Fußball-Verbandsliga Südwest „Bei mir muss jeder Spieler den Ball wollen“

Rieschweiler · Nach einem Katastrophenstart in die Saison hätte kaum mehr jemand einen Pfifferling auf den Klassenerhalt des Fußball-Verbandsligisten SG Rieschweiler gesetzt. Das sieht heute anders aus und ist auch Verdienst von Spielertrainer Steffen Sprau. Dabei hat der 31-Jährige noch gar keinen Trainerschein.

Groß waren zu Saisonbeginn die Zweifel und die Sorgenfalten bei Steffen Sprau von der SG Rieschweiler. Heute sieht die Tabelle für den Fußball-Verbandsligisten deutlich freundlicher aus. Das ist auch Spraus Verdienst. 

Foto: maw/Martin Wittenmeier

Die Laterne an der dicken Eiche – sie leuchtete schon früh in der Saison knallrot. Denn nach drei Spieltagen in der Verbandsliga Südwest sah die Tabelle für die Fußballer der SG Rieschweiler nicht besorgniserregend aus – sondern desaströs: Null Punkte, 19 Gegentore, kaum Hoffnung. „Den Start mussten wir erstmal sacken lassen. Und ja, die Frage, ob wir überhaupt die Qualität haben, die Klasse zu halten, ist in der Kabine aufgekommen“, sagt Steffen Sprau, zu Saisonbeginn noch Spieler, nun Spielertrainer der SGR. Heute sieht die Situation für seine Mannschaft deutlich freundlicher aus. Zwar ist die SGR, die mit 14 Punkten auf Rang zwölf überwintert, noch längst nicht alle Abstiegssorgen los, liegt aber drei Zähler vor einem Abstiegsplatz. „Und wir werden alles dafür geben, dass wir auch am Saisonende über dem Strich stehen. Das hätte uns vor der Runde kaum jemand zugetraut“, verspricht Sprau kämpferisch.

Der 31-jährige Abwehrchef hätte sich „früher nicht vorstellen können, Trainer zu werden“, doch nachdem sich der Verein und Ex-Trainer Dirk Kapitulski nach dem vierten Spieltag trotz eines Remis gegen Gau-Odernheim (2:2) in beiderseitigem Einvernehmen getrennt hatten, war ihm klar, „dass da kein Weg dran vorbeiführt.“ Denn Sprau ist einer der erfahrensten Führungsspieler, kickt seit frühester Jugend im Verein und ist zudem im Vorstand tätig. Auch weil Sprau keinen Trainerschein besitzt, wird er von Mittelfeldspieler Christian Ohlinger unterstützt. „Wir liegen auf und neben dem Platz auf einer Wellenlänge. Das passt gut“, sagt Sprau, der betont, dass die neue Konstellation eine Gemeinschaftsentscheidung des ganzen Vereins war.

Doch auch unter dem neuen Trainergespann lief es für Rieschweiler zumindest auf dem Papier zunächst weiter miserabel. Der Verbandsligist, der vor der Saison einen immensen personellen Aderlass hatte hinnehmen müssen, verlor auch die nächsten fünf Spiele in Serie. Gegen Spitzenreiter Alemannia Waldalgesheim ging die Mannschaft im Heimspiel mit 1:8 baden. „Es bringt nichts, in so einer Situation noch weiter draufzuschlagen. Auch wenn es eine Packung gab, haben wir die Mannschaft gelobt, das Positive herausgestellt“, berichtet Sprau, der auch den Wert des gelassenen Umfeldes bei der SGR hervorhebt. „Alle sind ruhig geblieben. Sogar Zuschauer sind zu uns gekommen und haben uns bescheinigt, dass sie eine Entwicklung sehen. Obwohl wir nach neun Spieltagen nicht eine Partie gewonnen hatten“, schwärmt Sprau. Er ergänzt: „Der Rückhalt war für mich als Trainerneuling sehr wichtig.“ Auch vom ehemaligen Rieschweiler Spieler Tobias Leonhard, der mit seinem neuen Verein SV Morlautern im September mit 4:0 bei der SGR gewann, habe es lobende Worte gegeben.

Und als der Spätherbst an der dicken Eiche Einzug hielt, durften die Rieschweiler sich nicht mehr nur über die warmen Worte der Gegner freuen – sondern endlich Siege feiern. Von den letzten neun Partien gewann die SGR vier, spielte ein Mal Remis. „Gigantisch“, sei die Erleichterung nach dem ersten Saisonerfolg im Oktober gegen Fußgönheim (4:1) gewesen, berichtet Sprau. Er musste in der Partie allerdings einen heftigen Nackenschlag hinnehmen. Der Abwehrchef brachte seine Mannschaft per Kopfball mit 1:0 in Führung, bekam das 2:0 auf dem Platz noch mit, humpelte dann aber wegen eines Sehnenrisses sowie eines Haarrisses am Schienbein vom Feld. „Ich hab dann an der Seitenlinie so viel gebrüllt, dass ich hinterher ganz heiser war. Jemand meinte, wenn das so weitergeht, hat Steffen nach der Saison keine Stimme mehr“, erzählt Sprau und muss schmunzeln. Der deutlichste Fingerzeig für die Entwicklung seiner Mannschaft war aber der 3:1-Sieg Mitte November gegen den SC Idar-Oberstein. Am ersten Spieltag der Saison war die SGR gegen den selben Gegner noch mit 0:9 unter die Räder gekommen.

Das erste Ziel sei es gewesen „eine Mannschaft mit Moral und Charakter auf den Platz zu bekommen“, erklärt Sprau. „Wir haben vor der Saison eine ganze Verbandsligamannschaft verloren. Das war extrem. Wir wussten, dass es schwer wird. Aber wir wussten auch, dass wir mit besser aufgestellten Mannschaften mithalten können – wenn wir unsere Tugenden in die Waagschale werfen.“ Die Marschroute des Spielertrainers: „Bei mir muss jeder den Ball wollen. Egal ob er 18 oder über 30 ist.“

Der 31-Jährige impfte seinen Spielern aber nicht nur die nötige Kämpfer-Mentalität ein. Er ließ im Training auch immer wieder Standards einstudieren. Einfache Passübungen verliehen der Mannschaft Sicherheit. Und auch in Sachen Fitness drehte der Spielertrainer noch an der einen oder anderen Stellschraube. „Außerdem sind wir taktisch variabler, können unser 4-2-3-1-System im Spiel nach vorne in ein 4-3-3 umwandeln. Und in der Rückwärtsbewegung in ein 4-5-1“, erläutert er.

Doch auch nachdem sich die SGR im Herbst gefangen hatte, gab es Rückschläge. Beim SV Rülzheim unterlag Rieschweiler mit 1:6, beim Zweiten FC Speyer kassierte die Mannschaft gar eine 0:14-Klatsche. Aber: Rieschweiler lässt sich heute auch durch solche Ergebnisse nicht mehr umwerfen, ist viel stabiler, betont Sprau. Und in der Tat: Auf die Niederlage in Speyer folgte postwendend ein Sieg gegen den FK Pirmasens II (2:0) und nach der Partie in Rülzheim gab es ein Remis gegen Zeiskam (0:0) sowie den Sieg gegen Idar-Oberstein.

Am 18. Januar steigt das Team wieder in die Vorbereitung auf die Restsaison ein. Nach einer lockeren Einheit zum Aufgalopp wird bei der SGR aber erstmal ein wenig gefeiert. „Einer unserer Anhänger hat versprochen, wenn wir in dieser Saison zwei Spiele am Stück gewinnen, schmeißt er eine Grillparty. Das haben wir geschafft. Und da hat er sich nicht lumpen lassen“, erzählt Sprau und lacht. Im Anschluss wird es für seine Mannschaft in der Vorbereitung aber ernst. „Ich verlange, dass wir topfit in die restlichen Spiele gehen. Wir müssen nicht 90 – sondern 120 Minuten marschieren können“, fordert der Spielertrainer, der eventuell auch neue Systeme einstudieren will.

Für Sprau selbst und seine „Invalidengruppe“, wie er sie nennt (die Rekonvaleszenten Sprau, Silas Brödel, Tobias Weis und Noel Weis), geht es allerdings schon nächste Woche mit leichtem Training los. Auch an zwei Hallenturnieren – dem Top 6 Cup sowie dem Turnier der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Wallhalben – nimmt Rieschweiler teil. „Das ist eine schöne Abwechslung für die Jüngeren, ich halte meine Knochen dort aber nicht mehr hin“, sagt Sprau, der seinen Spielern vermittelt hat, die Wettkämpfe unter dem Hallendach nicht übermotiviert anzugehen. „Verletzte sind das letzte, was wir momentan gebrauchen können.“

Im Hinblick auf mögliche Neuzugänge in der Winterpause will der Coach zwar „die Augen offen halten“. „Grundsätzlich sind wir aber der Meinung, dass die Jungs, die sich so gesteigert haben, es verdient haben, die Runde zu Ende zu spielen.“ Im Gegenzug habe kein Spieler einen Wechselwunsch geäußert.

Kein Wunder, denn heute leuchtet keine Rote Laterne mehr an der dicken Eiche – und der Glaube an den Klassenerhalt, „der ist jetzt bei jedem Einzelnen von uns voll da.“