Zweibrücker Judoka Jasmin Grabowski Mit dem Prinzip Hoffnung Richtung Olympia

Zweibrücken · Das Ticket für Tokio hat Jasmin Grabowski so gut wie in der Tasche. In der Vorbereitung auf die Spiele, die „definitiv“ ihre letzten sein werden, versucht die Judoka des 1. JC Zweibrücken die wenigen internationalen Konkurrenzen dazu zu nutzen, ihren Platz im Quali-Ranking zu festigen und sich die nötige Wettkampfhärte zu erarbeiten. Am Wochenende geht es für die 29-Jährige daher zum Grand Slam nach Tiflis.

 Nach Rio 2016 will JCZ-Judoka Jasmin Grabowski (links) 2021 den Sprung zu ihren zweiten Olympischen Spielen nach Tokio schaffen. Danach soll für sie Schluss sein mit dem Leistungssport.

Nach Rio 2016 will JCZ-Judoka Jasmin Grabowski (links) 2021 den Sprung zu ihren zweiten Olympischen Spielen nach Tokio schaffen. Danach soll für sie Schluss sein mit dem Leistungssport.

Foto: picture alliance / Jonas Güttler/Jonas Güttler

Den Gedanken, dass die Olympischen Sommerspiele in Tokio auch in diesem Jahr nicht stattfinden könnten, versucht Jasmin Grabowski gar nicht erst zuzulassen. Sollte der Worst Case eintreten, das Großereignis aufgrund der Pandemie-Entwicklung „nochmal kurz vor knapp abgesagt werden, diesmal komplett, ich wüsste nicht, was dann mit mir passieren würde“, sagt die Judoka des 1. JC Zweibrücken. „Das würde mich in ein richtig tiefes, dunkles Loch stürzen. Es war im vergangenen Jahr schon richtig krass für mich, mich aus diesem Loch nochmal heraus zu kämpfen.“

Jasmin Grabowski hat es aber geschafft. Mit großem Willen. Schließlich hat sie sich nun seit fast fünf Jahren auf Tokio vorbereitet, dem Sport alles untergeordnet, hat Rückschläge und eine erneute Schulter-Operation weggesteckt. „Wenn das einfach für Nichts gewesen wäre, für Nichts so hart gearbeitet zu haben . . .“, sagt die 29-Jährige nachdenklich – schüttelt die Gedanken, die „irgendwo im Hinterkopf herumspuken“, aber sofort wieder ab. „Ich konzentriere mich lieber voller Hoffnung darauf, dass die Spiele im Sommer stattfinden.“

Mit dieser Zuversicht ist die Schwergewichtskämpferin auch in das Olympia-Jahr gestartet. Das coronabedingt anders verlaufen ist als gewohnt: Einheiten vornehmlich am Stützpunkt in Köln, keine großen internationalen Trainingslager, nur wenige Wettbewerbe. Letztere wären nicht nur im Kampf um wertvolle Olympia-Qualifikationspunkte für zahlreiche Athleten dringend nötig. „Gerade auch, um die internationale Wettkampfhärte zu bekommen, ist es so wichtig für mich, die paar Wettkämpfe, die stattfinden, zu nutzen“, erklärt Grabowski, die an diesem Sonntag beim Grand Slam in Tiflis, nächste Woche dann in Antalya wieder auf die Matte gehen wird. Allzu große Sorgen um nötige Punkte für die Olympia-Quali muss sich die gebürtige Böhl-Iggelheimerin dort eigentlich nicht machen. Als derzeitige Nummer 21 der unbereinigten Rankingliste in der Klasse über 78 Kilogramm – die ersten 26, dabei aber nur die zwei besten Judoka pro Nation, qualifizieren sich – hat sie das Ticket für Tokio so gut wie sicher.

