LAZ Zweibrücken Die Sechs-Meter-Marke immer im Hinterkopf

Zweibrücken · In Doha kämpft LAZ-Stabhochspringer Raphael Holzdeppe bei seiner fünften Aktiven-WM um einen Platz unter den Top 5.

  Bei der deutschen Meisterschaft im Olympiastadion in Berlin hat Raphael Holzdeppe im Sommer bereits gezeigt, wer auf nationaler Ebene der stärkste Stabhochspringer ist. Bei der anstehenden WM in Doha, misst sich der Athlet vom Leichtathletikzentrum Zweibrücken aber noch einmal mit ganz anderen Kalibern.

Bei der deutschen Meisterschaft im Olympiastadion in Berlin hat Raphael Holzdeppe im Sommer bereits gezeigt, wer auf nationaler Ebene der stärkste Stabhochspringer ist. Bei der anstehenden WM in Doha, misst sich der Athlet vom Leichtathletikzentrum Zweibrücken aber noch einmal mit ganz anderen Kalibern.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bereits zum fünften Mal misst sich Raphael Holzdeppe bei den anstehenden Titelkämpfen in Doha (27. September bis 6. Oktober) bei einer Weltmeisterschaft mit der Stabhochsprung-Elite. Der Athlet des LAZ Zweibrücken, der am Tag der WM-Qualifikation, am 28. September, seinen 30. Geburtstag feiert und sich mit dem Finaleinzug selbst das größte Geschenk machen könnte, spricht über das Großereignis in dem Wüstenstaat, über seine dortigen Ziele und die größere Gelassenheit des bisher einzigen deutschen Stabhochsprung-Weltmeisters von 2013.

Herr Holzdeppe, nach guten Ergebnissen und dem DM-Titel in diesem Sommer haben Sie Ihren letzten Wettkampf in Landau Mitte August abbrechen und auch den Start beim Istaf in Berlin absagen müssen. Muss man sich mit Blick auf die WM Sorgen machen?

Raphael Holzdeppe: Nein, da muss man sich absolut keine Sorgen machen. Ich bin fit. Ich wäre tatsächlich auch schon für das Istaf gesund gewesen, aber wir wollten im Hinblick auf die WM kein Risiko eingehen. Es war tatsächlich nichts Wildes.

Was genau war los? Und sind Sie jetzt wieder schmerzfrei?

Holzdeppe: Ich hatte eine Verspannung in der Schulter, daher habe ich Landau lieber abgebrochen, damit daraus nicht noch etwas Größeres wird. Eine Woche danach war ich aber auch schon wieder schmerzfrei. Wir hatten auch überlegt, ob ich beim Istaf noch starte oder nicht. Aber wir haben uns dazu entschlossen, lieber zu Hause in Ruhe zu trainieren und kein Risiko einzugehen.

Ist die laufende Saison – mit der WM-Norm in Zweibrücken und der Olympianorm in Leverkusen – bisher ansonsten für Sie nach Plan verlaufen?

Holzdeppe: Eigentlich schon. Ich wäre natürlich sehr gerne in der laufenden Saison noch höher gesprungen. Das war auf jeden Fall auch drin, ich hatte noch ein paar gute Versuche über die 5,90 Meter. Aber alles in allem bin ich zufrieden. Den deutschen Meistertitel wieder zu gewinnen, war mein erklärtes Ziel für Berlin. Und ich habe die Olympianorm für das kommende Jahr abgehakt. Dadurch kann die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele dieses Mal sehr ruhig beginnen. Ich kann mich wirklich auf die Spiele konzentrieren, muss nicht irgendwelchen Normen hinterher laufen. Sehr zufrieden bin ich damit, dass die Formentwicklung zur Weltmeisterschaft hin so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt haben.

Die WM-Teilnehmer haben alle bereits eine lange Sommersaison hinter sich. Sie sind mit dem Rhythmus, damit den Körper über einen so langen Zeitraum top in Form zu halten, demnach gut zurechtgekommen?

Holzdeppe: Ja, eigentlich schon. Aber das muss wirklich von Anfang an so geplant werden. Hätte ich eine Vorbereitung gemacht wie zu einer normalen Saison, dann wäre ich bereits Ende August bei 100 Prozent gewesen und hätte keine Chance gehabt, diese Form bis Anfang Oktober zu halten. Die richtige Planung der Formkurve war die Voraussetzung, dass das funktioniert.

Nicht nur der Körper, auch der Kopf muss ja über den langen Zeitraum mitspielen. Sie haben jetzt ein paar Wochen keinen Wettkampf bestritten, sind aber auch mental noch voll da?

Holzdeppe: Ja, es war ohnehin geplant, dass ich nach dem Istaf drei, dreieinhalb Wochen vor der Weltmeisterschaft keinen Wettkampf mehr mache. Meine Teamkollegen Bo Kanda Lita Baehre und Torben Blech sind zuletzt noch in Polen gesprungen. Kurz hatten wir auch darüber nachgedacht, aber haben schnell entschieden, dass ich mich lieber in Ruhe im Training auf die WM vorbereite.

Zu Beginn des Sommers hatten Sie mit technischen Problemen zu kämpfen, dann die Schulterprobleme – da hat die Konstanz gefehlt. Zehren die dann auch schwächeren Wettkämpfe sehr an den Nerven?

Holzdeppe: Ich bin da mittlerweile gelassener geworden. Zumal ich immer wusste, woran es gelegen hat. Die Form war eigentlich sehr gut am Anfang des Jahres, es haben sich dann ein, zwei kleine technische Fehler eingeschlichen. Ich wusste, wenn ich die ausmerze, dann läuft wieder alles nach Plan. Nervös geworden wäre ich vielleicht, wenn ich nicht die Form gehabt hätte, die ich wollte und dieser hätte hinterherlaufen müssen.

Doha ist für Sie die fünfte Aktiven-WM. Erstmals findet diese in einem Wüstenstaat, mit Wettbewerben bis in die Nachtstunden in einem klimatisierten Stadion statt. Sind diese Umstände vor Ort oder eher der späte Zeitpunkt im Wettkampfjahr die größere Herausforderung für die Sportler?

Holzdeppe: Wenn, dann die Umstände vor Ort. Der späte Zeitpunkt hat mir jetzt keine Probleme gemacht. Wenn es auch ein bisschen komisch ist, zu einem Zeitpunkt auf die hundertprozentige Leistungsfähigkeiten hin zu trainieren, an dem man sich normalerweise im Urlaub befindet. Aber das war ja von vorneherein so geplant. Daher sind es eher die Umstände vor Ort. Dass man ein Stadion hat, das runtergekühlt wird, in dem es während des Wettkampfs auch Windverwirbelungen geben kann – wie mir Athleten erzählt haben, die schon im Mai beim Diamond-League-Meeting in Doha waren. Man weiß auch nie genau, von wo der Wind kommt, weil überall diese riesigen Turbinen Kaltluft ins Stadion reinblasen. Das wird sehr interessant werden.

Kann man sich auf diese Umstände gesondert vorbereiten?

Holzdeppe: Nein, das muss man auf sich zukommen lassen. Sehen, wie es ist, kann man wirklich erst wenn man vor Ort ist, im Innenraum steht und das selbst wahrnehmen kann. Man kann aber Vorbereitungen treffen. Zum Beispiel, dass man, obwohl man in einer Wüstenstadt ist, an den Wettkämpfen immer lange Sachen dabei hat, sodass man durch die Temperaturunterschiede und die Klimaanlageneinflüsse nicht krank wird oder sich irgendwelche Verspannungen am Körper einfängt.

Die Weltspitze hat sich im Männer-Stabhochsprung in den vergangenen Jahren enorm weiter entwickelt , es gibt viele Topathleten, die in der Lage sind an die sechs Meter heran oder darüber zu springen. Das EM-Finale von Berlin im vergangenen Jahr war ein extrem gutes Beispiel dafür. Denken Sie, der Sieger in Doha wird über die magische Sechs-Meter-Marke fliegen müssen?

Holzdeppe: Das ist im Vorhinein immer schwer zu sagen. Ich bin vorsichtig mit Prognosen. Wenn ich mal welche getroffen hatte, ist es am Ende doch nicht so hoch gegangen (lacht). Wenn die Bedingungen gut sind, kann es definitiv an die sechs Meter und auch drüber gehen. Ob es passiert? Das weiß ich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass man auf jeden Fall 5,90 Meter springen muss, vielleicht sogar höher, um überhaupt Medaillenchancen zu haben.

Sehen Sie einen Favoriten?

Holzdeppe: Es ist schwer zu sagen. Am konstantesten und höchsten gesprungen ist der Amerikaner Sam Kendricks (amtierender Weltmeister, Anm. d. Red.). Er hatte aber nach dem Istaf Probleme mit dem Rücken. Wenn die nicht so gravierend waren, ist er auf jeden Fall Titelkandidat. Aber dazu zählen eigentlich alle Sechs-Meter-Springer. Armand Duplantis, Piotr Lisek – und Renaud Lavillenie ist einfach ein Meisterschaftsspringer, auch wenn er Verletzungsprobleme hatte in diesem Jahr. Es gibt einige, die ganz vorne mitspringen können. Einen absoluten Topfavoriten vermag ich aber gar nicht auszumachen.

Sie haben in Ihrer Karriere schon viel erreicht, haben über ein Jahrzehnt hinweg Medaillen bei internationalen Meisterschaften und Olympischen Spielen gesammelt: Die magischen sechs Meter aber haben Sie nie überflogen – ist das ein Ziel, das immer noch im Hinterkopf bleibt?

Holzdeppe: Ja, definitiv. Vor allem weil ich weiß, dass man bei Meisterschaften – wenn es die Bedingungen zulassen – in den nächsten Jahren einfach sechs Meter springen muss, um etwas zu gewinnen. Daher ist mein Ziel immer noch, über die sechs Meter zu fliegen. Und das am besten nicht bei einem Wald- und Wiesen-Sportfest, sondern bei einer Meisterschaft, um sich dort damit vorne platzieren zu können.

Bei Ihren bisherigen vier WM-Starts stehen ein Quali-Aus, 2013 ein Weltmeistertitel, eine Silbermedaille und zuletzt ein Salto nullo im Finale von London zu Buche. Was ist 2019 drin?

Holzdeppe: Mein Ziel ist es, unter die Top 5 zu springen. Ich bin mir aber bewusst, dass dafür schon ein hartes Stück Arbeit nötig ist. Ob eine Medaille drin sein kann, werde ich erst wissen, wenn ich sehe, wie die Konkurrenz drauf ist. Stand jetzt habe ich das oberste Ziel schon mal erreicht, bei der Weltmeisterschaft mit 100 Prozent antreten zu können. Das ist die Grundvoraussetzung, überhaupt die Chance zu haben, unter die Top 5 zu springen. Um eine Medaille gewinnen zu können, müsste ich wie bei meinem WM-Titel 2013 einen astreinen, lupenreinen Wettkampf abliefern – um die Konkurrenz unter Druck setzen zu können. Ob es mir gelingt? Das werden wir am 1. Oktober im Finale sehen (lacht).

Dass Sie im Wettkampf ein guter Pokerer sind, wenn die Form passt, haben Sie ja bereits mehrfach bewiesen.

Holzdeppe: Das stimmt. Aber es müsste wirklich alles von A bis Z passen. Dafür habe ich aber trainiert, ich gehe voll fokussiert und konzentriert in die Weltmeisterschaft – aber da bin ich nicht der einzige. Es wird ein sehr harter Wettkampf werden: Aber darauf freue ich mich.

  Der bis dato größte Moment in der Karriere von Raphael Holzdeppe: Bei der Weltmeisterschaft 2013 in Moskau feierte der Zweibrücker – als bisher einziger deutscher Stabhochspringer bei einer WM – den Gewinn der Goldmedaille.

Der bis dato größte Moment in der Karriere von Raphael Holzdeppe: Bei der Weltmeisterschaft 2013 in Moskau feierte der Zweibrücker – als bisher einziger deutscher Stabhochspringer bei einer WM – den Gewinn der Goldmedaille.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Die Olympianorm für das kommende Jahr haben Sie bereits in der Tasche. Denken Sie schon jetzt an Tokio – und Ihren möglicherweise vierten Start bei Olympischen Spielen?

Holzdeppe: Es hat in dem Moment eine Rolle gespielt, als ich die 5,80 Meter gesprungen bin. Weil ich wusste, das ist die Olympianorm, die habe ich abgehakt. Jetzt vor der WM ist Olympia erst mal nicht so präsent, jetzt habe ich nur die WM im Fokus. Die Spiele kommen dann am 2. Oktober wieder, wenn das WM-Finale vorbei ist. Im Hinterkopf ist Tokio aber natürlich schon. Ich bin sehr froh, die Olympianorm abgehakt zu haben. Das erleichtert die Vorbereitung auf das kommende Jahr ungemein. Ich muss keiner Norm hinterher jagen oder irgendwelchen Punkte nach dem neuen Punktesystem sammeln. Da ist schon mal alles gut. Jetzt muss ich mich quasi nur noch auf mich selbst konzentrieren, auf Olympia vorbereiten. Und die Konkurrenz beobachten, sehen, ob womöglich noch ein dritter Springer die Norm schafft, was gut für unser deutsches Stabhochsprungteam wäre, dann würden wir zu dritt zu den Olympischen Spielen fahren. Wenn es noch einen vierten Springer geben sollte, dann müsste ich natürlich schauen, was die Konkurrenzsituation macht, dann müsste ich womöglich nachlegen. Aber aktuell bin ich da relativ entspannt. Jetzt ist erst einmal Weltmeisterschaft.

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