LAZ-Speerwerferin Christin Hussong Die Lust am Werfen ist ungebrochen

Zweibrücken · Die Enttäuschung der Olympischen Spiele hat Christin Hussong noch nicht ganz verarbeitet. Bei zwei Meetings hat die Speerwerferin des LAZ Zweibrücken nun aber noch die Chance auf einen versöhnlichen Abschluss der eigentlich so starken Saison. Am Dienstag in Rovereto sowie kommende Woche beim Diamond-League-Finale in Zürich.

 Christin Hussong greift an diesem Dienstag zum ersten Mal nach Tokio wieder im Wettkampf zum Speer.

Christin Hussong greift an diesem Dienstag zum ersten Mal nach Tokio wieder im Wettkampf zum Speer.

Foto: AP/Matthias Schrader

Ihre Lockerheit ist zurück. Gut gelaunt erzählt Christin Hussong von den vergangenen dreieinhalb Wochen. Der Zeit nach dem olympischen Finale, von den schönen Momenten mit ihrer Familie, von der Rückkehr in den Trainingsalltag. Wenn der Gedanke an Tokio der Speerwerferin des LAZ Zweibrücken auch immer noch einen Stich versetzt. Als Neunte, mit einer Weite unter 60 Metern war sie weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurückgeblieben.

Auf Deutsch gesagt sei es „beschissen“, wenn es nach einem so starken Jahr genau zum Saisonhöhepunkt nicht läuft, „aber was will ich machen?“, fragt Hussong. Solche Momente gehörten eben auch zum Sport dazu. „Wir haben analysiert, woran es lag“, erzählt die Herschbergerin. Manchmal laufe es zusammen und manchmal eben nicht. „Und an dem Tag lief es im Wettkampf bei mir einfach überhaupt nicht zusammen. Ich konnte es technisch nicht so umsetzen, wie ich es wollte“, erklärt sie, dass im Olympia-Stadion von Tokio einige Faktoren zusammengekommen seien. „Aber letztendlich muss ich als Sportler darauf reagieren können – und es wird dann eben derjenige Olympiasieger, der am besten mit allem zurechtkommt.“ Und das war in Tokio „leider“ nicht die LAZ-Athletin, sondern die Chinesin Liu Shiying, die mit Saisonbestleistung von 66,34 Meter Gold gewann. Hussong musste sich nach starken Vorleistungen ausgerechnet im Olympia-Finale mit 59,94 Meter – und Platz neun begnügen. Fast zehn Meter weiter war ihr Speer noch Ende Mai im polnischen Chorzów zur neuen Bestmarke von 69,19 Meter geflogen. „Ich werde daraus meine Lehren ziehen und überlegen, was ich tun kann, damit mir so etwas nicht nochmal passiert. Mehr kann man nicht machen. Was vorbei ist, ist vorbei“, sagt Hussong recht abgeklärt. Fügt aber an, dass es „natürlich immer noch weh tut, wenn ich über Tokio nachdenke“. Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre. „Dann bräuchte ich nicht mehr weiterzuwerfen. Gott sei Dank tut es mir weh“, weiß die Herschbergerin aber auch, dass noch weitere große Wettkämpfe, weitere Chancen auf Edelmetall auf sie warten.

Aufgefangen worden ist die amtierende Europameisterin nicht nur vor Ort von Vater und Trainer Udo Hussong, sondern auch bei der Rückkehr nach Herschberg von all ihren Lieben, von ihren Freunden. „Die Woche nach Tokio war schön, da war meine ganze Familie da, meiner Schwester, meinr Nichte und mein Neffe – das hat mich ganz gut abgelenkt“, erzählt Hussong, was ihr hilft, solch sportlichen Rückschläge zu verarbeiten. „Da merkt man einfach, was das wichtigste im Leben ist. Und das ist nicht unbedingt der Sport.“ Es gebe glücklicherweise noch so viele andere Dinge. Etwa, „dass Freunde und Familie zu einem stehen. Egal wie man nach Hause kommt, ob mit oder ohne Medaille. Für sie ist man trotzdem die gleiche Christin, die sind alle genauso stolz. Und das ist schön zu sehen.“

Ansonsten helfe auch die Rückkehr in den Trainingsalltag. Was am Anfang nach einem Höhepunkt allerdings immer etwas schwer anlaufe. „Da fällt erst einmal die Spannung ab. Das braucht einfach ein paar Tage, bis man wieder voll drin ist im Training.“ Aber inzwischen sei das wieder so – und „ich habe auf jeden Fall Lust zu werfen. Das ist gut. Wenn ich keine Lust mehr hätte, dann wäre es schwierig“, erzählt Hussong, dass sie nach Tokio in kein tiefes Loch gefallen ist.

