Plastiktüten nur noch gegen Gebühr?

Essen/Saarbrücken · Soll man Kunden nach dem Kleider- oder Anzugkauf aus Umweltgründen noch Geld für die Plastiktüte abknöpfen? Die Handelsbranche ist in dieser Frage gespalten. Händler fürchten auch um den Verlust einer Werbefläche, wenn Einkäufe künftig im anonymen Beutel landen.

. Der deutsche Einzelhandel sucht nach einer Strategie im Kampf gegen die Plastiktüte. Ins Visier geraten ist vor allem die Flut kostenlos an den Kunden abgegebener Tüten, für die künftig eine Gebühr verlangt werden könnte. Einige Händler wie etwa der Düsseldorfer Textilfilialist C&A oder der Textildiscounter KiK sind schon aktiv und wollen die ungeliebte Plastiktüte ganz verbannen oder den Kunden dafür zur Kasse bitten. Doch es gibt auch Bedenken.

Allein 500 Tonnen des Kunststoffs Polyethylen könnten durch den ab 1. Oktober zunächst in den 2800 Filialen in Deutschland, Österreich und den Niederlanden geplant Verzicht auf Plastiktüten eingespart werden, hieß es etwa beim Textildiscounter KiK . Plastiktüten stehen in der Kritik, weil sie sich in der Natur praktisch nicht zersetzen und Kleinteile von Seetieren wie Fischen oder Vögeln gefressen werden.

Beim Handelsverband Deutschland (HDE) will man auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Läden setzen. Danach sollen künftig alle Tragetaschen nur noch gegen eine Gebühr abgegeben werden. Doch auch 100 000 deutsche Händler sollen bei einer Mitgliederbefragung zu Wort kommen. Die Ergebnisse einer von dem Verband angestoßenen Befragung werden in den kommenden Wochen vorgelegt, so HDE-Geschäftsführer Kai Falk.

Andere Händler haben Bedenken. "Wenn jemand einen Herrenanzug für 499 Euro kauft, schaut er ziemlich entgeistert, wenn er dann für die Tüte zur Kasse gebeten werden soll", formuliert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des deutschen Textileinzelhandels (BTE), Jürgen Dax, die Bedenken. Zusammen mit Branchen wie Juweliere oder Parfümerien stünden die Textilhändler bei dem Thema vor ganz anderen Problemen als etwa der Lebensmittelhandel.

Textilien könne man nicht "in den Einkaufskorb stecken zwischen Zwiebeln und Kartoffeln". Zudem sei in der Regel keine Möglichkeit zum knitterfreien Transport vorhanden. "Wer geht schon mit einem Koffer in die Stadt?", fragt Dax. Zudem seien die bedruckten Tragetaschen ein wichtiges Marketinginstrument.

Hintergrund der Diskussion ist ein Vorstoß der EU zur Drosselung des Verbrauchs an umweltschädlichen Plastiktüten. Künftig sollen sich die EU-Staaten nationale Ziele zur Verminderung setzen. Bis Ende 2019 dürfen pro Kopf und Jahr nur noch 90 Plastiktüten verwendet werden. Bis 2025 soll der Wert auf 40 pro Jahr sinken.

Deutschland stehe mit einem Verbrauch von 71 Tüten pro Kopf und Jahr im internationalen Vergleich schon heute "relativ gut" gut da, argumentiert der Handelsverband HDE. Nach Zahlen von 2010 lag der durchschnittliche Verbrauch in der EU bei 198 Tüten pro Person und Jahr. Umweltschützer hatten in diesem Sommer zu einem plastiktütenfreien Tag aufgerufen und eine Abgabe auf Einwegtüten gefordert. Die Grünen setzen sich für eine Verbrauchsabgabe von 22 Cent je Tüte ein.

Von "überwiegend positiven" Kundenreaktionen bei der Abschaffung kostenloser Plastik-Abreißbeutel berichtet der Chef der Drogeriemarktkette dm, Erich Harsch. Die abschließende Entscheidung über den Verzicht auf die Gratis-Beutel hat das Unternehmen jedoch den jeweiligen Märkten vor Ort überlassen.

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