FSJler bei der VT Zweibrücken Aufgeschlossen, interessiert und hilfsbereit

Zweibrücken · Kamal Midani lebt nach der Flucht seiner Familie aus Syrien seit Dezember 2015 in Zweibrücken. Nach seinem Fachabitur leistet der 21-Jährige nun ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der VTZ, bei der er auch Basketball spielt.

 Kamal Midani arbeitet während seines Freiwilligen Sozialen Jahres bei der VT Zweibrücken auch im Trimini.

Kamal Midani arbeitet während seines Freiwilligen Sozialen Jahres bei der VT Zweibrücken auch im Trimini.

Foto: VTZ

Die Neugier auf Neues und eine große Portion Lebensfreude klingen in beinahe jedem seiner Sätze durch. Der harte Weg, den Kamal Midani mit seinen 21 Jahren bereits hinter sich hat, ist ihm kaum anzumerken. Und es liest sich auch so einfach. Die ersten Erfahrungen in einem vollkommen fremden Land, die Überwindung sprachlicher Hürden, schulische und sportliche Erfolge, die er in seinen knapp fünf Jahren, die er nun in Zweibrücken lebt, gesammelt hat – ganz so, als wäre das alles eine Leichtigkeit gewesen. Doch ganz so eben war der Weg von Midani, der am 1. August ein Freiwilliges Soziales Jahr bei der Vereinigten Turnerschaft Zweibrücken (VTZ) begonnen hat, nicht.

Geboren und aufgewachsen ist Kamal Midani in Aleppo. Der Stadt im Norden Syriens, die zum Zentrum des seit 2011 tobenden Bürgerkriegs geworden ist. Ende 2015 beschloss die Familie, mit ihren fünf Kindern aus dem Heimatland zu flüchten, das gewohnte Leben hinter sich zu lassen. Sieben Tage lang war der damals 16-Jährige mit seinem Vater und zwei jüngeren Geschwistern über die Türkei, das Mittelmeer, Griechenland und den Balkan nach Deutschland unterwegs. Hier angekommen, ging es von Berlin zunächst nach Trier, von dort schließlich nach Zweibrücken, wo seine Mutter mit der ältesten und jüngsten Tochter bereits rund eineinhalb Monate zuvor eingetroffen war. Die getrennte Flucht sei „schwierig“ gewesen. Verbunden auch immer mit der Angst im Hinterkopf, ob die Familie wieder zusammen finden oder wie lange das dauern würde. „Wir hatten zum Glück unterwegs immer ein bisschen Kontakt“, erzählt Midani. „Aber es war natürlich sehr anstrengend und schwierig für uns alle“, erinnert er sich nur ungern an diese Tage zurück.

Bei dem Neuanfang in dem fremden Land wurde die Familie von mehreren Personen unterstützt. „Ich habe deutsche Wurzeln – sozusagen. Der Onkel meines Vaters lebt bereits seit 40 Jahren in Deutschland, in Köln. Zu ihm stehen wir im Kontakt und er hat uns geholfen mit Regelungen, worauf wir achten sollen“, erklärt der 21-Jährige. In Zweibrücken habe sich die damalige 2. Vorsitzende des Beirats für „Migration und Integration“, Pervin Taze, um die Familie gekümmert. „Durch sie bin ich auch zur VTZ gekommen“, erinnert sich Midani. Den Jungen meldete Taze gleich bei der Basketball-Abteilung des Vereins an, die vier Schwestern bei den Handballern.

Wenn sich Kamal Midani mit seiner Familie mittlerweile auch gut in Zweibrücken, in der neuen Kultur eingelebt hat, so war es in den ersten Wochen und Monaten doch eine große Herausforderung, hier Fuß zu fassen. „Natürlich hatte ich Schwierigkeiten am Anfang.“ Ohne Kenntnis der deutschen Sprache, ohne Freunde. „Aber ich hatte Spaß daran, die Sprache zu lernen, ich hatte Lust darauf, neue Erfahrungen zu sammeln“, erklärt er. Ein halbes Jahr lang büffelte er Deutsch bei der Zweibrücker Stadtmission, startete dann in der achten Klasse der Herzog-Wolfgang-Realschule. „Einen richtigen Sprachkurs habe ich eigentlich nicht gemacht, ich habe Deutsch vor allem in der Schule gelernt“, blickt Midani auf seine Anfänge in Zweibrücken zurück. Nach sechs Monaten in Klasse acht, habe er die folgenden beiden Schuljahre „durchgezogen“, er hat den Realschulabschluss geschafft und nach seinem Wechsel an die Berufsbildende Schule in diesem Jahr nun auch das Fachabitur bestanden.

