Nano Magensäure und Immunzellen kämpfen gegen Nanopartikel

Saarbrücken · Geringe Mengen der industriell zugesetzten Nanostoffe in unserer Nahrung durchdringen die Magen-Darm-Barriere. Ob sie krank machen, ist unklar.

 Diese Aufnahme zeigt, dass sich Nanopartikel aus Lebensmitteln an Darmbakterien anheften. Das haben jetzt erstmals deutsche Forscher nachweisen können.

Diese Aufnahme zeigt, dass sich Nanopartikel aus Lebensmitteln an Darmbakterien anheften. Das haben jetzt erstmals deutsche Forscher nachweisen können.

Foto: Uniklinik Duisburg-Essen

(ml) Ein Einblick in den Stand der noch dünnen Forschung zu Nanopartikeln in Lebensmitteln und den möglichen Auswirkungen auf unsere Gesundheit ist im Internet auf dem Portal des Netzwerks für chemische Technik und Biotechnologie in Deutschland, Dechema, zu finden (https://dechema.de). Zu dem Projekt haben sich mehrere Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen.

Man weiß bereits, dass Nanomaterialien über den Magen-Darm-Trakt ins Blut und somit in alle Regionen des Körpers gelangen können. Es handelt sich nach heutigen Erkenntnissen jedoch um sehr kleine Mengen. Deren Wirkung wird daher bisher als unbedenklich eingestuft.

Die Experten gehen davon aus, dass Nanomaterialien nur in „ganz wenigen Ausnahmen“ den Magen unbeschadet passieren können. Zum einen löse die Magensäure in der Nahrung enthaltene Nanopartikel aus bestimmen Metallen (wie Kupfer und Silber) oder einige Metalloxiden (wie Kupferoxid oder Zinkoxid) teilweise oder sogar vollständig auf. Zum anderen könne die dicke Schleimschicht des Magens Nanoteilchen zurückhalten.

Untersuchungen haben gezeigt, dass beispielsweise zehn Prozent von verabreichten Silber-Nanopartikeln durch die Magen-Darm-Barriere gelangten, jedoch keine Auswirkung auf die Gesundheit hatten. Silber wird in Süßigkeiten, Pralinen und Likören als Farbstoff eingesetzt. Dennoch fehlt es an eindeutigen Forschungsergebnissen. „Daher sind Simulationsversuche mit künstlicher Magensäure wichtig“, erklären die Wissenschaftler.

Der menschliche Darm hat aufgrund seiner Länge (5,5 bis 7,5 Meter) und seiner Ausstülpungen (Darmzotten) eine Oberfläche von ungefähr zehn Quadratmetern. Berücksichtigt man auch die Mikrozotten (Mikrovilli) auf den Zotten, ergibt sich eine Oberfläche von 400 bis 500 Quadratmetern. Diese riesige Fläche ermöglicht die effektive Aufnahme von winzigen Nährstoffen und Vitaminen ins Blut, aber auch von Arzneimitteln, Giften und Nanopartikeln.

Studien mit Freiwilligen haben gezeigt, dass Titandioxid in Nanogröße, das Lebensmittel weißer färbt, nur schlecht über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird. In Versuchen mit Mäusen im Jahr 2016 hat Titandioxid jedoch eine bereits bestehende akute Darmentzündung verstärkt. Der Stoff gelangte infolge einer gestörten Darmbarriere ins Blut und wurde in der Milz abgelagert. Das 13-köpfige Forscherteam der Universität Zürich rät daher Patienten mit chronischen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, Nahrungsmittel mit Titandioxid (E 171) zu meiden.

Ebenfalls in Tierversuchen hat sich gezeigt, dass sich Nanopartikel in speziellen Bereichen der Dünndarmschleimhaut, den Peyer’schen Plaques, anreichern können. Möglicherweise gelangen die Partikel von dort in den Blutkreislauf. Allerdings ist die Menge der angereicherten Nanopartikel sehr gering.

Nach derzeitigem Kenntnisstand ist es wahrscheinlich, dass Nanopartikel aus der Nahrung, die bei gesunden Menschen bis in den Darm gelangen, über den Stuhl wieder ausgeschieden werden – wie andere Stoffe auch, die der Körper nicht benötigt, darunter Ballaststoffe.

Auch aus der Arzneimittelforschung kommen Hinweise zur Wirkung von Nanopartikeln im Körper. Um Krankheiten, darunter Krebs, zu bekämpfen, werden auch Nanopartikel ins Blut injiziert. Damit die Teilchen länger im Blut zirkulieren und sich in höherer Konzentration überhaupt an einem Tumor anreichern können, müssen sie mit einem speziellen Überzug geschützt werden. Ansonsten fallen sie zu über 90 Prozent der Immunabwehr zum Opfer.

Beispielsweise werden 60 bis 90 Prozent der ungeschützten Nanopartikel von Immunzellen der Leber aufgenommen, zwei bis 20 Prozent von der Milz, die unter anderem Krankheitserreger aus dem Blut herausfiltert, der Rest größtenteils von anderen Zellen des Immunsystems, die im ganzen Körper verteilt sind, auch im Blut, Knochenmark, Bindegewebe, Gehirn, in der Lunge und den Lymphknoten.

Die oben erwähnte Studie der Mainzer und Duisburger Mediziner deutet allerdings darauf hin, dass sich Krankheitserreger mit Nanopartikeln „tarnen“ können und dadurch fürs Immunsystem nicht richtig erkennbar sind. Die Gefahr von Entzündungen steigt dadurch.

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