Das Vermächtnis der gefallenen Vorbilder

Zweibrücken. Peter Koch ist seit 2001 Präsident des Saarländischen Radfahrer-Bundes. Im Gespräch mit Merkur -Mitarbeiter Sebastian Zenner erklärt er unter anderem, was das Thema Doping im Radsport im Saarland verursachte und warum ambitionierte Radfahrer einem Verein beitreten sollten.

Herr Koch, wie kamen Sie eigentlich zum Radsport ?

Peter Koch: Der Radsport war schon immer, also seit der frühen Jugend, eine meiner Leidenschaften - zunächst als Zuschauer und Zuhörer. Die Tour de France hat mich sehr früh gepackt. Ich kannte alle Rennfahrer mit Namen. Hinzu kam, dass ich eine Französisch-Lehrerin mit luxemburgischen Wurzeln hatte, die uns immer animierte, uns intensiv mit der Tour zu befassen. Ich selbst war Breitensportler und bin später über das Mountainbike wieder dazu gekommen.

Hat sich im Radsport etwas Grundlegendes verändert?

Koch: Der Radsport ist nach wie vor eine höchst interessante Disziplin und hat seit Anfang der 90er Jahre einen Boom erlebt, in dem es Zuwächse in den Vereinen gab. Es gab Vorbilder, an denen man sich orientieren konnte. Das hat immer einen besonders guten Effekt auf diejenigen, die Interesse an dieser Sportart haben. Mit Blick auf die Mitgliederzahlen haben wir stabile Verhältnisse.

Das können nicht viele Verbände von sich behaupten. Haben Sie besondere Maßnahmen im Bereich der Jugendarbeit?

Koch: Also wir können zufrieden sein, dass wir von den Zahlen her nicht abbauen. Wir sind nicht unbedingt zufrieden mit der Stagnation. Gerade die jüngere Klientel wollen wir gezielt ansprechen. Zu unseren Maßnahmen gehört beispielsweise das Projekt "Richtig Radfahren in der Grundschule", das wir mit dem Bildungsministerium des Saarlandes entwickelt haben. Das heißt: Wir gehen in die Grundschulen und versuchen, die Kinder - noch bevor sie die Verkehrserziehung der Polizei durchlaufen - im Radfahren zu ertüchtigen. Dieses Projekt wird mittlerweile vom Deutschen Olympischen Sportbund anerkannt und gefördert. Auch der Bund Deutscher Radfahrer steht hinter diesem Projekt, in dessen Pilotphase wir uns im Saarland gerade befinden. Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann alle Schulen mit unseren speziell ausgebildeten Trainern bestücken können.

Warum sollten Hobby-Radfahrer in einen Verein eintreten?

Koch: Die Menschen strömen nicht mehr in Massen in die Vereine. Eher das Gegenteil ist beim heutigen Zeitgeist der Fall. Im Verein hat man einfach ein Zusammengehörigkeitsgefühl, erhält ganz allgemein kompetente Beratung, Versicherungsschutz und kann sich beim Fahren in der Gruppe mit anderen messen. Radsport ist keine Individualsportart, sondern eine Mannschaftssportart. Das sieht man bei jedem Rennen aufs Neue.

Gibt es im saarländischen Radsport wie in anderen Sportverbänden das Problem des Ehrenamts-Rückgangs?

Koch: Ja, das spüren wir sehr deutlich. Der Altersdurchschnitt derjenigen, die unsere Vereine führen, liegt jenseits der 60 Jahre. Die Leute sind in den Boom-Jahren in den 90ern gekommen, haben sich engagiert und sind bis heute geblieben. Auch wenn man diese Tätigkeiten mit Herzblut verfolgt, tritt irgendwann eine gewisse Müdigkeit ein. Die Nachwuchsgeneration ist weggebrochen. Das hat der Radsport auch denjenigen zu verdanken, die plötzlich kein Vorbild mehr gewesen sind.

Sie spielen auf die als Dopingsünder entlarvten Idole wie Jan Ullrich oder Erik Zabel an.

Koch: Sie wurden früher angehimmelt und wären Leute gewesen, die nach ihrer Karriere eine Funktionärslaufbahn hätten einschlagen können. Aber dazu ist es ja nicht gekommen. Viele Radsportler, auch schon im jungen Alter, müssen nun mit den Vorurteilen leben. Das merkt man vor allem im Straßenradsport .

Wie genau hat sich der Imageschaden durch das Thema Doping im Saarland niedergeschlagen?

Koch: Viele Menschen waren in ihrer Liebe für den Radsport plötzlich gestört. Gerade bei der Tour de France, dem größten Radsport-Ereignis überhaupt, gab es Betrugsverdacht. Wir haben es vor allem bei den jungen Jahrgängen gemerkt, also bei denen, die sich für Radrennen anmeldeten. Da gab es einen klaren Einbruch, von dem wir uns derzeit langsam erholen. Im Radsport aktiv zu sein, verlangt Kindern und Eltern aber auch einiges ab, kostet finanzielle Mittel und viel Freizeit. Vom Umfeld wird einiges verlangt, was eine gewisse Liebe zum Sport voraussetzt.

Wie hat sich diese Problematik auf die Vereine ausgewirkt?

Koch: Die Vereine sind total unterfinanziert, was auch daran liegt, dass Sponsoren weggebrochen sind. Da kann die Veranstaltung eines Vereins noch so attraktiv sein - es ist immer schwer, genug Unterstützer zu finden, um überhaupt über die Runden zu kommen. Dazu kommt, dass sich auch Behörden teilweise als oberste Richter aufspielten und entsprechende Genehmigungen nicht erteilt haben. Gerade in der Hochphase gab es teilweise unerfüllbare Auflagen. Das war nicht immer einfach.

Wie hat sich die finanzielle Situation des Verbandes entwickelt?

Koch: Wir sind auf die Mitgliedsbeiträge unserer Vereine und die Mittel aus dem Sportachtel angewiesen. Uns fehlen Sponsoren, die radsportaffin ist. Im Moment können wir nicht aus dem Vollen schöpfen. Wir haben ja auch keine richtige Heimstätte und werden bei Veranstaltungen nur auf der Straße, auf Feldwegen oder im Wald wahrgenommen.

Wie sehen Sie den Trend der so genannten E-Bikes , also Fahrrädern mit Elektromotor?

Koch: Ich begrüße das. Wir schulen gerade Senioren in den Vereinen, damit sie sicher mit ihrem E-Bike umgehen können. Der Umgang damit ist ungewohnt und nicht mit dem eines gewöhnlichen Fahrrads zu vergleichen.

Warum sollten sich junge oder ältere Menschen ausgerechnet für Ihre Sportart entscheiden?

Koch: Ich glaube, dass es sich um eine Sportart handelt, die sich vom Laufrad für Dreijährige bis zum gemütlichen Radfahren für 80-, 90-Jährige erstreckt. Das Rad stellt für alle nicht nur ein Mittel der Fortbewegung dar. Es ist sogar ein sehr gesundes Mittel der Fortbewegung. In jungen Jahren kräftigt Radfahren die Muskulatur, und bei den älteren Semestern bringt sie erst mal einen angenehmen Frischluft-Faktor mit und ist auch eine Wohltat für versteifte Knochen. Wer richtig Rad fährt, vor allem im richtigen Rhythmus, hat viel Freude daran.

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