Es droht eine lange Dürrezeit

London · Von den deutschen Männern überstand in Wimbledon keiner die zweite Runde. Nachdem Boris Becker vor 30 Jahren die Bühne im All England Club betreten hatte, kam dies nun erst zum dritten Mal vor.

Philipp Kohlschreiber lag bäuchlings auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon , das Gesicht schmerzverzerrt. Eine Szene wie ein Sinnbild für die anhaltende Misere im deutschen Männer-Tennis. Nur wenig später war Kohlschreiber in Runde zwei ausgeschieden und mit ihm alle übrigen deutschen Teilnehmer im Herreneinzel. Das gab es in drei Jahrzehnten nur zweimal (1987 und 2011).

30 Jahre ist es nun her, da stand ein 16-jähriger Junge namens Boris Becker erstmals im Hauptfeld des ältesten Tennisturniers der Welt. Nur zwölf Monate später folgte sein erster Triumph. Becker erklärte die Tennisanlage im Londoner Süden prompt zu seinem Wohnzimmer und legte den Grundstein für große Sternstunden deutscher Tennisprofis. Bei keinem anderen Grand Slam waren sie fortan so erfolgreich wie in Wimbledon .

Auch in den mageren Jahren, nachdem Becker 1999 zum letzten Mal als Spieler den altehrwürdigen Club betreten hatte, blieben deutsche Spieler in Wimbledon zuverlässig erfolgreich. Alexander Popp , Nicolas Kiefer , Florian Mayer und auch Philipp Kohlschreiber schafften es bis ins Viertelfinale. Rainer Schüttler (2008) und Tommy Haas (2009) standen gar in der Vorschlussrunde.

Eben dieser Haas wird in diesem Jahr schmerzlich vermisst. Kurz vor Beginn des Turniers ließ sich der ehemalige Weltranglistenzweite an der Schulter operieren. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob der 36-Jährige überhaupt noch einmal als Aktiver nach Wimbledon zurückkehrt. Auch Florian Mayer ist verletzt, und so war Kohlschreiber der einzig verbliebene Hoffnungsträger unter sieben deutschen Männern im Hauptfeld. Dass er große Ziele verfolgt ("Den Traum vom Einzug in die Top 10 kann mir keiner nehmen"), ist lobenswert, nur decken sich die Aussagen zu selten mit den Leistungen auf dem Court.

Die Erwartungen an das deutsche Herren-Tennis sind inzwischen gering und werden dies auch bleiben. Bislang drängt sich kein Nachwuchsspieler auf, auch Peter Gojowczyk und Jan-Lennard Struff, die Bundestrainer Carsten Arriens in sein Davis-Cup-Team berufen hat, zahlen noch reichlich Lehrgeld auf der Tour. Daniel Brands, der schon einmal in der zweiten Woche von Wimbledon stand, erholt sich gerade vom Pfeifferschen Drüsenfieber. Und Top-Talent Alexander Zverev, der Anfang des Jahres die Australian Open der Junioren gewann, ist mit seinen 17 Jahren noch weit davon entfernt, bei den Profis mithalten zu können. Beim ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum (14. bis 20. Juli) darf die Nummer 665 der Welt dank einer Wildcard weitere Erfahrungen sammeln.

Gut, dass es die Frauen gibt. Die Aushängeschilder Angelique Kerber , Sabine Lisicki und Andrea Petkovic haben alle an diesem Samstag die Chance, ins Achtelfinale einzuziehen. Dabei liegt auch die Talsohle des deutschen Frauen-Tennis in Wimbledon noch gar nicht so lange zurück. Von 2002 bis 2008 verpassten alle deutschen Tennisspielerinnen sieben Jahre lang in Folge die dritte Runde. Die deutschen Männer stehen heute vor einer ähnlichen Dürrezeit.

Zum Thema:

Auf einen BlickTennis-Profi Lleyton Hewitt hat in Runde zwei in Wimbledon einen Rekord aufgestellt. Der Ex-Weltranglisten-Erste aus Australien spielte beim 5:7, 4:6, 7:6 (9:7), 6:4 und 3:6 gegen Jerzy Janowicz aus Polen am Freitag seine 42. Partie über fünf Sätze. Den Rekord hielt André Agassi (USA/41 Spiele). Der topgesetzte Serbe Novak Djokovic ist im Achtelfinale. Der Schützling der deutschen Tennis-Ikone Boris Becker besiegte den Franzosen Gilles Simon mit 6:4, 6:2, 6:4. Petra Kvitova hat in Runde drei das Duell der Ex-Wimbledon-Siegerinnen gegen Venus Williams (USA) gewonnen. Die Tschechin siegte mit 5:7, 7:6 (7:2) und 7:5. Die Weltranglisten-Zweite Li Na (China) unterlag der Tschechin Barbora Zahlavova Strycova mit 6:7 (5:7) und 6:7 (5:7). sid

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort