Noch immer keine Langeweile

Jägersburg. Als Marco Emich Trainer bei seinem Heimatverein FSV Jägersburg wurde, war Gerhard Schröder Bundeskanzler. Im schnelllebigen Fußballgeschäft sind die zwölfeinhalb Jahre, die er schon beim Fußball-Saarlandligisten ist, eine halbe Ewigkeit. Merkur -Mitarbeiter Stefan Regel hat mit dem 41-jährigen Fußballlehrer über seine Rolle als Trainer, den möglichen Aufstieg in die Oberliga, die Vereinsphilosophie des FSV und seine Nierentransplantation gesprochen.

 Seit 2002 gibt Marco Emich als Trainer den Spielern des FSV Jägersburg Anweisungen. Vom Charakter her machen es ihm seine Jungs leicht, lobt der 41-Jährige. Bei seinem Heimatverein gehört Emich schon fast zum Inventar. Foto: Markus Hagen/pma

Seit 2002 gibt Marco Emich als Trainer den Spielern des FSV Jägersburg Anweisungen. Vom Charakter her machen es ihm seine Jungs leicht, lobt der 41-Jährige. Bei seinem Heimatverein gehört Emich schon fast zum Inventar. Foto: Markus Hagen/pma

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 Marco Emich (rechts) als junger Spieler im Trikot von Borussia Neunkirchen, hier mit dem Dillinger Schifino. Foto: pma

Marco Emich (rechts) als junger Spieler im Trikot von Borussia Neunkirchen, hier mit dem Dillinger Schifino. Foto: pma

Foto: pma

Herr Emich, Sie sind seit 2002 Trainer beim FSV Jägersburg. Da kennt man die Stadien und Sportplätze der Saarlandliga bestens. Brauchen Sie noch ein Navi?

Marco Emich (lacht): Nein, eigentlich nicht. Wobei ich dieses Jahr zum ersten Mal im Leben auf dem Sportplatz in Merchweiler war. Alle anderen Sportplätze kenne ich aber.

Ist das nicht langweilig?

Emich: Nein. Durch die lange Zeit, die ich im Fußball bin, hat man so viele Leute kennengelernt. Man trifft überall jemanden, den man kennt. Gegen den man früher gespielt hat. Das ist immer wieder schön und nicht langweilig.

Beim FSV kennen Sie wohl auch jeden. Sie haben in Jägersburg gebaut. Ihr Vater Gerhard war 30 Jahre lang Platzwart, Ihre Frau Sabine ist immer dabei. Und Ihr Sohn Lukas spielt jetzt in der zweiten Mannschaft in der Landesliga Ost. Was zeichnet Ihren Heimatverein aus?

Emich: Der FSV Jägersburg ist ein gut geführter Verein. Das ist auch bei Leuten von außerhalb bekannt. Und es ist ein familiärer Verein. Donnerstagabends gehen wir zum Beispiel nach dem Training ins Clubheim etwas trinken, dann sitzen dort die Leute aus dem Dorf, die samstags auch bei den Spielen sind und schon zu A-Klasse-Zeiten dabei waren. Die klopfen einem auf die Schulter und loben für eine gute Leistung, sagen aber auch, wenn man mal schlecht gespielt hat.

Auch insgesamt steht der Verein ja gut da.

Emich: Wir haben ein gut geführtes Sportheim, einen der besten Naturrasenplätze im Saarland. Nebenan haben wir eine Halle, dazu der neue Kunstrasenplatz. Die Frauen und B-Juniorinnen spielen in der Regionalliga, die Zweite in der Landesliga vorne mit. Das kann sich alles sehen lassen.

Ihr Team spielt eine starke Saison, ist derzeit Tabellenführer. Sind Sie überrascht?

Emich: Etwas schon. Nach Platz neun im Vorjahr war das Ziel jetzt, unter die ersten Sechs, Sieben zu kommen. Dass wir ganz oben dabei sind, konnte man nicht ahnen. Uns war aber schon vor der Saison bewusst, dass der Kader diese Saison besser ist als in der vergangenen.

Momentan sieht es nach einem Dreikampf zwischen dem FSV, dem SV Auersmacher und dem SV Bübingen aus.

Emich: Ich rechne damit, dass der VfL Primstal und der SC Halberg Brebach noch dazu kommen werden. Die Fußball-Saarlandliga ist stark. Und sie ist eng. Am Ende wird es daher auf die Konstanz ankommen. Und es wird wohl bis zum allerletzten Spieltag richtig spannend bleiben. Laut Spielplan haben wir am letzten Spieltag ein Heimspiel - und zwar gegen den SV Bübingen.

Zwölfeinhalb Jahre - damit sind Sie dienstältester Trainer in der Saarlandliga. Andere Kollegen sagen zum Teil schon nach drei Jahren, dass es sich abgenutzt hat und sie oder der Verein etwas Neues machen wollen.

Emich: In dieser Zeit hat sich die Mannschaft ja ausgetauscht. Und ich habe gerne mit meinen Spielern zu tun.

Beim FSV wird allgemein Kontinuität groß geschrieben. Der Vorsitzende Harald Schwind ist schon viele Jahre dabei, der Vorsitzende Sport, Werner Finken, auch.

Emich: Ja, es ist auch keine Seltenheit, dass Spieler bei uns fünf, sechs oder sieben Jahre spielen. Die Meyer-Zwillinge waren zum Beispiel sieben Jahre da. Die Spieler wissen, dass der Verein gut geführt ist und was sie an ihm haben. Und umgekehrt weiß der Verein: Wir haben eine intakte Truppe. Es ist ein Geben und Nehmen.

Ein Grund für die lange Vereinszugehörigkeit der Spieler ist auch, dass Sie bei Neuzugängen sehr auf den Charakter achten.

Emich: Ja, das stimmt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist auch etwas, was uns diese Saison auszeichnet. Neuzugänge müssen einfach passen, auch menschlich. Deshalb sind Spieler meist längere Zeit bei uns.

Das wäre auch im Falle eines Aufstiegs in die Oberliga so?

Emich: Ja, der Stamm von den Jungs sollte bleiben. Es würde dann keinen Husarenritt geben. Was es mit Sicherheit nicht gäbe, ist, dass wir dann einen 33-Jährigen holen, der früher mal Regionalliga gespielt hat.

Wie steht die Vereinsführung zur Oberliga?

Emich: Sie wäre machbar. Im Falle einer sportlichen Qualifikation würden die Spieler das gerne machen. Aber wir müssen nicht, sagt der Vorstand. Wenn wir Vierter werden, ist das auch gut.

Im Winter laufen ja immer Vertragsgespräche, ist das beim FSV Formsache?

Emich: Beim letzten Mal hat es keine 30 Sekunden gedauert. Ich war im Büro von Werner Finken, er hat gefragt, ob ich weitermachen möchte. Ich habe ,Ja' gesagt, und das war's. Alles per Handschlag. Bei uns ist es immer so, wenn einer was sagt, kann man sich drauf verlassen.

Kontinuität und Vertrauen also. Eigenschaften, die auch als Trainer wichtig sind. Was sind Sie für ein Trainer?

Emich: Ich bin ein kommunikativer Trainer und Mensch. Ich habe gerne mit meinen Spielern zu tun, ziehe mich mit in der Kabine um. Auch wenn ich weiß, dass dann manches nicht gesprochen wird (lacht). Ich hatte als Spieler ja schon einige Trainer, da nimmt man von jedem was mit. Im Guten wie im Schlechten. Es gab Trainer, die haben vor dem Spiel die Aufstellung einfach an die Tafel geschrieben. Und es gab welche, die haben einem erklärt, warum man nicht spielt. Das fand ich besser. Das Einzige, was ich nicht mache, ist, mit den Spielern wegzugehen. Ich verbringe ja auch sonst schon viel Zeit mit dem Fußball. Ausnahme war jetzt, als wir mit dem ganzen Kader im Kinofilm "Die Mannschaft" waren.

Wie sehr muss ein Trainer heutzutage Psychologe sein?

Emich (überlegt): Ich glaube, das wird immer wichtiger. Weil die Charaktere unterschiedlich sind, junge und ältere Spieler anders ticken. Die jungen Spieler sind heute ein wenig forscher. Wir waren in dem Alter immer sehr zurückhaltend, haben uns in der Kabine kaum getraut, etwas zu sprechen. Die Jungen gehen heute mehr als früher auf die Alten ein. Hier beim FSV macht es mir die Mannschaft, weil sie vom Charakter her gut ist, einfach.

Drei Mal Training die Woche, samstags Spiel, sonntags die Zweite schauen, dazu Pokalspiele, Gegner beobachten, mit Journalisten sprechen, Trainingsvorbereitung. Der Zeitaufwand als Trainer ist groß. Hätten Sie manchmal gerne mehr Zeit für sich selbst?

Emich: Bisher haben Sommer- und Winterpause ausgereicht, um Zeit für mich zu haben. In früheren Jahren war es schwierig, da konnten wir nur in den Schulferien wegfahren. Ich wollte aber nicht in der Saison oder Vorbereitung wegfahren. Wenn ich etwas mache, ziehe ich das auch durch. So ist meine Frau auch ein paar Mal mit unserem Sohn alleine weggefahren. Was ich immer mache, ist im Winter ein paar Tage Skifahren.

Bei so viel Aufwand geht es ohne Unterstützung nicht?

Emich: Das ist richtig. 15, 16 Stunden pro Woche sind es schon immer. Mein Arbeitgeber, die Volksbank Saarpfalz, unterstützt mich da sehr. Mein direkter Vorgesetzter und Vorgesetzter im Vorstand, das sind alte Fußballer. Da bin ich natürlich auch sehr froh mit. Auch meine Frau Sabine unterstützt mich sehr, sie ist immer mit dabei. Sie hat mich ja schon so kennengelernt, mit fünf, sechs Terminen pro Woche.

Mit Ihrer Frau verbindet Sie eine besondere Geschichte.

Emich: Sie war krank und hat eine Niere gebraucht. Und die Ärzte haben gemeint, man solle relativ schnell einen Spender finden.

Der Spender waren Sie?

Emich: Ja, unser Arzt in Saarbrücken hat gesagt, dass das gehen würde. Zuerst war ich drei Tage zur Voruntersuchung in Frankfurt und bin komplett vom Kopf bis zu den Füßen durchgecheckt worden. Dann gab es noch ein Gespräch mit einer Psychologin. Und einen Termin vor einer dreiköpfigen Ethikkommission. Da wurde sogar teilweise nach den wirtschaftlichen Verhältnissen gefragt. Das wird gemacht, um auszuschließen, dass für Organhandel bezahlt wird.

Die Operation ist gut verlaufen?

Emich: Alles hat gut funktioniert. Ich bin fit, meine Frau auch. Ich lebe wie vorher auch, es gibt keinerlei Einschränkungen. Die Operation war am 21. November 2012, meinem 39. Geburtstag. Mein bewegendster Geburtstag. Ich bin damals sechs Wochen ausgefallen, hatte auch ganz viel Unterstützung von Verein und Arbeitgeber. Sechs Wochen später bin ich schon wieder Ski gefahren, mit einem Protektor. Ich kann Fußball spielen, Tennis spielen, wie vorher. Ich passe nur auf, genug zu trinken (stellt eine 1,5-Liter-Flasche Sprudel auf den Tisch). Die mach' ich jeden Tag im Büro leer.

Ein Erlebnis, das Ihr Leben verändert hat?

Emich: Auf jeden Fall. Die Wertigkeit von Dingen verschiebt sich. Nach Niederlagen weiß man: Es ist nur Fußball. Oft braucht man ja so ein "Scheiß-Erlebnis" für einen anderen Blickwinkel. "Beim letzten Mal hat es keine 30 Sekunden gedauert."

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