Mögliches Freiland-Verbot von Insektiziden
Wie Pflanzenschutzmittel Bienen vergiften

Die potenziell tödliche Gefahr lauert in Blütenpollen und Nektar, im aufgewirbelten Staub bei der Aussaat, im Wasser: Auf unterschiedlichen Wegen nehmen Bienen für sie gefährliche Neonicotinoide auf. Diese Mittel können die Insekten Experten zufolge bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder Lernvermögen und Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen.
Landwirte setzen die Pestizide als Saatgutbeizmittel ein, um die angebauten Pflanzen vor Schädlingen zu schützen. Damit können sie aber Bienen schaden. Das ist keine neue Erkenntnis und wurde jetzt durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in einem gestern veröffentlichten Bericht verdeutlicht. Die Experten der Behörde mit Sitz im italienischen Parma werteten diverse wissenschaftliche Studien zu dem Thema aus. „Insgesamt wurde das Risiko für die drei bewerteten Bienentypen bestätigt“, sagte der der Leiter der Bereichs Pestizide der Efsa, Jose Tarazona. Untersucht wurde die Gefahr für Honig- sowie Wildbienen und Hummeln.
Bereits im Dezember 2013 wurde der Einsatz von Neonicotinoiden EU-weit beschränkt. Die drei Insektizide dürfen etwa nicht auf Rapssaat und beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken angewendet werden. Alles Pflanzen, die von Bienen gerne besucht werden. Doch es gibt zahlreiche Sondergenehmigungen, etwa für Wintergetreide. Der Beschluss vor vier Jahren ging ebenfalls zurück auf eine Risikobewertung der Efsa. Die Behörde erhielt jedoch damals den Auftrag, weitere Erkenntnisse zur Wirkung der entsprechenden Insektizide mit den sperrigen Namen Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zu sammeln. 2016 hat die Efsa dann eine erste überarbeitete Version der Empfehlung veröffentlicht, auf deren Basis die EU-Kommission vor knapp einem Jahr ein komplettes Freiland-Verbot vorgeschlagen hatte. Ein Bann von den Feldern, Gewächshäuser ausgenommen? Die EU-Staaten wollten für ihre Entscheidung darüber erst den fertigen Bericht abwarten.
Der liegt nun vor. Und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Umweltschutzorganisationen forderten ein Verbot. Die Grünen ebenfalls: „Die Bienengifte müssen jetzt schleunigst vom Acker – der Frühling darf nicht noch stummer werden“, sagte deren Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik, Harald Ebner. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte: „Die EU-Mitgliedstaaten sollten über so ein Verbot bald abstimmen, und die Bundesregierung muss dann Ja sagen.“ Sie gehe davon aus, dass das Ja des für die Abstimmung zuständigen Landwirtschaftsministers auch in einer künftigen Bundesregierung Bestand habe. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte Anfang Dezember in der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ gesagt: Wenn sich in der Efsa-Studie herausstelle, dass die Stoffe schädlich seien, „dann müssen sie komplett verboten werden“. Kritik kam vom Neonicotinoid-Hersteller Bayer. Das Chemie- und Pharmaunternehmen teilte mit, man sei mit den Ergebnissen der Risikobewertung für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin grundsätzlich nicht einverstanden. Die Schlussfolgerungen stünden im Widerspruch zu anderen umfassenden wissenschaftlichen Beurteilungen zur Bienengesundheit.
Mit dem Thema betraute Forscher beurteilen das anders. „Die Efsa gibt aus meiner Sicht die Datenlage der vertrauenswürdigen wissenschaftlichen Literatur ziemlich korrekt wieder“, sagte Randolf Menzel, Neurobiologe von der Freien Universität Berlin. Menzel hat fast sein ganzes Forscherleben Bienen und Hummeln gewidmet.