Neben der Schule habe aber vor allem der Sport Kamal Midani „sehr geholfen“, Kontakte zu knüpfen und die Sprache der neuen Heimat zu lernen. „Ich bin ein sehr offener Mensch. Ich bin nicht so zögerlich und sage immer: ‚Oh, ich kann das nicht‘“. Im Sport falle es oft leichter, solche kleinen Hürden zu überwinden. „Ich finde es nicht schlimm, wenn ich etwas falsch mache oder sage und die Leute mich dann verbessern. Von meinen Basketballfreunden – besonders auch von meinem Trainer Denis Rendgen – habe ich da viel Unterstützung bekommen und viel gelernt“, betont der 21-Jährige, dass er sich richtig gut integriert fühlt. Denn parallel zu seiner schulischen Ausbildung hatte Midani bei der VTZ mit dem Basketballspielen begonnen. Zunächst bei der U20, nun geht er in der zweiten Aktivenmannschaft auf Korbjagd. Nebenbei absolvierte er eine Schiedsrichter-Ausbildung und trainiert seit 2017 auch den Basketball-Nachwuchs der VTZ. Seit 2018 arbeitet der Syrer zudem als Trainerassistent im vereinseigenen Fitnessstudio Trimini.

Bei der Vereinigten Turnerschaft ist der neue FSJler demnach kein Unbekannter. Er unterstützte den Verein in den vergangenen Jahren auch bei den Jugendferienwochen,war zudem als Betreuer bei den Sommercamps der Sportjugend Pfalz dabei. Beim Sportbund absolvierte Midani von September 2019 bis Februar 2020 die Ausbildungen zum Übungsleiter C und Jugendleiter. „Jetzt mach ich noch den spezifischen Basketball-Übungsleiter D“, erklärt er.

Anfang des Jahres übernahm Midani bei der VT Zweibrücken eine Kindergruppe im Alter von drei bis sechs Jahren, in der die Grundlagen für viele Sportarten gelegt werden sollen. „Leider ruht der Kurs seit der Corona-Pandemie. Gerade mit den Kleinen ist es schwierig, den nötigen Abstand einzuhalten“, bedauert Midani. Dafür laufe es derzeit im Nachwuchsbereich der Basketballer sehr gut. „Da haben wir jetzt etwa 28 Kinder im Alter von acht bis 14. Mit denen mache ich sehr viel, da wir sie in der neuen Saison in der U12 und U14 antreten lassen wollen. Damit sie die Erfahrung machen, gegen andere Mannschaften anzutreten – im Moment sieht das echt gut aus“, freut sich der Nachwuchstrainer, dem das Arbeiten mit Kindern „besonders viel Spaß“ bereitet. „Die wollen etwas lernen, das macht mir echt Freude. Aber ich arbeite auch gerne mit Erwachsenen – das ist aber einfach ein bisschen anders.“

In seinem Freiwilligen Sozialen Jahr übernimmt Kamal Midani zusätzlich Aufgaben in der Verwaltung des Vereins. „Ich arbeite auch im Trimini an der Theke, mache ansonsten viel im Rehasport, gebe den Leuten beim Training an den Geräten Hilfestellungen – einfach von allem etwas“, erklärt er mit einem Lachen. Ab 31. August übernimmt der FSJler zudem den Kurs „Fit in den Morgen“. „Ich bin wirklich dankbar, dass ich bei der VTZ so viel machen kann, hier habe ich richtig viel Unterstützung von Frau Alt (VTZ-Vorsitzende Gisela Alt, Anm. d. Red.) bekommen.“ Die Freude über die intensivere Zusammenarbeit im kommenden Jahr beruht dabei auf Gegenseitigkeit. „Wir haben Kamal als ungeheuer hilfsbereiten und freundlichen jungen Mann kennengelernt, der immer aushilft, wo jemand gebraucht wird“, erklärt Gisela Alt.

Neben den neuen Erfahrungen, die Kamal Midani in den zwölf FSJ-Monaten bei der VTZ sammelt, bringen diese dem 21-Jährigen auch die nötige Zeit, sich klar zu werden, in welche Richtung es für ihn danach beruflich gehen soll. „Im Moment weiß ich nicht genau, was ich machen möchte“, sagt er seufzend. „Ich habe während des Fachabiturs gemerkt, dass ich kein Büro-Mensch bin. Ich habe zwar mehrere Praktika gemacht, die waren auch gut, aber die Büroarbeit war doch schwieriger für mich als ich gedacht hatte“, erzählt Midani. Es falle ihm schwer, sich festzulegen. „Ich habe immer wieder etwas anderes im Kopf. Der sagt: Mach das, mach das oder das.“ Hinzu kommen die Ratschläge seiner Eltern, die er sich sehr zu Herzen nimmt. „Sie sagen immer, mach etwas Gutes für Dich, lern’ noch ein bisschen mehr“, erzählt Midani von seiner Mutter und seinem Vater, die in Syrien als Bau- beziehungsweise Elektroingenieure gearbeitet haben – deren Ausbildung in Deutschland aber nicht anerkannt wird. „Ich bin glücklich, dass ich solche Eltern habe, die mich richtig fördern. Sie geben mir so viele Erfahrungen von sich weiter und erklären mir immer, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden.“ Mit seinen bisher erreichten Abschlüssen, mit seinem sportlichen Engagement und den vielen Erfahrungen, die er bislang gesammelt hat, ist er auf einem guten Weg. „Ich werde dann hoffentlich den richtigen Job finden, der auch Spaß macht“, verliert Kamal Midani auch auf dieser Suche seinen Optimismus nicht.

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