Frankreichs Regierungspartei Ein „Macron-Boy“ soll bessere Zeiten bringen

PARIS Kennt noch jemand den schlanken, jungen Mann, der vor dem Wahlkampfauftritt von Emmanuel Macron im Pariser Konzertsaal Bercy das Publikum einschwor? Stanislas Guerini, der Einheizer von damals, soll diesen Samstag zum neuen Parteichef von Macrons La République en Marche (LREM) gewählt werden.

 Stanislas Guerini soll in Paris zum Chef der Macron-Partei LREM gewählt werden.

Stanislas Guerini soll in Paris zum Chef der Macron-Partei LREM gewählt werden.

Foto: picture alliance/dpa/dpa Picture-Alliance / Thomas Padilla

Zwischen dem Parteitag in Nogent-sur-Marne und dem Auftritt anderthalb Jahre zuvor in Paris liegen Welten. Und diese Welten muss der 36-Jährige an der Spitze der Partei überwinden.

Die Euphorie des Wahlkampfs und der ersten Monate ist inzwischen Ernüchterung gewichen. Besonders brutal dürften das die Delegierten im Pavillon Baltard zu spüren bekommen, wenn parallel zum Parteitag 20 Kilometer weiter westlich auf den Champs-Elysées die Gelbwesten demonstrieren. Jene „Gilets jaunes“, die den Rücktritt des Parteigründers Macron fordern. Für Guerini kein guter Zeitpunkt, um „Generaldelegierter“ der Präsidentenpartei zu werden. Vor allem, wenn man wie er zu jener Garde gehört, die den Präsidenten von Anfang an unterstützt hat.

Die späteren „Macron-Boys“ hatten sich 2006 zunächst um den sozialistischen Kandidaten Dominique Strauss-Kahn geschart. Als sein Favorit parteiintern gegen Ségolène Royal unterlag, zog sich Guerini aus der Politik zurück und gründete eine Firma für Solarpaneele. Seine Freunde von damals holten ihn zurück, nachdem Macron seine Präsidentschaftskandidatur erwog. 2016 gehörte der hagere Mann mit dem Vollbart und der hohen Stirn zu den Gründern der Bewegung En Marche. Seinem frühen Engagement ist es nun zu verdanken, dass der Abgeordnete den Parteivorsitz kampflos übernehmen kann. Der einzige aussichtsreiche Gegenkandidat Pierre Person zog seine Kandidatur zurück – möglicherweise auf Druck Macrons. In Zeiten, in denen der unbeliebt gewordene Präsident Druck von der Straße bekommt, schien ein Bruderkampf in seiner Partei zu gewagt zu sein. Gegen Guerini kandidiert nun nur der chancenlose Kandidat Joachim Son-Forget.

Nachdem Guerinis Vorgänger Christophe Castaner die Partei noch neben seinem Ministeramt geleitet hatte, soll der LREM-Vorsitz ab sofort ein Vollzeitjob sein. Das ist auch dringend nötig, denn der jungen Formation fehlt es ein halbes Jahr vor der Europawahl am Engagement ihrer rund 400 000 Mitglieder. Weniger als zehn Prozent sollen inzwischen noch für die Partei aktiv sein, die hauptsächlich in den großen Städten verankert ist.

Auf dem Land, wo der Protest der Gelbwesten zu Hause ist, hat LREM keine Wurzeln. Guerini will das nun ändern. „Die erste Aufgabe liegt darin, die lokale Verankerung zu stärken“, sagte der Absolvent einer Wirtschaftshochschule der Zeitung „Le Monde“. Dass er den Posten in schwierigen Zeiten übernimmt, ist dem zweifachen Vater bewusst. „Man sollte den Augenblick kollektiver Schwierigkeiten nicht leugnen, den wir durchleben.“

Nachdem LREM lange als monolithischer Block wahrgenommen wurde, der sich widerspruchslos um Macron schart, beginnt die Front zu bröckeln. So widersetzten sich mehrere Abgeordnete im Streit mit den Gelbwesten der Linie Macrons und forderten, die für 1. Januar geplante Erhöhung der Ökosteuer auf Benzin auszusetzen. Die Parlamentarierin Sonia Krimi schlug sich sogar offen auf die Seite der „Gilets jaunes“ und empfing eine Delegation in einer gelben Rettungsweste. Fraktionschef Gilles Le Gendre legte ihr daraufhin den Austritt nahe.

Kritik am Stil der Regierungspartei äußerte auch die Abgeordnete Frédérique Dumas, die im September zu ihrer früheren Partei UDI zurückkehrte: „Sogar seine Meinung zu sagen, wird als Verrat angesehen, wenn sie nicht konform ist.“

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