Radsport Kockelmann kontert Tarlings Zeitfahr-Triumph

Zweibrücken/Gersheim/Bitche · Beim Einzelzeitfahren in der Rosenstadt hatte am Samstagmorgen der Radrennfahrer Joshua Tarling aus Wales die Nase vorne. Doch am Nachmittag jagte Mathieu Kockelmann aus Luxemburg Tarling die Führung im Gesamtklassement wieder ab – und gewann am Sonntag auch die 34. Saarland Trofeo.

 Pünktlich um zehn Uhr wurde am Samstag der Kanadier Jerome Gaulthier auf dem Herzogplatz in Zweibrücken als erster Fahrer ins Rennen gegen die Uhr geschickt.

Pünktlich um zehn Uhr wurde am Samstag der Kanadier Jerome Gaulthier auf dem Herzogplatz in Zweibrücken als erster Fahrer ins Rennen gegen die Uhr geschickt.

Foto: Martin Wittenmeier

Eine große Flasche Sprudel in der Hand. Die Wangen rot. Die Anstrengung ist sichtbar, als der britische Nachwuchsradsportler Joshua Tarling nach seinem Rennen auf dem „Hotseat“ Platz nimmt. Der steht bei der 34. Auflage der Saarland Trofeo auf dem Zweibrücker Herzogplatz.

Der „heiße Stuhl“ ist reserviert für den aktuell Schnellsten des Einzelzeitfahrens der Trofeo, einem der wichtigsten Junioren-Radrennen der Welt. Doch Tarling kann dort entspannt sitzen bleiben, denn die Zeit des im walisischen Aberaeron geborenen 18-Jährigen kam an diesem Samstagvormittag keiner unterbieten. Der Brite benötigte für den 14 Kilometer langen Kurs durch die Rosenstadt 18 Minuten und 29 Sekunden. Im Schnitt fuhr Tarling 45,446 Stundenkilometer schnell.

„Natürlich wollte ich gewinnen, aber erwartet habe ich es nicht.“, sagte Tarling nach seinem Triumph. Ein klein wenig tief stapelte der Waliser damit aber schon. Für die Veranstalter der Trofeo jedenfalls kam der Sieg des Briten nicht von ungefähr. „Er ist ja amtierender Vize-Weltmeister bei den Junioren im Einzelzeitfahren, von daher war sein Sieg jetzt nicht die größte Überraschung.“, sagte Trofeo-Rennleiter Andreas Walzer. Der Ex-Olympiasieger hatte in diesem Jahr erstmals die sportliche Leitung der Nachwuchsrundfahrt inne. Walzer hatte nicht nur für die Fahrer viel Lob übrig. „Für uns als Rennleitung, das THW, die Polizei und die Stadt Zweibrücken war das Zeitfahren eine riesige Herausforderung. Ich bin die Strecke vorher mehrmals abgefahren und alle haben einen super Job gemacht.“

Dass der Kurs durch die Rosenstadt nicht der einfachste war, bestätigte auch der Tagessieger: „Es war ein hartes Rennen. Die Strecke war ziemlich knifflig, mit einem langen Anstieg, einer steilen Abfahrt und vielen scharfen Kurven.“, lautete Tarlings Fazit.

Für manche war die Strecke offenbar sogar zu knifflig. Zwei Fahrer stürzten in Zweibrücken schwer. Für Gustav Lovidius aus Schweden und den Niederländer Jelle Boonstra war die Trofeo danach gelaufen. Besonders ärgerlich: Boonstra stürzte bei der Anfahrt auf die Zielkurve. DRK-Helfer kümmerten sich umgehend um ihn. Der Brite Harry Codd hatte auf der Strecke einen Defekt, brachte die Runde aber noch zu Ende, allerdings mit 30 Minuten Rückstand auf Tarling. Den Slowenen Grega Podlesnik erwischte es ebenfalls – und das 25 Meter vor dem Ziel. Sein Gang über die Ziellinie erinnerte an Tour de France-Sieger Chris Froome, der bei der Tour 2016 nach einem Defekt am Mont Ventoux auch zwischenzeitlich zu Fuß weiter machte. Podlesnik kam auf Rang 55 ins Ziel.

Dass Stürze und Defekte zum Berufsrisiko eines Radsportlers gehören bestätigte auch Rennleiter Walzer: „Radsport ist leider nicht ganz ungefährlich. Diese Jungs fahren hier um Verträge, vielleicht sogar um ihre Existenzen als Profifahrer.“

„Wir freuen uns, dass so viele Nationen hier in Zweibrücken an den Start gehen“, sagte indes Zweibrückens Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD), der am Samstag selbst das Rennen vom Herzogplatz verfolgte, „wir haben hier schon in der Vergangenheit Einzelzeitfahren gehabt, und es waren jedes Mal unglaublich spannende Rennen und toller Sport.“

Tollen Sport boten die verbliebenen 113 Fahrer nach dem Rennen in Zweibrücken auch auf der zweiten Halbetappe des Tages. Nach dem Start in Blieskastel-Assweiler ging es am Nachmittag in Richtung Bitcherland in Frankreich. Der Zweibrücker Sieger Tarling ging im Trikot des Gesamtführenden ins Rennen. Doch hier schlug die Stunde eines jungen Mannes aus der Großregion. Auf der zunächst von kleineren Attacken geprägten 115 Kilometer langen Etappe setzte sich kurz vor dem Ziel in Bitche der Luxemburger Mathieu Kockelmann aus einer Ausreißergruppe an die Spitze. Der 18-Jährige aus dem Großherzogtum kam mit 39 Sekunden Vorsprung auf den Zweiten Michal Zelazowski aus Polen ins Ziel. Mit einer weiteren Minute Rückstand folgte der Franzose Thibaud Gruel. In Zweibrücken war Kockelmann noch Zweiter geworden, mit 15 Sekunden Rückstand auf Tarling.

Dieser musste auf der zweiten Halbetappe des Tages auf dem Weg ins Ziel an den mehrfach zu absolvierenden Anstiegen zur Bitcher Zitadelle abreißen lassen und kam mit 10:30 Minuten Rückstand auf Kockelmann ins Ziel. Das Grüne Trikot des Gesamtführenden übernahm damit der junge Luxemburger.

Am Sonntag ging es dann zum Abschluss für die Athleten auf einen Rundkurs im Bliesgau. Start und Zielort der mit 117 Kilometern längsten Einzeletappe der Nachwuchsrundfahrt war Gersheim. Vier Runden mussten die Fahrer am Sonntagmittag absolvieren. Von Gersheim aus ging es zunächst nach Niedergailbach und erneut an Gersheim vorbei in Richtung Medelsheim, Peppenkum, Altheim und zur Bergwertung in Böckweiler. Dann über Pinningen, Seyweiler und Walsheim zurück nach Gersheim. Fast 2000 Höhenmeter hatten die Nachwuchsfahrer zurückzulegen. Am Ende jubelte im Ziel der Pole Hubert Grygowski. Michal Zelazowski wurde erneut Zweiter vor Louis Leidert vom Regionalteam Thüringen. Dank seiner überragenden Leistung am Vortag konnte Kockelmann seine Führung im Gesamtklassement mit einem sechsten Platz auf der Schlussetappe der Trofeo verteidigen. Zweiter der Gesamtwertung wurde der Franzose Thibaud Gruel (35 Sekunden Rückstand), Dritter der Norweger Jørgen (52 Sekunden Rückstand). Jan Rinklef vom Team Wipotec Rheinland-Pfalz beendete die vierte Etappe auf Rang elf.

 Der Luxemburger Mathieu Kockelmann (im Grünen Trikot des Gesamtführenden) wurde Sieger der diesjährigen Trofeo.

Der Luxemburger Mathieu Kockelmann (im Grünen Trikot des Gesamtführenden) wurde Sieger der diesjährigen Trofeo.

Foto: Thomas Wieck
 Mauro Brenner ging als bestplatzierter deutscher Fahrer ins Rennen in Zweibrücken. Er gewann am Ende die Sprint- und Bergwertung.

Mauro Brenner ging als bestplatzierter deutscher Fahrer ins Rennen in Zweibrücken. Er gewann am Ende die Sprint- und Bergwertung.

Foto: Martin Wittenmeier
  Joshua Tarling durfte in Zweibrücken auf dem „heißen Stuhl“ des Führenden Platz nehmen – räumen musste der Etappensieger ihn nicht mehr.

Joshua Tarling durfte in Zweibrücken auf dem „heißen Stuhl“ des Führenden Platz nehmen – räumen musste der Etappensieger ihn nicht mehr.

Foto: Martin Wittenmeier

Für das deutsche Junioren-Nationalteam lief die Trofeo hinten raus allerdings nicht ganz wie erhofft. Nach dem starken Teamauftritt auf der zweiten Etappe nach Bexbach, wo Mauro Brenner als Achter mehrere Sondertrikots eroberte – und diese auch bis zum Ende verteidigte – und der für die Gesamtwertung vorgesehene Matteo Groß sich als Zehnter stark in Position brachte, kam dann viel Pech hinzu. „Die letzten zwei Tage waren sehr hart. Mit der Hitze und vor allem gestern mit den schweren Halbetappen. Da hatten wir leider Pech mit Stürzen und ich mit einem Defekt 15 Kilometer vor dem Ziel“, verriet der 18-jährige Groß, der dadurch ein besseres Resultat verpasste und die Rundfahrt mit 2:43 Minuten Rückstand auf die Spitze als bester Deutscher auf Rang 13 beschloss. „Wir hatten uns als Team ein wenig mehr erhofft, nachdem ich im Vorjahr Siebter geworden bin“, räumte Groß ein. Auch Nachwuchs-Bundestrainer Wolfgang Ruser sah eine Trofeo „mit gemischten Ergebnissen. Die Defekte und Stürze haben uns ein besseres Resultat gekostet. Wir können damit leben, hätten uns beim Heimrennen aber einen Etappensieg gewünscht“, sagte Ruser, dessen Team durch Brenner zumindest den Gewinn der Berg- und Sprintwertung sowie deren kombinierter Wertung verbuchen konnte. Bestes Nationalteam wurde Norwegen. Ben Wiggins, der Sohn von Ex-Tour de France-Sieger Bradley Wiggins, war einer von am Ende 50 Fahrern, die die schwere Trofeo 2022 vorzeitig aufgeben mussten. „Die Trofeo war dieses Jahr besonders anspruchsvoll. Wir sind froh, dass wir trotzdem alles ordentlich über die Bühne gebracht haben“, sagte Organisationsleiter Wolfgang Degott nach der 34. Auflage, die wieder von vielen Tausend Zuschauern verfolgt wurde.

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