Muay Thai Ein Märchen im Mutterland des Muay Thai

Contwig/Chaweng · Ronny Freyer hat sich einen Lebenstraum erfüllt. Der Kampfsportler aus Contwig stieg Ende März in Thailand in den Ring. Was der 39-Jährige von seiner fantastischen Reise in Südostasien zurück in die Südwestpfalz gebracht hat, war aber mehr als ein Sieg.

 Ronny Freyer aus Contwig konnte in den Straßen von Chaweng auf der thailändischen Insel Koh Samui um kaum eine Straßenecke gehen, ohne auf den Plakaten des Kampfabends sein eigenes Antlitz zu sehen.

Ronny Freyer aus Contwig konnte in den Straßen von Chaweng auf der thailändischen Insel Koh Samui um kaum eine Straßenecke gehen, ohne auf den Plakaten des Kampfabends sein eigenes Antlitz zu sehen.

Foto: Punch It Gym

Nach seiner Rückkehr aus Thailand hatte Ronny Freyer Hämatome an beiden Schienbeinen – und sich einen Lebenstraum erfüllt. Der 39-jährige Kampfsportler aus Contwig war Ende März in Südostasien in den Ring gestiegen – und hatte das Seilgeviert im Mutterland des „Muay Thai“ (dt. Thaiboxen) als Sieger verlassen. „Ein Wahnsinnserlebnis, das ich niemals vergessen werde“, schwärmt Freyer bei der Erinnerung an jene beinahe surreal anmutenden Wochen fast 9000 Kilometer von der Heimat entfernt.

Aber der Reihe nach: Am Kampfsport interessiert war Ronny Freyer schon als kleiner Junge. „Schon die Bruce-Lee-Filme haben mich fasziniert“, erzählt der Contwiger, der den Sport allerdings in der Jugend nicht selbst betrieb. Und als er es im Alter von 19 Jahren dann doch tat, verlor er rasch wieder das Interesse. Erst acht Jahre später begleitete er einen Freund erneut in ein Muay-Thai-Gym. Und dann machte es ganz schnell „Klick“.

„Muay Thai ist ein harter Sport, der von außen brutal wirken kann. Aber es ist auch ein unglaublich technischer Sport. Es gibt so viele Arten zu Kontern – das ist fast wie Schach“, schwärmt Freyer. „Um zu erfassen, wie lange es dauert, bis man eine Technik perfekt beherrscht, dazu muss man Muay Thai selbst betrieben haben. Es ist der perfekte Sport, um fit zu bleiben. Aber natürlich auch zur Selbstverteidigung“, erklärt der 39-Jährige.

 Ronny Freyer bei der Durchführung des „Wai Kru“ – ein traditioneller Tanz, der eine Mischung aus Aufwärmen und einer Ehrerbietung für die Trainer und das Gym, für das er antritt, darstellt.

Ronny Freyer bei der Durchführung des „Wai Kru“ – ein traditioneller Tanz, der eine Mischung aus Aufwärmen und einer Ehrerbietung für die Trainer und das Gym, für das er antritt, darstellt.

Foto: KnockOut Gym

Schon kurze Zeit, nachdem der Contwiger Muay Thai für sich entdeckt hatte, wurde ihm klar: „Ich will mich mit anderen messen. Ich will kämpfen!“ Und das tat Ronny Freyer rund acht Monate, nachdem er erstmals einen Fuß in das Gym gesetzt hatte. Das Ergebnis: Mit einem Leberhaken schlug er seinen Gegner K.o. Nur neun Mal stand er seitdem im Ring. Zum einen, weil die Vorbereitung auf jedes Duell mindestens sechs Wochen intensives Training erfordert. Zum anderen, weil Ronny Freyer diese Vorbereitung mit seinem weniger martialischen Beruf in Einklang bringen muss: Freyer ist Beamter – betreibt aber seit 2020 in Contwig nebenberuflich das Sok-Ti Gym für Muay Thai & Kickboxen.

Das öffnete ein Jahr, nachdem der 39-Jährige in der Nähe von Heilbronn die deutsche Amateurmeisterschaft des Verbandes AFSO (World All Fights System Organization) errungen hatte. Rund 50 Freunde begleiteten Freyer zu dem Titelkampf in der Gewichtsklasse bis 76 Kilo. Und sie sahen, wie er seinen Gegner mit einer rechten Geraden auf den Solar Plexus zu Boden schickte und den Kampf gewann.

In jenem Jahr 2019 gewann Freyer aber nicht nur den nationalen Titel, sondern es wurde auch der Grundstein dafür gelegt, dass er Ende März auf Koh Samui, der zweitgrößten Insel Thailands, im Ring stand. Schon 2017 hatte sich der Contwiger dort – im „Punch-It-Gym“ – auf einen Kampf vorbereitet. Er hatte den Urlaub in Südostasien einfach mit Training verbunden. Und als er 2019 zu gleichem Zwecke an seine Trainingsstätte zurückkehrte, bat er den Betreiber um einige Kampfplakate, mit denen er sein eigenes Gym, das vor der Eröffnung stand, dekorieren wollte. „Der Betreiber hat mir damals gesagt: Kämpf doch selbst hier, dann ist sogar dein eigenes Gesicht auf dem Plakat“, erinnert sich Freyer. Doch damals lehnte er noch dankend ab. Das tat er auch bei seinem dritten Besuch im Jahr 2020. Aber: „Als ich wieder zu Hause angekommen bin, habe ich gehadert. Warum hast du es nicht einfach gemacht, habe ich mich gefragt“ erzählt der 39-Jährige.

