Portrait Anne Oberle „Bei mir haben die Pferde alle Zeit der Welt“

Zweibrücken · Profireiterin, Pferdeausbilderin, Betreiberin des eigenen Hofes: Langweilig wird Anne Oberle bei diesem Pensum nicht. Auch weil der erfolgreiche Nachwuchs die dreifache Mutter zusätzlich auf Trab hält.

 Erfolgreiches Mutter-Tochter-Gespann: Die Zweibrücker Reiterin Anne Oberle und ihre Tochter Marika, die hier auf dem achtjährigen Hannoveraner Wallach Locarno sitzt.

Erfolgreiches Mutter-Tochter-Gespann: Die Zweibrücker Reiterin Anne Oberle und ihre Tochter Marika, die hier auf dem achtjährigen Hannoveraner Wallach Locarno sitzt.

Foto: Cordula von Waldow

Die Reiterin Anne Oberle hat in ihrem sportlichen Leben viel erreicht. Ihren feuerroten Pferdetransporter vom Rechentalerhof entdeckt man nicht nur auf den großen Turnieren in der Region oder in Frankreich, sondern alljährlich auch im Pferdemekka Warendorf, wenn das Bundeschampionat der Nachwuchspferde ausgetragen wird.

2015 träumte Oberle davon, einmal bei der Deutschen Meisterschaft der Amazonen in Balve mitzureiten. Ein Jahr später war sie nominiert – und ist seitdem regelmäßig dort am Start. 2016 gewann sie, für sie selbst überraschend, den Großen Preis der Saar auf Drei-Sterne-Niveau. Und auch nach ihrer dritten Babypause knüpfte die Reiterin 2018 nahtlos an ihre Erfolge an, ritt von Sieg zu Sieg.

Vor über zehn Jahren war die bis dahin ambitionierte Amateurreiterin, die den Trainer B-Schein besitzt, in den Profisport gewechselt. Seit vier Jahren betreibt sie ihren Reiterhof in Zweibrücken vollzeitig. Heute stehen neben den sieben eigenen Pferden ebenso viele Pensionspferde auf dem Rechentalerhof. Die Stallgemeinschaft aus Turnier- und Freizeitreitern funktioniert bestens. So hat Oberle parallel Zeit für ihre drei Kinder Arne (2), Tamme (9) und Marika (13). Sie weiß dankbar: „Ohne Oma und Opa hier am Hof wäre vieles nicht möglich.“

Dabei hatten Anne Oberles Eltern Isolde und Klaus Oberle mit Pferden noch gar nichts am Hut, als sie ihre Anne als Grundschülerin mit zu einem großen Springturnier in Bundenbach nahmen. „In meinem Tagebuch aus der Grundschulzeit steht als Lebenstraum: Einmal so gut reiten, wie Hugo Simon“, erzählt die 39-Jährige, die das alte Erinnerungsstück vor kurzem beim Aufräumen gefunden hat. Ihr als Schülerin formuliertes Ziel hat sie erreicht, und zwar auf ihre ganz eigene Art: Anne Oberle sattelt ausschließlich Pferde, die sie selbst ausgebildet hat, zumeist ihre eigenen Hannoveraner. Elf Jahre lang voltigierte sie erfolgreich bei Ruth Köhler im Landgestüt. Mit 16 Jahren begann sie, gemeinsam mit Sportfreundin Kerstin Müller, bei Gerd Olze zu reiten und stieg dank der guten Voltigier-Vorbereitung mit ihren eigenen Pferden Gismo und Laptop sofort erfolgreich in den Vielseitigkeitssport ein, gewann zahlreiche Landes- und Pfalztitel.

Die Familie schuf auf dem Rechentalerhof in Mittelbach ein El Dorado für Pferde und Menschen. Der Wechsel zum reinen Springsport kam mit ihrem ersten Hannoveranerhengst Candyman. „Der war einfach zu schade für den Busch“, erinnert sich die Reiterin. Ihn qualifizierte sie für das Bundeschampionat, etliche andere folgten. Ihr mittlerweile 17-jähriger Zuchthengst Ferruccio und Crunchip (16), ihr persönlicher Liebling, dem sie ihre größten Erfolge verdankt, waren die ersten Pferde, die auf dem Hof blieben. Ihr erstes S-Pferd, die Zweibrücker Stute Aimy, verkaufte Anne Oberle in die Zucht. „Ich könnte kein fertiges Pferd kaufen. Ich liebe es, diese Rohdiamanten zu schleifen. Es ist so spannend und faszinierend zu erleben, was aus ihnen wird“, sagt sie leidenschaftlich.

In ihrem Lebensgefährten Carsten und Tochter Marika hat sie kompetente Unterstützung beim Anreiten der jungen Pferde. Aktuell stehen zwei dreijährige Nachwuchspferde im Stall. Gemeinsam nehmen Mutter und Tochter die beiden noch Namenlosen behutsam unter den Sattel. Anne Oberles Erfolgsrezept heißt „Zeit“. Sie betont: „Bei mir haben die Pferde alle Zeit der Welt.“ Und: Sie dürfen Pferd bleiben in einer artgerechten Haltung: Zusammen mit den erfahrenen Pferden im Herdenverband bei täglichem Koppelgang oder freier Bewegung im Laufpaddock aufgewachsen, reifen sie in Ruhe heran, bis sie bereit sind für die Ausbildung. „Zeit muss auch ein Berittpferd mitbringen“, bekräftigt die Ausbilderin. Leistungsdruck gebe es trotz der Unterhaltskosten bei ihr nicht. Ihre Pferde danken es ihr mit Langlebigkeit und einer großen Kontinuität. Ferruccio und Crunchip tragen Oberle seit 15 Jahren mit großer Leistungsbereitschaft von Erfolg zu Erfolg. Und haben sichtlich Spaß dabei. Konsequent wird die Winterpause eingehalten. Zu Hause reitet Anne Oberle ausschließlich Dressur.

Anders die Tochter. „Nur Marika springt. Das braucht sie selbst noch für ihre eigene Ausbildung und als Training, um Erfahrung zu sammeln und Routine aufzubauen“, erklärt die Mutter. Nach der Führzügelklasse stand auch bei Marika die reiterliche Grundausbildung neben dem Voltigieren bei der VRG Südwestpfalz im Vordergrund. Anfang 2017 sattelte die damals Elfjährige Mutters Hannoveraner Grafchristo erstmals auf einem Turnier in Zweibrücken – und zwar sofort in Klasse A. 2018 gewann Marika überraschend die Landesmeisterschaft der Children und wurde Vizepfalzmeisterin. Seit Jahresanfang sattelt das Nachwuchstalent bereits in der mittelschweren Klasse, nahm im Sommer an der Deutschen Jugendmeisterschaft in Zeiskam teil, bei der sie ins Finale ritt. Mittlerweile ist Marika auf den riesengroßen achtjährigen Wallach Locarno umgestiegen. Und bringt die Mutter damit zum Staunen: „Das ist das einzige Pferd, das nicht so richtig auf meiner Wellenlänge lag.“ Dafür ist der braune Riese mittlerweile Marikas Liebling. Seine gewaltigen Sprünge kosten Anne Oberle bei den Turnieren regelmäßig Nerven. Zum Glück lässt sich Marika davon nicht beeindrucken.

Anne Oberles Talent als Reitlehrerin spiegeln auch Erfolge wie der Sieg von Carolin Schönhofen – eine ihrer wenigen Schülerinnen – wider, die bei ihrem ersten Turnier in Zweibrücken auf Anhieb die Pfalzmeisterschaft
LK 0/7 gewann. „Das war unser Höhepunkt in diesem Jahr“, betont Oberle vor allem die ungewöhnliche Tatsache, dass Mutter und Tochter diesen Erfolg im selben Jahr erreichten.

Obwohl Anne Oberle ihren Fokus auf die reitsportliche Karriere von Marika legt, hat auch die rheinland-pfälzische Kaderreiterin noch eigene Träume: „Das Frankfurter Festhallen-Turnier würde mich reizen.“

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