Judo-WM Grabowskis Olympia-Geschichte geht weiter

Zweibrücken/Budapest · Judoka Jasmin Grabowski vom 1. JC Zweibrücken hat bei der WM in Ungarn die dritte Runde erreicht. Damit ist ihre Teilnahme an Olympia in Tokio unter Dach und Fach, sagt ihr Heimtrainer Stephan Hahn. Offiziell verkünden soll das die Internationale Judo-Föderation am Mittwoch. Mit Martyna Trajdos ist noch eine zweite JCZ-Judoka für die Spiele qualifiziert. Das ist „eine perfekte Geschichte“, findet Hahn.

  Die Tokio-Teilnahme von Judoka Jasmin Grabowski (blau) ist offenbar in trockenen Tüchern. Es werden ihre zweiten Olympischen Spiele nach Tokio 2016.

Die Tokio-Teilnahme von Judoka Jasmin Grabowski (blau) ist offenbar in trockenen Tüchern. Es werden ihre zweiten Olympischen Spiele nach Tokio 2016.

Foto: picture alliance / dpa/Felix Kästle

20 Sekunden lang versucht Jasmin Grabowski vom 1. JC Zweibrücken den eisernen Haltegriff ihrer Gegnerin Julia Tolofua am Mattenboden zu lösen. Doch die Französin ist an diesem Tag einfach zu stark. Sie gewinnt den Kampf mit einer Ippon-Wertung – und die Judo-Weltmeisterschaft im ungarischen Budapest ist für Grabowski am Samstag in der dritten Runde zu Ende. Tolofua beugt sich nach dem Duell über Grabowski, reicht ihr die Hand und hilft ihr wieder auf die Beine – fast so als wolle sie der 29-jährigen Deutschen ein wenig Trost spenden. Und in diesem Moment scheint das auch nötig zu sein. Grabowski schüttelt ihrer Gegnerin die Hand und schaut zerknirscht auf den Boden. Denn die WM war für die Schwergewichtskämpferin (über 78 kg) die letzte Gelegenheit, Qualipunkte für die Olympischen Spiele in Tokio zu sammeln. War es das nun mit dem Traum von der Olympia-Teilnahme im Mutterland des Judo? Nein, war es nicht! Die internationale Judo-Föderation wird die finalen Qualifikationslisten zwar erst am Mittwoch (18 Uhr) veröffentlichen. Doch die Mitglieder des Deutschen Judobundes vor Ort rechneten anhand des komplizierten Wertungsschlüssels selbst nach – und kamen zu dem Schluss: Es reicht. Wenn nicht über die direkte Qualifikation – dann über einen der kontinentalen Quotenplätze. Jasmin Grabowski fliegt nach Tokio.

Das teilte Stephan Hahn, ihr Zweibrücker Heimtrainer, der nach der WM mit der 29-Jährigen telefonieren konnte, dem Merkur am Sonntag mit. „Ich freue mich so sehr für Jasmin. Ich weiß, was dieser Traum für sie bedeutet. Ich weiß, was sie investiert, was sie in Kauf nimmt“, sagt Hahn, dessen Athletin trotz mehrerer Schulter-Operationen immer wieder aufgestanden war und für ihre zweite Olympia-Teilnahme gekämpft hatte. „Wenn das Quälen für nichts gewesen wäre – das wäre wirklich das Worst-Case-Szenario gewesen“, sagt der Trainer. Besonders imponiert habe ihm, wie Grabowski, die Weltranglisten-26. mit der plötzlichen Drucksituation in Budapest umgegangen sei. Denn dass sie noch auf die Qualipunkte der WM angewiesen sein würde, war bis vor wenigen Monaten kaum denkbar. Doch nachdem sich beim Grand-Slam in Tiflis Ende März mehrere Judoka mit Corona infiziert hatten, hatte der Deutsche Juobund seine Athleten aus der georgischen Hauptstadt zurückgezogen – und auch keine Kämpfer zum folgenden Turnier ins türkische Antalya entsandt. Während Grabowskis Konkurrentin um die Olympia-Tickets fleißig punkteten, war die Pfälzerin zum Zuschauen verdammt. Nachdem sie dann im Mai beim Grand Slam in Kasan (Russland) auch noch in der ersten Runde ausgeschieden war, hieß es plötzlich: Letzte Ausfahrt Budapest. „Wenn Jasmin bei der WM in der ersten Runde ausgeschieden wäre, dann hätte Olympia wohl wirklich auf der Kippe gestanden. Und wie sie mit der Situation umgegangen ist, war ganz stark“, lobt Hahn. Denn in Ungarn traf sie in Runde eins auf die starke Serbin Milica Zabic, die Nummer 37 in der Welt. Grabowski wehrte die flinken Angriffe ihrer Gegnerin zunächst gekonnt ab – und schlug 19 Sekunden vor dem Ende zu. Sie hebelte die Serbin im Stand aus und beförderte sie auf den Rücken: Sieg durch Ippon für Jasmin Grabowski. In Runde zwei machte sie noch schnelleren Prozess mit ihrer Gegnerin. Gegen die Kasachin Nazgul Maratova (Weltranglisten-60.) gelang ihr nach 28 Sekunden eine halbe Wertung (Waza ari), nicht einmal eine Minute später hebelte Grabowski die Kasachin geschickt mit den Beinen aus und gewann erneut per Ippon. „Jasmin hat nicht wegen Strafwertungen oder Passivität der Gegnerinnen gewonnen. Sie hat sich in beiden Kämpfen im Stand durchgesetzt. Das wird ihr Selbstvertrauen geben“, ist sich Hahn sicher. Insbesondere die Aufgabe im Kampf gegen Zabic habe seine Athletin super gelöst: „Das ist eine ganz unangenehme und technisch starke Gegnerin. In Serbien wird gutes Judo gelehrt“, weiß Hahn. Dementsprechend sei es kein Zufall gewesen, dass die zweite JCZ-Judoka, Martyna Trajdos, bei der WM (bis 63 kg) gegen Zabics Landsfrau und spätere Bronze-Gewinnerin Anja Obradovic in der ersten Runde die Segel streichen musste. „Es ist nicht das, was sich Martyna erhofft hat. Im ersten Moment war die Enttäuschung sicher groß. Es ist aber wichtig, gerade in Sportarten, in denen man geworfen wird, wieder aufzustehen“, sagt Hahn. Trajdos’ Vorbereitung sei aber ohnehin ganz auf Olympia ausgerichtet. „Und vielleicht denkt sie dann in Tokio: Wer weiß, wozu es gut war, dass ich bei der WM früh raus bin.“ Das Olympia-Ticket hatte die 32-Jährige, die länger an einer Ellenbogen-Verletzung laborierte, schon vor der WM in der Tasche. Dass sie durch das frühe Aus nun aus den Top 8 der Olympiarangliste gefallen ist, die ihr bei den Spielen einen Platz auf der Setzliste bescheren würden, glaubt Hahn nicht. Auch wenn der Trainer sich – wie auch im Falle von Jasmin Grabowski – erst so richtig sicher fühlt, wenn die Internationale Judo-Föderation am Mittwoch ihr finales Ranking veröffentlicht.

Dass Grabowski schließlich in der dritten Runde der einen Kopf größeren Französin Tolofua (Weltranglisten-18.) unterlegen war, sei vor dem Hintergrund der Olympia-Qualifikation zu verschmerzen. „Bis zur Mitte der Runde war das ein offener Kampf. Jasmin hatte ein paar Probleme mit der Auslage der Gegnerin und hat meiner Meinung nach ein falsches taktisches Mittel gewählt.“ Dennoch seien Grabowskis Auftritte bei der WM „sehr ordentlich mit der Tendenz zu gut“ gewesen, lobt Hahn.

Dass nun gleich zwei Judoka des 1. JC Zweibrücken bei Olympia in Tokio am Start sind, sei „eine perfekte Geschichte“, schwärmt er. Für Grabowski habe schon deren erste Olympia-Teilnahme 2016 in Rio eine „Riesenbedeutung“ gehabt. Aber in Japan, im Mutterland des Judo, sei sie nochmal ein Stück größer. „Judo war 1964 erstmals olympisch. Auch damals fanden die Spiele in Tokio statt. Und jetzt fast 50 Jahre später erneut. Da schließt sich ein Kreis. Die Athleten, die in wenigen Wochen an den Start gehen, schreiben ein Stück olympische Geschichte.“

 Ein starkes Team: Jasmin Grabowski und ihr Heimtrainer beim 1. JC Zweibrücken, Stephan Hahn.

Ein starkes Team: Jasmin Grabowski und ihr Heimtrainer beim 1. JC Zweibrücken, Stephan Hahn.

Foto: Stephan Hahn

Und mit Olympia hat Jasmin Grabowski seit ihrer Erstunden-Niederlage in Rio ohnehin noch eine Rechnung offen, wie sie in der Vergangenheit mehrfach erklärte. Die Spiele in Tokio sollen ihre letzen sein. In Japan möchte sie ihre persönliche Olympia-Geschichte um ein Kapitel reicher machen. Und darin soll dann zu lesen sein, wie sich Jasmin Grabowski über ihre Gegnerin beugt, um ihr wieder auf die Bein zu helfen. Nachdem die JCZ-Judoka in dem Duell zuvor einfach zu stark war.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort