtalent bereits sowohl in höheren Altersklassen der Gehörlosen als auch bei den Hörenden.

So wundert es wenig, dass der an Erfolg gewöhnte Junior am Schönsten findet, „wenn ich auf dem Treppchen stehe“. Sportlich präferiert der Sohn der bis zur Dreisterne-Klasse erfolgreichen, mehrfachen Pfalz- und Landesmeisterin im Reitsport, Anne Oberle, immer das, was gerade dran ist: (Riesen)Slalom, Snowboard, (Eis)Hockey, Inliner, Handball. Am allerliebsten allerdings fährt der Allrounder mit seinen Skiern abseits der Pisten – das bringt den „richtigen Kick“. Er liebt es, Sprünge auf unwegsamen Pisten mitzunehmen. Was ähnlich sei wie ambitioniertes Mountainbiken über Hubbel und Unebenheiten. Aufgrund der höheren Geschwindigkeit in den langen Schwüngen macht ihm „der Riesenslalom vielleicht noch ein wenig mehr Spaß“ als der Slalom. Talent hat er für beides. Und Mutter Anne verrät: „Inline-Hockey ist sein Leben!“ Kaum ein Tag vergeht, an dem Tamme nicht zu Hause auf dem Rechentalerhof „trainiert“, mit jedem, der sich gerade für ein kleines Match anbietet. Glücklicherweise behindere seine Geburtstaubheit kaum merklich seinen Gleichgewichtssinn im Sport. Neben dem Eis- und Inlinehockey spielt der ehrgeizige Junior, der dem rheinland-pfälzischen Eishockey-Landeskader angehört, zudem Handball bei der VT Zweibrücken.

Tamme Oberle stammt aus einer skibegeisterten Familie und stand schon mit zwei Jahren auf den Brettern. Skikurse hatte er als Kleinkind gerade mal zwei, denn „er kann es einfach“, erinnert sich Mutter Anne. Richtig gezieltes Training beginnt der zwölfjährige Erfolgssportler erst jetzt, wo er in den Perspektivkader aufgenommen wurde. Gehörlosen-Bundestrainer Peter Haug habe Tamme bereits im Blick für Olympia, sobald das Ausnahmetalent alt genug ist. Noch nie habe er ein Kind gesehen, das alle Tipps und Anweisungen so einfach und präzise umsetzen kann, zitiert Anne Oberle stolz. Überall sei er mit Abstand der jüngste Teilnehmer. Mehrmals hat der junge Skifahrer bereits auf der Olympiastrecke in Garmisch-Patenkirchen oder im schweizerischen Lenzerheide fahren dürfen. Wichtig für seine Karriere ist es, dass er auch unter den Hörenden mitfährt und trainiert. Zumal das Trainings- und Wettkampfangebot dort wesentlich breiter gefächert ist. Tamme Oberle fahre trotz seines jungen Alters schon auf einem hohen Niveau und hat mit Platzierungen gezeigt, dass er dort selbst als „Quereinsteiger“ bereits mithalten kann.

Erst im Skiurlaub in Todtnauberg im Südschwarzwald 2019 hatte die Familie überhaupt erfahren, dass es einen Skiverband für Gehörlose gibt. „Da waren gerade die deutschen Meisterschaften im Gehörlosen-Skifahren“, berichtet die Mutter von der Fügung des Schicksals. Seitdem fährt Tamme Oberle für den Freiburger Gehörlosen-Sportverein GSV. Ein enormer Sprung in seiner Karriere, die auch abseits des Alpinsports von Pokalen und Medaillen gekrönt war. Denn auch im Inline-Hockey ist der Bundesligist mit den Saar-Pirates jetzt deutscher Meister, nachdem sie zuvor den Vize-Titel erspielt hatten. Zum Eishockey kam das aktive Kind über die Empfehlung von Harald Schönhofen, der damit genau ins Schwarze getroffen hatte. „Tamme hat einfach Spaß am Gewinnen“, sagt Anne Oberle über den Fünftklässler an der staatlichen Förderschule für Gehörlose, der Ruth-Schaumann-Schule im saarländischen Lebach. Die Osterferien waren für Tamme Oberle in diesem Jahr etwas ganz Besonderes. Da durfte er erstmals am Kadertraining auf dem Stubaier-Gletscher in Österreich teilnehmen.

 Am liebsten steht Tamme Oberle, unter anderem zweifacher deutscher Meister im Alpin-Ski der Gehörlosen, auf dem Treppchen.

Am liebsten steht Tamme Oberle, unter anderem zweifacher deutscher Meister im Alpin-Ski der Gehörlosen, auf dem Treppchen.

Foto: Privat/Cordula von Waldow

Eine Sportkarriere ist aufwendig. Das weiß Anne Oberle von sich selbst. Doch die dreifache Mutter sagt: „Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte. Bis hin zum Finale bei den deutschen Meisterschaften.“ Nur, wenn es zeitlich passt, sattelt sie ihr 20-jähriges Erfolgspferd Crunchip selbst noch bei einem großen Turnier, erklärt die Vorsitzende der RSG Rechentalerhof. Ihre Priorität liegt jetzt in der Sportförderung von Tamme.

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