Grabowskis Trainer am Kölner Stützpunkt rechne immer alles mit, verfolge, welche Gegnerin Punkte sammelt. Er habe immer im Kopf, was passieren müsste, damit die deutsche Schwergewichtskämpferin noch aus dem Ranking rausrutscht. Geht es nach der Kalkulation des Trainers, „dann kann mir eigentlich nichts mehr passieren“, erklärt Grabowski. „Ich habe einen Puffer, der nicht gerade unerheblich ist.“ Die fünf, sechs direkt hinter ihr platzierten Athletinnen müssten alle mindestens einen Wettkampf gewinnen und einmal Fünfte werden, um noch an der JCZ-Athletin vorbeizuziehen. „Das ist eher unwahrscheinlich.“ Zumal die Zahl der großen internationalen Wettkämpfe in diesem Jahr coronabedingt arg begrenzt ist. „Man will den Tag ja nicht vor dem Abend loben, aber es sieht wirklich gut aus“, sagt die EM-Zweite von 2015. „Zumal ich davon ausgehe, dass ich selbst noch ein, zwei gute Platzierungen, vielleicht auch noch eine Medaille holen werde.“

Bei ihren bisherigen Auftritten im Jahr 2021 hat Grabowski den Sprung aufs Podest verpasst. Bei den Masters in Doha im Januar „bin ich nach einem wirklich guten Kampf leider in der zweiten Runde rausgeflogen“, erzählt die JCZ-Judoka. Gegen Angstgegnerin Irina Kindzerska (Aserbaidschan) habe sie aber seit Jahren nicht mehr so gut gekämpft wie dort. „Von daher war das ein kleiner Erfolg – und ein paar Punkte für die Olympia-Quali habe ich auch gesammelt.“ Beim Grand Slam in Tel Aviv im Februar ist Grabowski knapp an Bronze vorbeigeschrammt. „Dennoch bin ich dadurch im Olympiaranking nochmal um zwei Plätze nach oben gerutscht“, blickt sie recht zufrieden auf ihre bisherigen Duelle zurück. „Leider findet ja nicht so viel statt momentan. Und es besteht auch immer die Gefahr, dass ein Wettkampf noch kurzfristig abgesagt wird.“

Die fehlende Planungssicherheit begleitet die Athleten aber nicht nur durch den Wettkampf-Alltag. Neben den Grand-Slams und Grand-Prix‘ sind die Judoka es vor der Corona-Pandemie gewohnt gewesen, mehrere große internationale Trainingslager anzusteuern, um sich mit Athleten anderer Länder zu messen. „Die Möglichkeiten sind derzeit absolut begrenzt“, erklärt die 29-Jährige. „Wir hatten jetzt ein kleineres internationales Trainingslager in Köln.“ Neben dem holländischen Nationalteam waren sechs polnische Athleten dabei. „Das geht aber alles nur in kleinerem Rahmen, mit PCR-Schnelltests. Die großen internationalen Trainingslager mit 1000 bis 2000 Sportlern, das funktioniert momentan einfach nicht.“ Eine schwierige Situation für die Judoka.

In Köln seien Grabowski und ihre Mitstreiterinnen in der glücklichen Situation, häufig auch zum Männertraining ausweichen zu können. „Die sind da sehr offen für“, erzählt die Pfälzerin. „Das ist gut, um einfach mal andere, stärkere und schnellere Partner zu haben. Da können wir uns auch nochmal Härte holen.“ Auch die U21-Jungs seien immer hilfsbereit und unterstützten die Frauen, wo sie können. „Das ist schon cool, mannschaftsintern funktioniert das gut. Aber die internationale Härte fehlt mir schon ein bisschen“, hadert die JCZ-Athletin, die bedauert, dass es in Deutschland – und auch in den meisten Ländern Europas – nicht viele gute Schwergewichtskämpferinnen gebe. Hoffnung setzt sie in der Olympia-Vorbereitung in dieser Hinsicht auf ein geplantes Trainingslager in Alicante (Spanien) Ende Mai. „Bei dieser Einladungs-Veranstaltung wären sechs Nationen dabei – Länder wie Japan, Brasilien und Aserbaidschan, in denen es viele gute Schwergewichte gibt. Das würde mir viel bringen. Da könnte ich mir den Feinschliff holen“, hofft Grabowski.

Zuvor stehen für sie aber noch die beiden Grand Slams im georgischen Tiflis und türkischen Antalya auf dem Programm, bei denen die Judoka den Sprung aufs Siegertreppchen anpeilt. Für den Wettkampf in der Türkei am Oster-Wochenende steht auch ihre JCZ- und Nationalteam-Kollegin Martyna Trajdos (+63 Kilogramm) auf der Startliste. Für Grabowski hingegen geht es nach ihrem Kampf am Sonntag in Georgien dann am Montag direkt in die Türkei weiter. „Weil es sich einerseits nicht lohnen würde, erst über die Türkei nach Deutschland zurückzufliegen – und dann wieder nach Antalya. Es würde aufgrund der erforderlichen Corona-Tests aber auch zeitlich gar nicht gehen. Das ist alles super kompliziert“, verweist die Schwergewichtskämpferin auf die aufwendigen Maßnahmen. Die eng beieinander liegenden Wettkämpfe bedeuten neben der Möglichkeit, weitere Qualipunkte zu sammeln aber auch, „dass wir zwei Wochen quasi nur im Hotelzimmer leben – aber das nehmen wir jetzt in Kauf“. An Ostersonntag geht es zurück nach Deutschland. Nach einer Woche Urlaub steht dann ein zweiwöchiges Trainingslager in La Palma an. „Was ich persönlich kritisch sehe. Die Infektionslage ist gerade sehr bedenklich, auch im Ausland. Da finde ich, dass man für solch ein ‚kleines’ Trainingslager, das man auch zuhause machen könnte, nicht unbedingt in die Sonne fliegen muss“, sagt Jasmin Grabowski, für die es danach in großen Schritten Richtung Tokio gehen wird.

„Dann ist es tatsächlich gar nicht mehr lange. Ende Juni haben wir noch die Weltmeisterschaft in Budapest – die wir weniger als WM sehen, sondern eher als Wettkampf, den wir in der Vorbereitung auf die Spiele nochmal nutzen“, erklärt sie. Denn ohne die WM würden die Judoka in den zehn Wochen vor Olympia keinen einzigen Wettkampf mehr absolvieren. „Und dann geht es hoffentlich schon zur Einkleidung, aufgrund der Quarantäne vor Ort sowie der Zeitumstellung bereits frühzeitig in den Flieger Richtung Tokio. Und dann schon bald in den Einzug ins Olympische Dorf – hoffe ich.“ All diese Planungen sind in diesen unsicheren Zeiten der Pandemie immer ganz eng verbunden mit der großen Hoffnung, das auch alle Trainingsmaßnahmen, alle Wettkämpfe, dass schließlich die Spiele selbst tatsächlich stattfinden werden.

„Ich versuche diese Gedanken kaum zuzulassen, dass Olympia doch nochmal abgesagt werden könnte“, betont Grabowski erneut. Denn für sie werden es „definitiv die letzten Spiele“. Danach soll Schluss sein mit Judo auf Weltklasseniveau. „Der Leistungssport ist kein Gesundheitssport, der fordert seinen Tribut“, sagt die JCZ-Judoka. Die Schulter der 29-Jährigen ist kaputt, das Sprunggelenk und die Knie auch nicht mehr neu. „15 Jahre Leistungssport zehren schon an einem“, erklärt Grabowski. „Ich schaffe es körperlich und psychisch nicht mehr. Immer wieder dieser Wettkampfstress, dieser Druck und alles andere, was mit reinspielt.“ So viele schöne Erlebnisse sie mit dem Sport auch verbindet, so sehr sie auch für ihn lebt – „das reicht irgendwann.“

Noch aber ist nicht Schluss für Jasmin Grabowski. Noch liegen schweißtreibende Monate vor ihr. Noch will sie ihre zweite Teilnahme an Olympischen Spielen – nach Rio 2016 – realisieren. Etwas anderes als sich in Japan, dem Mutterland des Judo, auf der Matte vom internationalen Parkett zu verabschieden, soll so kurz davor keinen Platz in ihren Gedanken bekommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort