„Ich kann das noch nicht begreifen“

Zweibrücken. Noch immer kann Speerwerferin Christin Hussong nicht so recht begreifen, welch ein Wurf ihr bei der U23EM in Tallinn gelungen ist. Mit 65,60 Metern gewann die Athletin des LAZ Zweibrücken Gold. Die 21-Jährige sprach mit Merkur-Redakteurin Svenja Kissel über den Erfolg, die anstehende Deutsche Meisterschaft sowie ihre Ziele bei ihrer ersten Aktiven-Weltmeisterschaft in Chinas Hauptstadt Peking.

 Nach ihrem Gold-Wurf bei der U23-Europameisterschaft peilt Christin Hussong auch bei der Deutschen Meisterschaft in Nürnberg Edelmetall an. Foto: Wolfgang Birkenstock/pma

Nach ihrem Gold-Wurf bei der U23-Europameisterschaft peilt Christin Hussong auch bei der Deutschen Meisterschaft in Nürnberg Edelmetall an. Foto: Wolfgang Birkenstock/pma

Foto: Wolfgang Birkenstock/pma

Frau Hussong, haben Sie mittlerweile realisiert, was für ein Wurf Ihnen mit den 65,60 Metern zu Gold bei der U23-EM in Tallinn gelungen ist?

Christin Hussong: Nein, das dauert noch eine Zeit. Ich kann das noch nicht begreifen. Bei meinem Wettkampf am Dienstag in Luzern habe ich aber schon gemerkt, dass mich gleich mehr Leute kennen. Viele sind auf mich zugekommen, auch die Kommentatoren von Eurosport haben mich angesprochen (lacht).

Sie haben immer gesagt, dass sie genau wissen, dass Sie noch mehr drauf haben. Hätten Sie in Tallinn insgeheim mit einer solchen Weite gerechnet?

Hussong: Nee. Ich dachte vielleicht, dass ich wieder über 63 Meter vom vergangenen Jahr komme, im besten Fall an die 64. Ich habe gewusst, dass ich die Bestleistung abrufen kann. Aber, dass ich gleich zwei Meter draufhaue, damit habe ich ganz bestimmt nicht gerechnet.

Haben Sie schon beim Abwurf des Speers gemerkt, dass es ein besonderer Wurf ist?

Hussong: Ja, als der Speer gerade eine Sekunde die Hand verlassen hat, habe ich schon die Faust geballt. Ich wusste sofort, dass es sehr weit gehen würde. Immer dann, wenn du das Gefühl hast, dass es einfach war, wird es gut.

Können Sie verinnerlichen, was genau Sie bei diesem Wurf richtig gemacht haben oder schaut man sich den Ablauf noch mal auf Video an?

Hussong: Ich habe ja schon im Vorfeld gewusst, dass es noch weiter gehen kann, wenn einmal alles zusammenpasst. Es war uns auch bewusst, woran es noch fehlt. Aber in diesem Wurf hat einfach viel gepasst. Ich bin vorne groß geblieben, war auch noch schnell genug - da hat alles gestimmt.

Mit den 65,60 Metern haben Sie ja nicht nur Gold bei der U23-EM gewonnen, sondern gleichzeitig Ihren eigenen deutschen U23-Rekord um über zwei Meter gesteigert, Meisterschaftsrekord geworfen und sich zwischenzeitlich auch in Deutschland auf Platz eins der Saison-Bestenliste geschoben, auf Nummer fünf in der Welt. Was sind diese Rekorde Ihnen wert?

Hussong: Die größte Bedeutung hat auf jeden Fall der Titel bei meiner letzten internationalen Jugendmeisterschaft. Das war mein Ziel. Man muss es erst mal schaffen, mit der Favoritenrolle umzugehen. Das ist mir zum Glück gelungen. Dass dann solch eine Weite herausgekommen ist, ist einfach unglaublich. Was das aber genau heißt, für mich bedeutet, das kann ich jetzt noch nicht sagen.

Drei Tage nach dem Wettkampf in Estland, einen Tag nach Ihrer Rückkehr haben Sie in Luzern am Dienstag bereits den nächsten Wettkampf bestritten. Platz fünf mit 56,37 Metern lässt Sie nun aber nicht zaudern?

Hussong: Da war schon im Vorfeld klar, dass es nicht weit gehen wird. Ich bin am Montagabend um 21 Uhr nach Hause gekommen. Am Dienstagmorgen machten wir uns schon wieder sehr früh auf den vierstündigen Weg nach Luzern. Die Weite lässt jetzt keine Zweifel aufkommen.

Im vergangenen Jahr hatte Ihr Vater und Trainer Udo Hussong erklärt, dass Sie nun mit dem Übergang zu den Aktiven auch das Trainingspensum erhöhen. Haben Sie da in diesem Jahr noch einmal mehr gemacht?

Hussong: Wir haben langsam immer mehr gemacht im Training. Auch in diesem Jahr werden die Umfänge langsam denen der Erwachsenen angenähert. Das merke ich schon. Es ist auf jeden Fall noch mal mehr als im vergangenen Jahr.

Am übernächsten Wochenende stehen in Nürnberg die Deutschen Meisterschaften an. Wird bis dahin nun eher regeneriert oder was steht auf dem Programm?

Hussong: Mit Regeneration ist nicht viel drin. Eher beginnt nun schon die Vorbereitung auf die WM in Peking. Da ist ja gar nicht mehr so viel Zeit. Mitte August fliegt das Nationalteam bereits ins letzte Vorbereitungstrainingslager nach Südkorea, von wo aus es dann nach Peking geht.

Für die Weltmeisterschaften in Peking sind Sie bereits qualifiziert. Ebenso Titelverteidigerin Christina Obergföll sowie Linda Stahl und Katharina Molitor, die in Luzern mit 66,40 Metern noch mal ordentlich einen rausgehauen hat. Es verspricht demnach in Nürnberg spannend zu werden, was setzen Sie sich für die DM als Ziel?

Hussong: Auf jeden Fall will ich wieder eine Medaille. Ich hatte im vergangenen Jahr eine (Bronze mit 60,45 Metern hinter Linda Stahl und Katharina Molitor, Anm. d. Red.), da will ich nun ganz sicher nicht als Vierte zur WM nach Peking. Ich kann genauso gewinnen, wie Linda, die in Luzern erstmals im Jahr über 64 Meter geworfen hat, wie Weltmeisterin Christina Obergföll oder Linda Stahl . Ebenso kann auch jede von uns Vierte werden, es ist sehr ausgeglichen. Es dürfte spannend werden bei der DM.

Und bei der WM gäbe es die nicht utopische Möglichkeit, dass alle vier deutschen Speerwerferinnen ins Finale kommen.

Hussong: Ich denke, genau das ist unser Ziel, dass es alle vier unter die besten Zwölf schaffen. Das wäre schon cool. Bis auf Moskau 2013 als Katharina nicht ins Finale kam, haben die deutschen Frauen das immer geschafft. Ob Christina Obergföll, Steffi Nerius . Eine von ihnen kam auch immer in die Medaillenränge. Das darf auch gerne dieses Jahr wieder so sein (lacht).

Verspüren Sie vor den anstehenden Meisterschaften nun mehr Druck, jetzt wo das Umfeld, auch die Konkurrenz, auf Sie aufmerksam geworden ist?

Hussong: Nein, ich denke, ich kann ganz gut damit umgehen. Wichtig ist vor allem, dass ich mich nicht selbst unter Druck setze, jetzt gleich wieder über 65 Meter werfen zu müssen. Nach Peking fahre ich als jüngste Deutsche, ich glaube ich bin sogar die Jüngste überhaupt im Feld. Da sind die anderen deutlich mehr unter Zugzwang. Christina, Linda und Katharina, aber auch Barbora Spotakova. Ich kann dort nur gewinnen und weiter Erfahrung bei den Großen sammeln. Natürlich habe ich auch meine Ziele, aber ich gehe nicht in meine erste Weltmeisterschaft und sage: Ich muss jetzt 67 Meter werfen und eine Medaille holen. Das wäre ja utopisch.

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