Paukenschlag am Pavillon

Merzig/Saarbrücken · Ein radikaler Bruch: Das Merziger Unternehmen Kohlpharma zieht sich völlig aus dem Kultursponsoring zurück. Hintergrund ist der Streit zwischen der Firma und der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, die Kohlpharma vorwirft, ihr 600 000 Euro zu schulden. Betroffen vom Rückzug könnten unter anderem die Musikfestspiele Saar sein.

 Der Beton des Anstoßes: Am Vierten Pavillon hat sich der Streit zwischen Sponsor Edwin Kohl und der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz entzündet. Foto: Oliver Dietze

Der Beton des Anstoßes: Am Vierten Pavillon hat sich der Streit zwischen Sponsor Edwin Kohl und der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz entzündet. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Eine kurze Pressemitteilung ist es, aber mit wuchtiger Wirkung: "Kohlpharma wird sich aus dem Kultursponsoring im Saarland komplett zurückziehen." Das vermeldete gestern das Unternehmen, das in der Vergangenheit unter anderem "Musik & Theater Saar" unterstützt hat - dessen Leiter Joachim Arnold war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Vor allem hat Kohl die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK) unterstützt - dort liegt auch der Grund für den radikalen Bruch. Unternehmenschef Edwin Kohl hatte 2011 das SSK-Kuratorium verlassen, da er die Auseinandersetzungen um den Vierten Pavillon als "geschäftschädigend" empfindet (wir haben mehrfach berichtet).

Ursprünglich wollte Kohl-pharma für die Stiftung die Zinsen für einen Kredit übernehmen, mit dem der Vierte Pavillon finanziert wird und 1,8 Millionen Euro zahlen. Nach dem Zerwürfnis mit dem Kuratorium und besonders Interims-Museums-Chef Meinrad Maria Grewenig trat Kohl im März 2013 von seinem Sponsorenvertrag zurück und zahlte damit 600 000 Euro weniger als zuvor vereinbart. Mehrere Einigungsversuche sind bislang gescheitert; mittlerweile erwägt die Stiftung, das Geld einzuklagen. Darauf hat Kohl nun mit dem kompletten Rückzug aus dem Kultursponsoring an der Saar reagiert. Lieber wolle sich die Unternehmensgruppe, so heißt es in der gestrigen Erklärung, "auf den Ausbau zukunftsfähiger Geschäftsmodelle konzentrieren und damit neue Arbeitsplätze schaffen".

Bestehende Verträge würden erfüllt, heißt es in der Stellungnahme. Damit ausdrücklich nicht gemeint ist der Sponsorenvertrag mit der Stiftung, denn der sei, so die Pressestelle der Firma auf Nachfrage, "von Seiten Kohlpharmas gekündigt". Weitere Anfragen, etwa nach den vom Rückzug Betroffenen, wollte das Unternehmen nicht beantworten und begründet das mit Vertrags-Interna.

In der Stellungnahme heißt es: "Ausschlaggebend für den Rückzug ist die Summe der negativen Erfahrungen mit dem Interimsvorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz Grewenig und der in jüngster Zeit vom Ministerium für Bildung und Kultur über eine Zeitung erzeugte unnötige Druck, der weitere Verhandlungen unmöglich macht." (Gemeint ist wohl die Saarbrücker Zeitung). Zudem hätten "jüngste Presseartikel verschiedene Sachverhalte nicht korrekt wiedergegeben". Welche das sein könnten, bleibt im Dunkeln. Kohlpharma erklärt: "Die auf falschen Tatsachenbehauptungen beruhende Skandalisierung des Baus lässt ein Engagement als Sponsor nicht mehr zu."

Gestern Nachmittag hat Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD ), zugleich Kurator der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz , auf Kohlpharmas Erklärung reagiert und drängt weiterhin auf Vertragserfüllung . Die Stiftung gehe "nach wie vor davon aus, dass der Sponsoringvertrag Bestand hat". Bis zuletzt habe man miteinander Gespräche geführt - dies betont auch Kohlpharma in ihrer Stellungnahme - über eine "einvernehmliche Ausgestaltung der vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit". Diese Gespräche könne man "selbstverständlich" bis zum "Ablauf der vom Kuratorium gesetzten Frist" (gemeint ist laut Kultusministerium Ende 2014) weiterführen; danach aber werde die Stiftung "die ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten prüfen".

Einer der Kulturschaffenden, den der Rückzug des Unternehmens treffen könnte, ist Robert Leonardy , Intendant der Musikfestspiele Saar . Im Programmheft des kommenden Festivals steht Kohlpharma weit oben auf der Sponsorenliste; schriftliche Verträge gebe es nicht, sagte Leonardy, bisher habe immer ein Handschlag genügt. "Das Ganze ist eine Katastrophe für das Land und auch für uns", sagt Leonardy. Er hofft allerdings, dass man Kohl, "einen Wohltäter und einen der wichtigsten Köpfe des Landes", davon überzeugen kann, die Dinge weiterhin zu unterstützen, "die aus seiner Sicht gut liefen. Denn mit dem Vierten Pavillon haben wir ja wirklich nichts zu tun."

Meinung:

Ungerechte Gleichmacherei

Von SZ-RedakteurOliver Schwambach

Sein Geld, seine Entscheidung: So schlicht kann man das sehen, wenn Edwin Kohl nun ankündigt, er beende jegliches Kultursponsoring im Saarland. Rigoros. Und ja, man kann seinen Groll sogar verstehen: Es waren die ursprünglichen Planungen für eine großzügige Erweiterung der Modernen Galerie samt zugehöriger Konzeption des früheren Stiftungsvorstands Ralph Melcher , die den Merziger Unternehmer wohl so faszinierten, dass er viel Geld für diese saarländische Kulturinstitution geben wollte. Der Anbau aber wurde zum Problembau, Melcher jagte man - ob Spesenrittertums zu Recht, in puncto Museumsbau zu Unrecht - aus der Stiftung. Viel blieb nicht von dem, weshalb Kohl sich engagieren wollte. Warum noch zahlen? Ganz einfach, weil Kohlpharma einen Vertrag eingegangen ist. Deshalb muss die Stiftung hier auch beharrlich sein - und falls der Vertrag eindeutig ist, den Anspruch notfalls einklagen.

Dass Edwin Kohl nun als einer der raren großen Geldgeber für Kultur im Lande obendrein allen Kulturveranstaltern im Lande die Freundschaft aufkündigt, ist im höchsten Maße ungerecht. Was können die Musikfestspiele, was kann Musik & Theater Saar für das Museumsdebakel? Nichts. Warum straft er sie dann so?

Vor allem aber zeigt sich hier: Es ist verheerend, dass sich das Land bei der Finanzierung von bedeutenden Kulturträgern mittlerweile so sehr auf Sponsoren verlässt. Denn private Geldgeber dürfen wankelmütig werden, dürfen dünnhäutig sein. Der Staat darf das aber nicht. Darum können Sponsorengelder wohl Zubrot für die Kultur sein, satt wird sie davon aber niemals.