Denn auch die Enttäuschung nach dem Olympia-Finale kann nicht auslöschen, mit welch starken Leistungen die Herschbergerin in diesem Sommer insgesamt aufgewartet hatte. „Es war die beste Saison, die ich in meiner Karriere hatte“, blickt sie auf die vergangenen Monate zurück und fügt an: „Ich habe es nur leider nicht geschafft, dass auch beim Höhepunkt umzusetzen“. Aber die neue Bestmarke von 69,19 Meter, die sie Ende Mai bei der Team-EM in Polen rausgehauen hat, „die nimmt mir niemand mehr“, erklärt Hussong, dass „das Jahr an sich einfach Spaß gemacht hat“. Es habe ihr gezeigt: „Wir sind auf dem richtigen Weg. Und ich bin immer noch erst 27, da kann ich, wenn ich gesund bleibe, auch noch ein bisschen werfen.“ Klar fahre man als Sportler lieber mit einer Medaille oder einem guten Ergebnis nach Hause, „aber wenn es nicht funktioniert, dann ist das so“, erklärt sie, dass sie nun einfach froh ist, dass ihr Körper das alles so mitmacht „und es nicht daran lag, dass ich irgendwie verletzt bin“.

Und deshalb kann sie nach der kurzen Wettkampfpause nun auch zum Saisonausklang noch zweimal zum Speer greifen. Es gehe ihr dabei darum, wieder zum Spaß bei den Wettkämpfen, der sich in Tokio nicht eingestellt hatte, zurückzufinden. „Es ist für alle nach so einem Höhepunkt schwierig. Aber, was rauskommt, kommt raus.“

An diesem Dienstag geht es für Christin Hussong zunächst zum Meeting ins italienische Rovereto. Hier bekommt sie es unter anderem mit Maggie Malone (USA, SB 67,40 m), Nikola Ogrodnikova (Tschechien, SB 65,13 m), Barbora Spotakova (Tschechien, SB 63,08 m) und Kelsey-Lee Barber (Australien, SB 64,56 m) zu tun. „Das ist sozusagen unser Diamond-League-Ersatz.“ Denn eigentlich hätten in der Woche nach Tokio noch zwei Meetings der Serie in China stattfinden sollen. „Die wurden aber abgesagt“, erklärt Hussong, dass zum Punktesammeln für die Qualifikation zum Diamond-League-Finale in Zürich kommende Woche die Meetings in Bern (21. August) und nun das in Revereto eingeschoben wurden. Die LAZ-Athletin selbst sei nach dem Sieg in Oslo sowie Platz drei in Monaco nicht mehr auf Zähler angewiesen. Daher hatte sie Bern ausgelassen. Nun vor dem Finale am 9. September in Zürich noch einmal einen Wettkampf zu werfen, sei aber „ganz gut“. Und Rovereto liegt ihr. 2018 und 2020 hatte die LAZ-Athletin hier gewonnen.

Den Saisonabschluss für Christin Hussong bildet schließlich Zürich am 9. September. „Dann reicht es auch“ nach dem langen – auch coronabedingt – kräfteraubenden Jahr mit zahlreichen Wettkämpfen auf dem Weg bis zu den Olympischen Spielen. Danach steht erst einmal Urlaub an, bevor schnell schon wieder die Vorbereitung auf das kommende Jahr beginnt – in dem gleich zwei Höhepunkte anstehen: die aus 2021 verschobene WM in Eugene/USA (vom 15. Bis 24. Juli 2022) sowie die EM in München (vom 11. bis 21. August 2022). „Das wird für die Trainer wieder schwierig, das alles zu steuern und zu planen“, blickt die 27-Jährige voraus. Aber so gehe es allen europäischen Athleten. „Nach der WM heißt es dann einfach weitermachen.“ Nach München sei es glücklicherweise keine weite Anreise. Und die Möglichkeit, erneut im eigenen Land die Chance auf den EM-Sieg zu haben, sei schon schön, sagt die Titelverteidigerin. Die sich nur zu gerne an den Moment erinnert, in dem sie 2018 vor heimischem Publikum im Berliner Olympia-Stadion mit scheinbar großer Lockerheit – über sechs Meter betrug ihr Vorsprung – Gold gewann.

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