„Das bleibt sicher eine Eintagsfliege“

Zweibrücken. Die Portugiesin Helena Costa übernimmt ab der nächsten Saison den französischen Männer-Zweitligisten Clermont Foot. Merkur -Redakteur Werner Kipper sprach mit der Vorsitzenden des Ausschusses für Frauenfußball im Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV) und Mitglied des Ausschusses für Frauen- und Mädchen-Fußball beim DFB, Bärbel Petzold, über die Entwicklungen.

Waren Sie überrascht, dass eine Frau in Frankreich in der neuen Saison eine Profi-Männermannschaft trainiert?

Bärbel Petzold: Mich überrascht eine solche Info nicht, da sowohl in Italien als auch in Deutschland solche Versuche schon gestartet wurden.

Wäre eine derartige Entwicklung auch in Deutschland möglich, oder gibt es noch zu viele Vorbehalte?

Petzold: Es ist sicherlich keine Entwicklung, sondern eher etwas für die Presse oder, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das bleibt sicher immer eine Eintagsfliege oder mal ein Versuch. Die Männervereine werden sich auf Dauer doch nicht, vor ALLEN ‚lächerlich' machen wollen.

Wieso ist es weitestgehend normal, dass Männer die deutschen Spitzenmannschaften trainieren?

Petzold: Die Männer, die Spitzenvereine trainieren, kommen meist aus dem Profibereich. Sie haben genug Geld verdient, um auch mal eine Durststrecke zu überstehen. Viele der Herren können ja auch nix anderes. Die Frauen müssen einen Beruf haben, denn es gibt ja im Verhältnis sehr viel weniger Frauenteams. Wenn dann eine Trainerin entlassen wird, was dann? Da steht ja nicht gleich der nächste Verein vor der Tür. Frauen behalten ihren Beruf - den sie auch alle haben. Sie konnten mit dem Fußball kein Geld verdienen und etwas zur Seite legen. Das sagt aber nichts über die Qualität aus. Die ist bei den gut ausgebildeten Frauen, die ihren Trainerschein haben sicher im Verhältnis höher, da fast alle qualifizierten Frauen auch im Beruf eine gute Ausbildung oder ein Studium vorweisen können.

Dem Frauenfußball werden allseits Komplimente gemacht. Können Sie den höheren Stellenwert auch bei Ihren Sitzungen mit Männern feststellen?

Petzold: Es kommt auch immer auf die Frauen und Männer und den Umgang miteinander an. Also: wie im richtigen Leben. Wichtig ist immer, dass der Sport im Vordergrund steht.

Bezeichnen Sie es als Fortschritt, dass Frauen und Männer gemeinsam zu Fußballlehrern ausgebildet werden?

Petzold: Die Ausbildung in allen Trainerbereichen findet gemeinsam statt, ist also seit vielen Jahren auch in den Verbänden schon Normalität.

Erwarten Sie, dass Zweitliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus in naher Zukunft auch in der Ersten Bundesliga pfeift und wie sieht die Entwicklung im SWFV aus?

Petzold: Bibiana wird wahrscheinlich nicht in der Ersten Liga pfeifen. Sicher wird die ein oder andere Frau zusätzlich in der Zweiten Bundesliga pfeifen. Wichtig sind aber die Leistung und die Anzahl der Männer, die nach oben wollen und wie immer auch die Zugehörigkeit zu einem Verband. Im Südwesten haben wir eine große Anzahl junger, talentierter Schiedsrichterinnen, die gut betreut und ausgebildet werden. Auch sind wir in der Ersten und Zweiten Bundesliga der Frauen sehr gut vertreten.

Sie haben immer davor gewarnt, den Frauen- mit dem Männer-Fußball zu vergleichen. Worin liegen für Sie die größten Unterschiede?

Petzold: Der Frauenfußball kann, allein durch die körperliche Unterlegenheit, nie so athletisch sein. Der Spitzenfußball der Frauen ist technischer, das Zusammenspiel steht da mehr im Vordergrund. Es zählt mehr das Ganze, nicht so die einzelnen Stars. Frauen benehmen sich besser, gesitteter und gehen besser miteinander um. Das Fair Play ist ausgeprägter.

Die Frauen in den deutschen Spitzenvereinen absolvieren ein ähnliches Trainingspensum wie die Männer. Warum engagieren sich noch so wenige Frauen als Trainer?

Petzold: Wie bereits erwähnt, ist es für Frauen schwerer, im Fußball Geld zu verdienen. Natürlich hoffen wir, dass sich mehr Frauen ausbilden lassen. Auch im Mädchenfußball oder Jugendfußball ist da vielleicht eine Frau als Trainerin die bessere Wahl. Da steht das miteinander spielen, miteinander gewinnen und verlieren, das Gemeinsame etwas mehr im Vordergrund - nicht immer das gewinnen müssen.

Sie gehören Anfang August der Delegation der U 20-Frauen-WM an, die in Kanada ausgetragen wird. Wird auch beim Nachwuchs schon professioneller trainiert?

Petzold: Das ist ähnlich geregelt wie bei den Jungs. Es fängt mit den Stützpunkten in den Landesverbänden an, dann kommen die Wanderschildspiele, die Auswahlteams der Verbände in verschiedenen Altersklassen, die im Regionalverband und beim DFB in Turnierform ihre Sieger ermitteln, U14, U16 und U18 Mädchen und Jungs. Wenn dann ein Mädchen oder ein Junge gesichtet wurde, kann eine Einladung zum DFB Lehrgang folgen. Es gibt seit zwei Jahren eine dreigeteilte B-Juniorinnen-Bundesliga. In fast allen Regionalverbänden B-Juniorinnen Regionalligen und auch Spielklassen im E-, D- und C-Juniorinnen-Bereich in verschiedenen Leistungsklassen. Die Anzahl der Teams ist natürlich nicht mit denen der Jungs vergleichbar.

Die WM der Männer steht vor der Tür. Welche Chancen räumen Sie der deutschen Nationalmannschaft ein und wer wird Weltmeister?

Petzold: Ich hoffe, dass unsere Leistungsträger der Nation auch gesund werden oder bleiben, dann gehe ich davon aus, dass wir wieder unter den letzten vier Mannschaften sein können. Da die WM in Brasilien stattfindet, rechne ich mit einem Weltmeister von diesem Kontinent. Mein Favorit ist Argentinien.

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