Kundenansturm in Corona-Zeiten Die Zweibrücker drehen am Rad

Zweibrücken · Das Zweibrücker Fahrradgeschäft wird in der Corona-Krise von den Kunden regelrecht überrannt. Vor allem E-Bikes sind schwer gefragt. Viele Kunden werden bis Frühjahr 2021 auf ihren Drahtesel warten müssen. Die Lieferanten kommen einfach nicht nach.

 85 Prozent seiner Kunden wollen derzeit ein Elektro-Fahrrad, berichtet Sascha Sieber. Obwohl die E-Bikes deutlich mehr kosten.

85 Prozent seiner Kunden wollen derzeit ein Elektro-Fahrrad, berichtet Sascha Sieber. Obwohl die E-Bikes deutlich mehr kosten.

Foto: Mathias Schneck

Die Corona-Zeit hat bei vielen Menschen zu einem Umdenken geführt. Zu Hause sitzend (während draußen so ziemlich alles geschlossen war) haben die Bürger gegrübelt, was sie im Leben wollen, was Spaß macht, was sie künftig anders angehen möchten.

„Die Welt wird nach Corona eine andere sein als zuvor“, erklärte so mancher Experte, den Zeigefinger in die Höhe gereckt. Mag sein. Fest stehen dürfte: Die Welt nach Corona wird eine radelnde sein. Zumindest mit Blick auf unsere Region.

Denn das ist bereits jetzt einer der ganz großen Corona-Trends: Die Bürger finden neue Lust am Radfahren. Zahlreiche Fahrradhändler in Rheinland-Pfalz und im Saarland berichten von einem regelrechten Ansturm der Kunden.

Auch Sascha Sieber kann davon ein Lied singen. Sein Geschäft „Radsport Sieber“ ist derzeit das einzige Fahrrad-Fachgeschäft in Zweibrücken. Und mit 500 Quadratmetern Verkaufsfläche sei er auch der größte Fachhändler in der Region, sagt er stolz. Sieber hat also einen profunden Überblick über das, was sich auf dem Rad-Markt tut. Und er bilanziert: Die Kunden drehen am Rad. Was ihn natürlich freut.

Gerade zu Beginn des sogenannten „Lockdowns“ Mitte März, als in Deutschland die Angst vor Corona besonders groß war und fast überall die Rollläden heruntergingen, sagten sich viele Zweibrücker zuhause: „Ich will ein Fahrrad!“ Was daraufhin geschah, charakterisiert Sieber in einem Satz: „Es war Wahnsinn.“

Der Händler berichtet: „Alle wollten in meinen Laden. Das ging nicht. Wir konnten die Kunden nur einzeln hineinlassen. Manche haben das nicht verstanden, reagierten verärgert. Ich hatte Diskussionen. Ich musste das Telefon abschalten, weil so viele Anrufe eingingen, es gab überhaupt keine Möglichkeit, diese entgegenzunehmen. Wir haben auf E-Mail-Kontakt umgeschaltet. Zu Beginn der Corona-Krise war die Situation im Grunde genommen schon eine Qual.“

Sieber versuchte natürlich, allen Kunden gerecht zu werden und legte Sonderschichten ein. „Wir fangen um sechs Uhr morgens an und sperren abends um 22 Uhr zu“, berichtet er. Bis zu 300 Kundenkontakte haben er und seine sieben Mitarbeiter an einem Tag. Das zehrt natürlich an den Kräften. „Aber es beruhigt sich jetzt langsam“, geht der Zweibrücker Fahrradhändler von einer Normalisierung ab August aus.

Und was wollen die Kunden denn nun genau? „Die allermeisten wollen E-Bikes“, sagt Sieber. (E-Bikes sind Fahrräder mit Tritt-Untertützung durch einen Akku-Motor) Das sei der absolute Schwerpunkt. „80 bis 85 Prozent der bei uns verkauften Räder sind E-Bikes.“ Das sei bereits vor der Corona-Krise ein klarer Trend gewesen. „Wir haben bei den E-Bikes seit etwa drei Jahren diesen Höhenflug.“

Problem: „Die Branche wächst schneller, als wir Material bekommen können.“ Die Corona-Krise habe diese Probleme verschärft, weil während des „Lockdowns“ die Produktion still stand oder zumindest schleppend verlief.

Und ein weiterer Aspekt habe die Entwicklung forciert: „Das schöne Wetter. Da ist ganz wichtig“, weiß der Händler-Profi. Ist schönes Wetter, denken viele ans Fahrrad. „Seit März hatten wir keine drei Regentage am Stück. Das Wetter ist in jedem Jahr ein ganz entscheidender Impuls.“

Konsequenz der großen Nachfrage und des eingeschränkt lieferfähigen Marktes: Wartezeiten sind programmiert. Zumindest für Interessenten, die spezielle Wünsche habe. Sieber sagt, er habe in seinem Geschäft immer noch eine größere Zahl von E-Bikes frei. Aber wenn ein Kunde sage, er wolle einen bestimmten Rahmen, diese oder jene Farbe, einen bestimmten Motor, dann könne es gut Frühjahr 2021 werden, bis der Drahtesel lieferbar ist.

Bei den klassischen Rädern, bei denen kein Elektromotor hilft, sondern das völlig eigenständige Treten in die Pedale erforderlich ist – Sieber spricht von „Muskel-Bikes“ – ist die Lieferung noch schwieriger. „Da wird es auf jeden Fall 2021“, macht er klar.

Auch wenn rund 85 Prozent der Kunden mittlerweile ein E-Bike wollen – Sieber ist gewiss: „Das normale Rad stirbt nicht aus.“

Ein neuer Trend stehe übrigens schon am Horizont: das „Gravel-Bike“. Dabei handelt es sich laut Sieber um ein Rennrad, das so modifiziert wird, dass es geländetauglich wird.

Aber aktuell dreht sich fast alles um die E-Bikes. Diese sind übrigens kein ganz billiges Vergnügen, sagt Sieber. Er rät seinen Kunden, für diese Investition zwischen 2700 und 3500 Euro anzusetzen. „Unter 1500 Euro bekommen Sie ein E-Bike, das fürs Flachland geeignet ist. Aber nicht für unsere Gegend, für diese Topographie. Wir haben Hügel, da braucht man ein leistungsfähiges E-Bike“.

Mit der Anschaffung ist es dann noch nicht getan. Wer sein E-Bike liebt – der lässt es pflegen. Sieber sagt, als Schätzwert sollte man von 50 bis 100 Euro an Wartungskosten pro Jahr ausgehen.

Die „Muskel-Bikes“ sind da schon günstiger. Der Zweibrücker Händler sagt, für 800 bis 1000 Euro gebe es schon sehr überzeugende Fahrräder.

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