Piano-Delikatessen

Nancy · Der Jazz lebt! Und Zukunft hat er auch. Die Nancy Jazz Pulsations liefern derzeit überzeugende Belege. Bei der grandiosen Soirée Jazz Piano in der Salle Poirel nahmen zwei junge Pianisten die Ovationen des Publikums entgegen. Ein Franzose und ein Israeli brillierten, jeder auf seine Weise, in einem klassischen Jazz-Segment, der Kunst des Trios.

Seit Samstag pulsiert der Jazz wieder in Nancy , seit 42 Jahren nun schon. Alles wie gehabt: In der schönen lothringischen Metropole wird im Oktober ein musikalisches Fass aufgemacht. Darin spritzt, dampft und brodelt so ziemlich alles, was die Weltmusik hergibt. Die Jünger der reinen Jazzlehre sind zwar nicht erklärte Zielgruppe. Aber auch sie finden in der Wühltheke der Sounds und Stile Hörgenüsse, die die Anreise lohnen. Vor allem das Jazzpiano ist prominent vertreten. Stars wie Brad Mehldau und Jacky Terrasson und Hoffnungsträger wie Nitai Hershkovits und Laurent Coulondre erfüllen auch die Ansprüche verwöhnter Jazz-Gourmets.

Einen edlen Wettstreit junger Tasten-Artisten erlebte die ausverkaufte Salle Poirel. Dabei prallten zwei unterschiedliche stilistische Konzepte aufeinander. Der 26-jährige Franzose Laurent Coulondre folgt mit seinem Trio einem kühl-intellektuell inszenierten Gegenwartsjazz-Ideal. Süffige, singbare Melodien werden konsequent vermieden. Die Stücke sind artifiziell durchkalkuliert und wirken in ihrer verkopften Konstruiertheit bisweilen etwas spröde. Coulondre spielt Klavier und Orgel, nicht selten beides gleichzeitig. An Klangfarbe fehlt es also nicht, an Virtuosität auch nicht. Man staunt über die perfekte Ensemblearbeit, über hohe instrumentelle Fertigkeiten und über manche überraschende Idee. Musik dieser Art wird respektiert, aber die Herzen fliegen ihr nicht zu.

Ganz anders das Avishai Cohen Trio aus Israel. Der weltweit geschätzte Bassist aus Jerusalem, sein kongenialer Pianist Nitai Hershkovits und Drummer Daniel Dor entfachten mit ihrer Performance helle Begeisterung und durften erst nach der fünften Zugabe gehen. Da tat sich ein ganzer Kosmos des Piano-Trio-Jazz auf: schmiegsame melodische Linien mit folkloristischen, romantischen und jazzigen Verbrämungen, verblüffende Rhythmus- und Tonartwechsel, aparte Dur-Moll-Übergänge und eine Klangschönheit, wie sie nicht viele Jazzbands erzeugen. Die Musik dieses fulminanten Trios schafft den Spagat: Sie bewegt sich auf der Höhe der Zeit, ohne die Jazz-Tradition zu verleugnen. Avishai Cohen ist der Kopf dieses beeindruckenden israelischen Triumvirats. Er schreibt die Songs und ist mit seinem fleischig-sonoren Basston der herausgestellte Solist. Auch seine gelegentlichen Gesangseinlagen ("Nature Boy") gefallen. Einen kongenialen, den Gruppensound prägenden Partner hat Cohen in dem 27-jährigen Pianisten Nitai Hershkovits. Seine Anschlagskultur erinnert an Brad Mehldau. Mit Esprit und vollendetem Formgefühl legt er die Soli und die Ornamente an. Hörgenuss mit Suchtfaktor!

Noch bis 17. Oktober. Für Jazz Freaks besonders attraktiv: Stéphane Belmondo (13.10.) und Jacky Terrasson (14.10.) in der Manufacture sowie Maceo Parker (16.10.) und Marcus Miller (17.10.) im Chapiteau.

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