Bewundernswerte Frühform

Automatismen im Sport sind enorm wichtig für den Erfolg. Nicht über jeden Dribbler im Fußballspiel nachdenken zu müssen, nicht übers Timing bei jedem Absprung, Abwurf, jeder Drehung oder jedem Schlag.

Je technisch anspruchsvoller der Sport, umso wichtiger, dass viele Abläufe wie von alleine gehen. Das weiß - und merkt - auch Stabhochspringer Raphael Holzdeppe. Blicken wir nur ein Jahr zurück, schienen all diese zahlreichen Automatismen bei dem Athleten verloren. Das Gefühl fürs Fliegen war weg. Doch die Ernüchterung von vor knapp einem Jahr - als Holzdeppe, zu sechs Hallen-Wettkämpfen angereist, lediglich von zweien überhaupt mit einer gültigen Höhe zurückkehrte - ist nach harter Arbeit an sich und seiner Technik schon im Sommer, als er zu neuen Bestleistungen und dem Vize-WM-Titel flog, dem Glücksgefühl gewichen, wieder zurück in der Weltspitze zu sein. Kaum zu glauben, wie stark der Zweibrücker aus diesem Loch zurückgekehrt ist. Wie selbstverständlich, mit welcher Coolness und bewundernswerten Souveränität er wieder ganz hoch hinausfliegt. Die Automatismen sind zurück, alle Zweifel verflogen.

Unglaublich auch, wie früh im Jahr Raphael Holzdeppe sich nun schon wieder in Tophöhen schwingt. Nur selten ist dem 26-Jährigen das in der Wintersaison, in der der Grundstein für den Sommer gelegt wird, in solcher Manier gelungen. Sieg mit 5,70 Metern aus 14 Schritten Anlauf in Merzig, Sieg mit neuer Hallen-Bestleistung von 5,84 in Rouen, wo er ganz nebenbei Weltmeister Shawn Barber und Olympiasieger Renaud Lavillenie hinter sich lässt. Die Norm für die Hallen-WM Ende März hat er bereits in der Tasche.

Kein Wunder, dass Holzdeppe derzeit ein enormes Selbstvertrauen ausstrahlt. Die magischen 6,00 Meter stehen 2016 ganz dick auf der To-do-Liste, auch das Wort "Olympia-Gold" wagt er auszusprechen. Und tatsächlich ist kaum auszumalen, zu welchen Leistungen der Zweibrücker in der Lage ist, wenn er wirklich einmal ohne Verletzung, ohne Rückschläge durch den Winter käme. Denn auch nach eher schwachen Hallenrunden hat der LAZler meist im Sommer wieder ein Wörtchen um internationale Titel mitgeredet - wie bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr. Und natürlich hat Holzdeppes Dauerrivale Renaud Lavillenie (Frankreich) recht, wenn er betont, dass am Ende dieses Jahres niemand mehr nach dem Hallensieger von Rouen fragt. Da zählen nur die Olympischen Spiele. Doch wenn Kopf und Körper fit bleiben, kann auch Holzdeppes Name im Jahresrückblick eine große Rolle spiele, muss der Traum von Olympia-Gold keiner bleiben.

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