 Da flogen die Fäuste und die Beine: Ronny Freyer (rechts) setzt zum Kick gegen seinen australischen Kontrahenten an.

Da flogen die Fäuste und die Beine: Ronny Freyer (rechts) setzt zum Kick gegen seinen australischen Kontrahenten an.

Foto: Punch It Gym/Martin Lindwall

Seine Reue wuchs – insbesondere deshalb, weil im Anschluss die Pandemie Reisen im Allgemeinen und Kampfsportveranstaltungen im Speziellen über Jahre einen Riegel vorschieben sollte. Doch es waren auch Jahre, in denen Freyers Traum immer unumstößlicher wurde: Einmal im Mutterland des Muay Thai einen Kampf bestreiten.

Vor rund acht Wochen wurde der Traum Realität: Freyer kontaktierte vor seinem vierten Besuch auf Koh Samui den Inhaber des „Punch-It-Gyms“. Und der leitete alles in die Wege. Rund drei Wochen bereitete sich der Contwiger in der Heimat auf den Kampf vor. Und das neben seinem Beruf als Beamter und der Leitung seines Gyms. Zehn Tage trainierte er danach noch vor Ort auf Koh Samui. „Zwei Einheiten pro Tag. In einem ringsum offenen Gym bei extremer Luftfeuchtigkeit und weit über 30 Grad“, erinnert sich Freyer an die Strapazen: „Selbst wenn du denkst, du bist total fit: Die Trainer dort – die machen dich fertig, die holen alles aus dir raus. In Thailand wird dieser Sport wirklich gelebt.“

 Kurz vor seinem Kampf musste Ronny Freyer im Schwitzanzug unbedingt noch mehrere Kilo verlieren.

Kurz vor seinem Kampf musste Ronny Freyer im Schwitzanzug unbedingt noch mehrere Kilo verlieren.

Foto: Punch It Gym

Was folgte, waren schweißtreibende Tage – und surreale Momente. Denn in Chaweng, dem Zentrum von Koh Samui, „konnte ich plötzlich um keine Ecke mehr fahren, ohne riesige Plakate zu sehen, auf denen mein Gesicht abgebildet war“, erzählt Freyer und lacht.

Wenige Stunden vor dem Kampf wäre ihm das Lachen allerdings fast im Halse stecken geblieben. Denn aufgrund eines Fehlers des Promoters der Kampfsportveranstaltung wurde das ursprünglich vereinbarte Kampfgewicht von 178 Pfund (etwa 80,5 Kilo) auf 172 (78 Kilo) reduziert – ohne Freyers Wissen. „Der Promoter war wenige Tage vor dem Kampf bei mir Training und wollte das Gewicht prüfen. Weil ich da nur 79 Kilo wog, hat er das Gewicht offenbar eigenmächtig runtergesetzt. Aber die 79 wog ich ja nur, weil ich im Training so viel geschwitzt hatte“, berichtet Freyer. Als er dann am Tag des Kampfes erneut auf die Waage musste, fiel er aus allen Wolken. „Ich sah nur, wie mein Gewicht mit roter Farbe notiert wurde, als Zeichen, dass ich zu viel wiege“, erzählt der Contwiger. Doch alle Diskussionen, wer nun Schuld an dem Missverständnis hatte, waren erfolglos. Freyer musste binnen einer Stunde mehrere Kilo Körpergewicht verlieren. Der 39-Jährige ging in der prallen Sonne laufen und zog sich einen sogenannten „Schwitzanzug“ an. Doch Freyer verlor nicht nur Flüssigkeit – auch im Wettlauf gegen die Zeit drohte er zu unterliegen. Aber dann die Erlösung: „Als ich trotz des Gewicht Abkochens noch 173,2 Pfund auf die Waage gebracht habe, hat der Trainer des Gegners gesagt: Das ist okay. Wir kämpfen“, erzählt Freyer. Und auch Wochen später schwingt dabei die Erleichterung in seiner Stimme noch mit.

Doch bevor Freyer seinem Gegner aus Australien im Ring gegenüberstand, saß er zunächst Rücken an Rücken mit ihm. Auf einer Fahrt auf der Ladefläche eines Lkw durch die Straßen von Chaweng machten er und andere Teilnehmer des Kampfabends Werbung für die Veranstaltung. Mit Blumenkränzen um den Hals winkten sie den Touristen auf den Flaniermeilen zu.

Werbung mal anders: Vor seinem Duell fuhren Freyer und die anderen Kampfsportler auf der Ladefläche eines Lkw durch die Straßen von Chaweng und trommelten für den großen Kampfabend.

Werbung mal anders: Vor seinem Duell fuhren Freyer und die anderen Kampfsportler auf der Ladefläche eines Lkw durch die Straßen von Chaweng und trommelten für den großen Kampfabend.

Foto: Punch It Gym

Danach zog Freyer sich – kurioserweise in der selben Umkleide wie sein Gegner – um, und betrat den Ring im Phetch Buncha Stadion. „Der Kampf war auf fünf Runden zu je drei Minuten angesetzt. So ein langes Duell war ich nicht gewöhnt. Da hatte ich schon Respekt. Ich bin nicht das größte Konditionswunder“, schmunzelt der Contwiger.

Doch in dem Kampf selbst zeigte Freyer keine Ermüdungserscheinungen. Der 39-Jährige punktete vor allem mit Lowkicks gegen die Oberschenkel des Australiers und brachte mehr Kombinationen ins Ziel. In Runde drei nahm sich Freyer zwar eine kleine Auszeit, wehrte den Ansturm seines Gegners aber gekonnt ab. Auch von den martialischen Aussagen seines Kontrahenten in der Ringpause ließ sich Freyer nicht aus der Reserve locken. „Vor der vierten Runde hat er mir ‚I’m prepared to die in here‘ (dt.: Ich bin bereit, hier zu sterben’) zugerufen. Und wenn ich Treffer gelandet habe, hat er mit die Zunge rausgestreckt. Aber das ist ein Zeichen dafür, dass die Treffer Wirkung hinterlassen haben. Das wusste ich – und das wussten die Punktrichter“, sagt Freyer, der vor der finalen Runde Gewissheit hatte: „Wenn ich die auch noch hole, habe ich gewonnen. Deshalb habe ich nochmal richtig Gas gegeben.“ Und tatsächlich: Als der Ringrichter das Urteil verkündete, wusste Ronny Freyer: Er war in Thailand nicht nur in den Ring gestiegen – er würde ihn auch als Sieger verlassen.

Ronny Freyer wird in einer Pause zwischen den Runden von seiner Ringecke versorgt.

Ronny Freyer wird in einer Pause zwischen den Runden von seiner Ringecke versorgt.

Foto: Punch It Gym

Unterstützung erhielt Freyer während des Kampfes übrigens nicht nur von den Trainern des „Punch-It-Gyms“ in seiner Ringecke – sondern auch von einem, der insbesondere in Zweibrücken kein Unbekannter ist: Profiboxer Senad Gashi, der für seine Youtube-Serie „Ringfluencer“ bereits zuvor mit Freyer vor der Kamera stand, hielt sich ebenfalls in Thailand auf und sah sich das Duell an. „Er hat mir während des Kampfes und in den Pausen Tipps zugerufen“, freut sich Freyer, der auf der Veranstaltung auch andere Profikämpfer kennenlernte, die er zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Gefreut haben ihn auch die zahlreichen Glückwünsche, die ihn nach dem Kampf erreichten. „Ich hatte in der Webvideo-Serie mit Senad gesagt, dass es mein Traum ist, in Thailand anzutreten. Deshalb wussten viele Leute Bescheid“, sagt Freyer.

Dass er seiner bemerkenswerten Geschichte in Thailand ein zweites (Kampfsport-)Kapitel hinzufügt, ist vorerst nicht geplant. „Ich möchte nichts ausschließen. Aber ich war nach meiner Rückkehr wirklich total ramponiert. Hämatome an beiden Schienbeinen. Und mit 39 verheilt das ja alles nicht mehr so schnell“, sagt Freyer. Er will in seinem Gym in Contwig nun anderen Menschen dabei helfen und sie motivieren, ähnliche Träume zu verwirklichen.

„Wir haben rund 40 Mitglieder. Etwa 15 sind immer im Training. Wir sind eine harmonische Gruppe, bei der keiner sein Ego zur Schau stellt. Es ist bei uns kein Training auf Leben und Tod, Sparring mit einem Gegner ist kein Muss – und wir achten extrem darauf, dass bei uns keine Schläger ausgebildet werden. Jemand der unsere Techniken nicht gerade in einer Notwehrsituation anwendet, hat bei uns keine Zukunft“, betont er. Und ergänzt: „Ich will die Menschen einfach für diesen tollen Sport begeistern. Die größte Hürde ist es immer, das erste Mal zum Training zu kommen. Aber die, die zu uns gekommen sind, sind auch geblieben.“

Neben Hämatomen, tollen Erfahrungen und einem erfüllten Lebenstraum hat Ronny Freyer aber noch etwas anderes aus Thailand mitgebracht: „Ein Plakat von dem Kampf – das habe ich natürlich mitgenommen. Sogar mit meinem Gesicht darauf. Das hängt jetzt in unserem Gym“, erzählt der Contwiger und schmunzelt wieder. Es ist die Erinnerung an eine märchenhafte Reise ins Mutterland des Muay Thai – die Ronny Freyer aber ohnehin niemals wieder vergessen könnte.

Das Training im Sok-Ti Gym für Muay Thai & Kickboxen (Bahnhofstraße 51 in Contwig) findet dienstags und donnerstags von 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr statt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort