„Ein unvergesslicher Moment des Abschieds“

Zweibrücken. Zwischenzeitlich hatte Stefan Bullacher nur wenig Hoffnung auf den Ligaverbleib. Doch der SV 64 Zweibrücken wird auch in der kommenden Saison in der 3. Handball-Liga spielen. Merkur -Redakteur Gerrit Dauelsberg sprach mit dem bisherigen Trainer der Zweibrücker Löwen über den emotionalen Abschied nach dem geglückten Ligaerhalt, über den Glauben an die eigene Stärke, die Ziele bei seiner neuen Trainerstation in Hochdorf und künftige Aufeinandertreffen mit dem SV 64.

 Der tränenreiche Abschied vom langjährigen Trainer Stefan Bullacher nach dem letzten Saison-Heimspiel des SV 64 Zweibrücken. Eine Woche später machte das Team den Ligaverbleib perfekt. Foto: mw

Der tränenreiche Abschied vom langjährigen Trainer Stefan Bullacher nach dem letzten Saison-Heimspiel des SV 64 Zweibrücken. Eine Woche später machte das Team den Ligaverbleib perfekt. Foto: mw

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Herr Bullacher, Ihre Mannschaft hat nach einer grandiosen Aufholjagd am letzten Spieltag doch noch den Ligaverbleib gesichert. Hätten Sie sich einen schöneren Abschied vorstellen können?

Stefan Bullacher: Man hätte ein Drehbuch nicht besser schreiben können. Dieses Finale war an Emotionalität und Dramatik nicht zu überbieten. Unsere fast 200 Fans haben mit ihrer Liver pool-"You'll never walk alone"-Stimmung eine Gänsehautatmosphäre geschaffen. Das wird in meinem Leben unvergessen bleiben. Am Ende konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Es war ein unvergesslicher Moment des Abschieds.

Haben Sie im Laufe der Saison immer an ein Happy End geglaubt?

Bullacher: Als wir am 17. Spieltag gerade mal zehn Punkte hatten und sich die Liste unserer Langzeitverletzten neben David Gromer, Erik Pohland und Philipp Hammann noch um Max Sema, und Tim Burkholder verlängert hat, war die Hoffnung nicht mehr allzu zu groß.

Was war aus Ihrer Sicht der Wendepunkt der Saison, in der Sie ja ziemlich lang auf einem Abstiegsplatz gestanden haben?

Bullacher: Das war eindeutig der Heimsieg am 22. Spieltag gegen die TSG Haßloch. Nach diesem Spiel waren wir zwar immer noch Vorletzter, hatten aber den Rückstand auf den Relegationsplatz bis auf drei Punkte verkürzt. Schon lange vor allen anderen im Umfeld, haben wir uns mannschaftsintern eingeschworen, das Wunder noch schaffen zu können. Unser Leitbild war der Soester TV, der in der vergangenen Saison in der dritten Liga West aus den letzten sieben Spielen sechs Siege holen konnte und - eigentlich schon abgestiegen - eine echte Sensation schaffte.

Was hat letztlich den Ausschlag gegeben, dass es am Ende doch noch gereicht hat?

Bullacher: Der Glaube an den Erfolg und die eigene Stärke, unbändiger Wille, charakterstarke Spieler, die Verantwortung tragen konnten und wollten, Glück und eine unfassbare Unterstützung von den besten Fans der 3. Liga. Bei den letzten und entscheidenden Spielen hatten wir 700 bis 900 Zuschauer, die uns unterstützt haben. Darauf wäre mancher Zweitligist neidisch gewesen.

Gibt es für Sie so etwas wie einen Spieler der Saison?

Bullacher: Dieses Prädikat könnte ich der halben Mannschaft verleihen. Auch wenn Spieler wie Ladi Kovacin, Aris Wöschler, Florian Enders, Robin Egelhof, Nils Wöschler, Benni Zellmer oder Philipp Hammann in den verschiedenen Spielen herausragten, war es doch ein Erfolg des Kollektivs.

Was trauen Sie Ihrem - man muss ja jetzt sagen ehemaligen - Team in der kommenden Saison und darüber hinaus zu? Kann sich der SV 64 dauerhaft in der 3. Liga etablieren?

Bullacher: Das Feld ist bestellt. Wir werden in der kommenden Saison, mit einem Jahr Unterbrechung, zum vierten Mal in Folge in der 3. Liga spielen. Die A-Jugend wurde Dritter in der Bundesliga und die B-Jugend spielt gerade um die Deutsche Meisterschaft. Die C-, D- und E-Jugenden schlossen ihre Saison jeweils als zweitbestes Team im Saarland ab. Talente gibt es in Hülle und Fülle. Unser Verein hat sich als Handballmarke in der Region etabliert. Diese Erfolge werden von den Zuschauern und den Sponsoren honoriert. Die Prognose ist mehr als positiv.

Jetzt, wo das letzte Spiel gespielt ist: Wie groß ist die Wehmut, dass 21 erfolgreiche Jahre vorbei sind?

Bullacher: Ich habe im November, als wir auf einem Nichtabstiegsplatz standen, nach reiflicher Überlegung die Entscheidung getroffen, dass mein Auftrag erfüllt ist. Wir haben alle Ziele, die wir uns 1995 gesteckt haben, mehr als erfüllt. Das Erlebte der vergangenen 21 Jahre bleibt unvergessen. Die Freunde, die mich begleitet haben, sind in meinem Leben unersetzbar. Ich habe mehr als die Hälfte meines Lebens beim SV 64 verbracht. Das schüttelt man nicht so einfach aus den Kleidern. Jetzt beginnt für mich beruflich ein neuer Abschnitt. Ich freue mich auf die Zukunft, aber der Abschied von unserer gemeinsamen Vergangenheit lässt sich mit dem Wort Wehmut nicht mal annähernd gut beschreiben.

Ab wann konzentrieren Sie sich ganz auf Ihre neue Aufgabe beim TV Hochdorf?

Bullacher: Es war in den vergangenen Monaten nicht ganz einfach, beides unter einen Hut zu bekommen. Da ich, neben meiner Tätigkeit in Zweibrücken, auch schon in die Planungen beim TV Hochdorf involviert war, musste ich auf ein paar Stunden Schlaf in der Woche verzichten. Jetzt genieße ich die Zeit mit meiner Familie, plane die Zukunft in der Vorderpfalz und Ende Juni beginnt dort mein Job als Trainer.

Was werden Ihre Ziele mit dem neuen Verein sein?

Bullacher: Für mich ist es erst mal Neuland, nur mit den Aktiven zu arbeiten. Hochdorf ist ein Spitzenverein in der 3. Liga. In der Kooperation mit der TSG Friesenheim geht es um die Anschlussförderung von Talenten, nach der Jugend, um sie auf die Bundesliga vorzubereiten. Nach drei dritten Plätzen in den letzten Jahren besteht der Wunsch, auch nach dem personellen Umbruch mit der deutlich jüngeren Mannschaft (Durchschnittsalter 22 Jahre) ähnlich erfolgreich zu sein.

Graut es Ihnen vor dem Spiel in der kommenden Saison gegen den SV 64 - oder freuen Sie sich eher darauf?

Bullacher: Emotional sind das Spiele, die die Welt nicht braucht. Auf der anderen Seite bin ich glücklich, dass es dieses Spiel überhaupt geben kann, denn wenn nicht, wären wir ja abgestiegen. Der SV 64 wird seinen Weg weiter gehen und ich freue mich dann, viele Freunde, wie zum Beispiel Christian Gauf oder meinen Nachfolger Tony Hennersdorf, zu treffen.

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