Eishockey-Regionalliga Eine Einheit greift nach der Eishockey-Krone

Zweibrücken/Stuttgart · Der EHC Zweibrücken kämpft an diesem Freitag in Stuttgart um die Meisterschaft der Eishockey-Regionalliga Südwest. Im Falle einer Niederlage haben die Hornets am Sonntag in Zweibrücken eine zweite Chance, den Titel klarzumachen. EHCZ-Verteidiger Tim Essig will aber gleich den ersten Matchball nutzen – auch wenn seinem Team dann eine „Heimfahrt des Todes“ bevorstünde.

Im Eilschritt Richtung Titel? Verteidiger Tim Essig (vorne) und der EHC Zweibrücken können an diesem Freitag in Stuttgart die Meisterschaft klarmachen. Misslingt das, gibt es die zweite Chance am Sonntag in Zweibrücken.

Im Eilschritt Richtung Titel? Verteidiger Tim Essig (vorne) und der EHC Zweibrücken können an diesem Freitag in Stuttgart die Meisterschaft klarmachen. Misslingt das, gibt es die zweite Chance am Sonntag in Zweibrücken.

Foto: Martin Wittenmeier

Wenn Tim Essig am Freitagabend vor dem womöglich entscheidenden vierten Spiel um den Titel in der Eishockey-Regionalliga Südwest in der Kabine sitzt, wird sich der Verteidiger des EHC Zweibrücken vielleicht ein klein wenig älter fühlen als sonst. Denn dann lässt Teamkollege Erik Betzold (23) in den Katakomben zum Einstimmen auf die Partie „bestimmt wieder diese komische Musik laufen – Techno querbeet“, erzählt Essig und muss lachen. Er ergänzt mit gespielter Entrüstung: „Wenn Erik die Musik auflegt, haben wir zuletzt immer gewonnen. Aber er kennt nicht mal mehr ‚DJ Bobo‘ – da merke ich, dass ich älter werde.“ Die 34 Lenze, die der Defensivspezialist auf dem Buckel hat, würde er bei den Feierlichkeiten wohl nicht mehr spüren, wenn die Hornets im Spiel beim Stuttgarter EC (Anpfiff: 20 Uhr) tatsächlich gleich ihren ersten Matchball im Titelrennen verwandeln sollten. „Das wäre danach die Heimfahrt des Todes“, flachst Essig.

Der EHCZ führt in der „Best-of-Five“-Serie aktuell mit 2:1. Ein Sieg fehlt noch zur Meisterschaft. Verlieren die Zweibrücker am Freitag in der Eiswelt auf der Stuttgarter Waldau, käme es am Sonntag in der heimischen Ice-Arena (Anpfiff: 19 Uhr) im fünften Spiel zum ultimativen Showdown.

Essig glaubt aber daran, dass sein Team die Chance hat, die Meisterschaft schon am Freitag klarzumachen. Auch wenn die Hornets nach dem letzten Spiel in Stuttgart mit einer deftigen 2:7-Niederlage im Gepäck die Heimreise antreten mussten. Damit glichen die Schwaben die Serie vorübergehend aus. Mit einem fulminanten 9:4-Heimerfolg übernahmen die Zweibrücker am vergangenen Sonntag aber sofort wieder die Führung.

„Danach meinten einige Leute, dass wir uns Sonntag in Zweibrücken zum fünften Spiel wiedersehen werden. Als hätten wir in Stuttgart schon verloren. Ich glaube aber nicht, dass das ausgemacht ist“, sagt Essig. „Ich weiß gar nicht genau, was uns bei der 2:7-Niederlage gefehlt hat. Es war kein Katastrophenspiel von uns. Ich glaube, wir haben vorne zu viel gewollt – und hinten die Tore kassiert. Während der Partie ist der Frust gewachsen, weil irgendwas nicht gepasst hat, wir aber nicht wussten, woran es genau lag.“ Der gebürtige Mannheimer ergänzt: „Aber danach haben wir das einzig Richtige getan: Das Spiel sofort abgehakt und am Sonntag alle an einem Strang gezogen.“

Beim 9:4-Heimerfolg gegen die „Rebels“ saßen Zweibrücker Spieler insgesamt 29 Minuten auf der Strafbank (Stuttgart: 16) – mussten in den vielen Unterzahlphasen aber lange kein Gegentor schlucken. Das sei umso höher zu bewerten, weil „unsere Zeitstrafen auch Defensivspieler betroffen und wir deshalb in ungewohnten Aufstellungen verteidigt haben“, erklärt Essig.

Hoch zu bewerten sei angesichts einer Saisonvorbereitung voller Hindernisse auch, dass der EHC Zweibrücken dem großen Meisterschaftsaspiranten Stuttgart überhaupt so stark die Stirn biete – und nun zwei Chancen hat, die Titelträume der Schwaben zu beenden.

„Wir hatten bis kurz vor dem Saisonstart kein Eis in der Halle, mussten zu anderen Vereinen ausweichen. Die Stuttgarter trainieren drei, vier Mal in der Woche. Wir offiziell zwei Mal. Aber Frederic Hellmann und ich haben zwei Kinder, Maxi Dörr eins. Wir haben lange Anfahrten und schaffen es eigentlich nur einmal ins Training. Anderen geht es ähnlich. Trotzdem können wir mithalten“, sagt Essig.

Der Mannheimer steht auf dem Eis seit er drei Jahre alt ist. „Weil meine Eltern Schlittschuhlaufen wollten, aber keinen Babysitter gefunden haben“, wie er mit einem Schmunzeln erklärt. Nach Stationen in der Junioren-Bundesliga beim Mannheimer ERC (MERC) bestritt er seine erste Saison bei den Erwachsenen 2009 für die Rhein-Neckar-Stars – einer damals neu aus der Taufe gehobenen Spielgemeinschaft des MERC und des EC Eppelheim. Als sich die Spielgemeinschaft 2014 wieder auflöste, hing Essig die Schlittschuhe vorübergehend an den Nagel. Weil seine ehemaligen Mitspieler aus Mannheimer Juniorenzeiten – Frederic Hellmann und Maximilian Dörr – die sich zur Saison 2014/15 den Hornets angeschlossen hatten, aber hartnäckig blieben, kam Essig im Winter zunächst zum Training nach Zweibrücken. „Mit zwei Holzschlägern für 30 Euro. Ich kam mir vor wie ein Freak“, erinnert sich Essig und muss wieder lachen. Doch nach dem Training habe der damalige Hornets-Coach Richard Drewniak nur gesagt: „Alles klar, ich unterschreibe den Spielerpass.“

Die Entscheidung für die Hornets hat Tim Essig nie bereut. Auch wegen der Atmosphäre in der Ice-Arena. „Beim Aufwärmen vor meinem ersten Spiel habe ich Marc Lingenfelser gefragt: ‚Sind wir hier die Mannheimer Adler?‘. Weil die Zuschauer uns schon so angefeuert haben. Und er meinte nur: ‚Warte, bis es losgeht...‘ Und die Stimmung kam mir krasser vor als in der SAP-Arena (Heimspielstätte von Bundesligist Mannheim, Anm. d, Red,)“, erinnert sich Essig. Fortan bildete er mit Frederic Hellmann das Verteidiger-Pärchen der Hornets und blieb dem EHCZ bis 2021 treu. Dann wurde rund anderthalb Jahre nach Sohn Nils Tochter Nele geboren – und als zweifacher Vater wollte Essig kürzertreten. Der drei Jahre alte Nils steht übrigens schon auf dem Eis. „Er hat mir gesagt, wenn er noch ein wenig übt, will er mich zum Training begleiteten. Aber das müssen wir noch ausdiskutieren“, flachst Essig.

Um den Fahrstress zu reduzieren, wechselte er damals zu den Eisbären Eppelheim, nur zehn Kilometer von der Gemeinde Ketsch (zwischen Heidelberg und Mannheim) gelegen, in der Essig lebt. „Ich habe meine Rolle dort vor allem darin gesehen, junge Spieler zu unterstützen. Der Plan war, dass ich nur bei den Heimspielen dabei bin. Aber das hat weder mich, noch die Mannschaft glücklich gemacht. Ich habe mir dann gesagt: ‚Du machst Eishockey richtig, oder du machst es gar nicht.‘ Und dann habe ich mich für richtig entschieden.“ Zur folgenden Saison wechselte der Verteidiger zurück nach Zweibrücken – und greift mit den Hornets am Freitag nach seiner zweiten Meisterschaft.

Dabei verlief Essigs Saisonstart eher bescheiden. Gleich im ersten Spiel im Oktober beim ESC Hügelsheim kassierte er eine „große Strafe“ und musste in den folgenden Partien zuschauen. Seit Mitte November ist der 34-Jährige wieder dabei, und erzielte in der Playoff-Halbfinalserie gegen Heilbronn auch seinen ersten Saisontreffer. Ein Umstand, der ihm aber herzlich wenig bedeutet. „Mir war es immer wichtiger, hinten aufzuräumen. Nach dem Spiel zum Schiri rennen und reklamieren, dass das eigentlich mein Assist war – sowas ist mir zu blöd.“

Was bei Essig ebenfalls auf wenig Verständnis stößt, ist der Umstand, dass Gegner Stuttgart – der jüngst den DEL 2 erfahrenen Tschechen Milos Vavrusa nachverpflichtet hat – die Schiedsrichter in der ersten Finalpartie kritisiert und mehr oder weniger verklausuliert angedeutet habe, dass die Leistung der Unparteiischen damit zusammenhänge, dass sie aus der Pfalz stammen. Die Hornets hatten die Partie knapp mit 3:2 gewonnen. „Bei uns kamen die Schiedsrichter aus der Pfalz, bei ihnen aus Baden-Württemberg. Wir haben – auch zu Hause – viele blöde Zeitstrafen kassiert. Aber wir kämen nie auf die Idee, das an den Schiedsrichtern festzumachen. Das ist die Regionalliga. Da wirst du doch nicht mutwillig verpfiffen“, findet Essig. Er ergänzt: „Für mich haben solche Aussagen – wie die Schwaben sagen würden – ein Geschmäckle und sind einen Tick drüber. Aber uns soll das ganze Wurst sein.“

Der Fokus liege alleine darauf, den Titel zum zweiten Mal nach 2017 in die Rosenstadt zu holen. Warum Essig glaubt, dass die Hornets spätestens am Sonntagabend die Meisterschaft feiern? „Weil wir eine Einheit sind“, antwortet der 34-Jährige ohne lange nachdenken zu müssen. „Es braucht mehr als 20 gute Einzelspieler. Du musst ein Team sein. Und das sind wir. Wie das bei Stuttgart aussieht, weiß ich nicht.“ Der Teamgedanke gehe bei den Hornets aber weit über die Spieler hinaus, die auf dem Eis stehen. „Das Team – das sind für mich auch die Fans. Ehemalige Spieler, die sich in der Nachwuchsarbeit engagieren und die Betreuer. Die packen uns sogar die Taschen aus. Wo gibt’s denn sonst sowas?“, fragt Essig.

Und wie geht es für ihn weiter, wenn die Hornets tatsächlich Meister werden sollten? „Das wäre natürlich schwer zu toppen. Aber ich will trotzdem weiterspielen. Ich fühle mich körperlich wie Mitte 20 und nicht, als würde ich bald 35“.

Älter kommt sich Tim Essig nur dann vor, wenn er den jüngeren Teamkollegen erklären muss, wer denn nun dieser DJ Bobo ist. Auf einer „Heimfahrt des Todes“ und dem Titel im Gepäck wäre bei leckeren Kaltgetränken bestimmt Zeit für ein wenig feucht-fröhlichen musikalischen Anschauungsunterricht.

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