Landtagswahl in Rheinland-Pfalz Politologen spüren keine Wechselstimmung

Mainz · 30 Jahre SPD-Regierung im strukturell konservativen Rheinland-Pfalz. Wie geht das? Eine Wechselstimmung ist nach Einschätzung von Fachleuten auch vor dieser Landtagswahl nicht zu spüren. Die CDU ist dennoch siegesgewiss.

 Der frühere CDU-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernard Vogel (links) steht mit der amtierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sowie ihren Vorgängern Rudolf Scharping (rechts) und Kurt Beck (Mitte) an dessen 70. Geburtstag in der Mainzer Staatskanzlei zusammen. Die drei SPD-Politiker regieren das Bundesland seit 30 Jahren.

Der frühere CDU-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Bernard Vogel (links) steht mit der amtierenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer, sowie ihren Vorgängern Rudolf Scharping (rechts) und Kurt Beck (Mitte) an dessen 70. Geburtstag in der Mainzer Staatskanzlei zusammen. Die drei SPD-Politiker regieren das Bundesland seit 30 Jahren.

Foto: dpa/Andreas Arnold

  Ob Bundestag, Europaparlament oder Kommunalwahl: Die CDU schneidet in Rheinland-Pfalz in der Regel besser ab als die SPD. „Dieses Land ist – so sehr ich es liebe – kein in der Wolle sozialdemokratisch gefärbtes Land“, stellt SPD-Landtagsfraktionschef Alexander Schweitzer fest. Trotzdem regieren die Sozialdemokraten seit drei Jahrzehnten im Land – und es gibt nach Einschätzung von Experten auch keine Wechselstimmung. Wie kommt das?

Politikwissenschaftler Uwe Jun nennt drei Gründe: Die Regierungschefs selbst, die FDP und einen pragmatischen Regierungsstil. „Rudolf Scharping, Kurt Beck und Malu Dreyer sind Personen, die im bürgerlichen Spektrum als wählbar erscheinen und respektiert werden“, stellt der Professor von der Universität Trier fest.

„Die FDP ist relativ stark in Rheinland-Pfalz, das liegt auch an den vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land“, sagt Jun. So sei die FDP öfter an der Landesregierung beteiligt gewesen – und anders als in anderen Bundesländern und im Bund – seit 1991 immer an der Seite der SPD. Nur zweimal habe sie es nicht in den Landtag geschafft: 1983 nach dem Koalitionswechsel im Bund und 2011 als die gesamte Partei im Tief gewesen sei. Zwar sei die Spitzenkandidatin Daniela Schmitt noch weitgehend unbekannt, aber es gebe durchaus eine relativ stabile Wählerbasis.

Anders als etwa in Nordrhein-Westfalen habe die SPD in Rheinland-Pfalz zudem nie „eine ideologische Linie“ in den Vordergrund gestellt. „Die Regierungen waren immer vom Pragmatismus getragen“, sagt Jun. „Das ruft wenig Widerstand im bürgerlichen Lager hervor.“

Politikwissenschaftler Kai Arzheimer hält die Person der Ministerpräsidentin für den wesentlichen Grund; sie führt seit 2013 die Regierung an. „Dass die SPD in Rheinland-Pfalz immer noch so stark ist, hat direkt mit der Ministerpräsidentin zu tun“, sagt der Forscher von der Universität Mainz. „Selbst viele CDU-Wähler hätten sie weiter gerne als Ministerpräsidentin.“

Die CDU habe Dreyer in den vergangenen Jahren mit ihren Kandidaten Julia Klöckner und Christian Baldauf nur wenig entgegenzusetzen gehabt, sagt Arzheimer. Baldauf sei gegenüber Klöckner noch im Nachteil, „weil er weniger bekannt ist als sie“. Der Politologe sieht noch einen anderen Grund für die Entwicklung: „Der strukturelle Konservatismus liegt auch schon einige Jahre zurück. Die absolute CDU-Mehrheit endet in den 1980er Jahren.“ Ein wesentlicher Grund: „Die CDU ist sehr gut darin, sich selbst zu zerlegen.“

„Die SPD hat es immer wieder hingekriegt, mit Spitzenkandidaten zu arbeiten, die ihr die noch fehlenden Prozentpunkte zum Sieg eingebracht haben“, stellt auch Politikwissenschaftler Jürgen Falter fest. „Kurt Beck hat gegenüber Julia Klöckner fünf Prozentpunkte aufgeholt und Malu Dreyer hat ähnliches geschafft.“ Klöckner habe sogar den fast sicher geglaubten Wahlsieg vor fünf Jahren noch verloren. „Es war ein genialer Schachzug von Beck, Malu Dreyer zu holen. Damit hatte ja zunächst niemand gerechnet“, sagt Falter. „Das sind beziehungsweise waren extrem glaubwürdige und in breiten Kreisen auch akzeptierte, positiv bewertete Spitzenkandidaten.“

„Die SPD weiß, dass Rheinland-Pfalz ein struktur- und wertkonservatives Land ist und richtet sich in ihrer Politik sehr stark danach“, sagt Falter, der Senior-Forschungsprofessor an der Uni Mainz ist.

„Dazu kommt die über Jahrzehnte anhaltende Schwächung der CDU wegen der Wilhelm-Vogel-Affäre“, sagt Falter. „Der Landesverband hatte sich ja regelrecht zerlegt: Nord gegen Süd, Vogel- gegen Wilhelm-Anhänger. Das ist viel besser geworden, zeigt aber immer noch Nachwehen.“ Auf dem CDU-Landesparteitag war Ende 1988 ein heftiger innerparteilicher Streit eskaliert, und der damalige Umweltminister Hans-Otto Wilhelm zum neuen Landesparteichef gewählt worden. Der unterlegene Bernhard Vogel trat als Regierungschef zurück.

„In den ersten 15 Jahren nach dem Regierungswechsel 1991 waren wir nicht geschlossen, keine Einheit“, sagte Baldauf der dpa. Dazu seien vier Jahre gekommen, in denen die CDU-Finanz-Affäre habe aufgearbeitet werden müssen. Es ging um die illegale Verwendung von Fraktionsfinanzen für Partei beziehungsweise Wahlkampfzwecke. „In der geschlossenen Konstellation wie jetzt sind wir erst seit zehn, zwölf Jahren unterwegs.“

Im letzten Landtagswahlkampf sei seine Partei am Ende „ausmobilisiert gewesen“. „Wir haben zu früh zu viel gemacht. Das ist diesmal anders und die Motivation sehr hoch.“

CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner und ihr Wahlkampfteamhatten 2016 wenige Wochen vor der Wahl zur Lösung der Flüchtlingskrise einen Plan A 2 entwickelt, um Merkels Politik „zu ergänzen“ – und damit sicher geglaubte Stimmen verloren.

Diesmal rechnet sich Baldauf gute Chancen aus: „Ich bin zuversichtlich, dass wir 35 Plus holen.“ Dreyer greift er im Wahlkampf nicht direkt an. „Aber ihre Politik - und das ist in Zeiten von Corona vor allem die Bildungspolitik.“

(dpa)
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