„König der Chöre“ Viele Ständchen für den König der Chöre

Stuttgart · Eine Woche lang möchte Gotthilf Fischer seinen 90. Geburtstag feiern – mit jedem seiner Chöre an einem anderen Tag.

 Seit mehr als 75 Jahren dirigiert Gotthilf Fischer Chöre. Weltweit wurden über 16 Millionen seiner Schallplatten verkauft.

Seit mehr als 75 Jahren dirigiert Gotthilf Fischer Chöre. Weltweit wurden über 16 Millionen seiner Schallplatten verkauft.

Foto: dpa/Marijan Murat

Es wird sicher etliche Geburtstagsständchen geben, wenn der „König der Chöre“ an diesem Sonntag 90 wird. Gegen ein „Happy Birthday“ wird sich Gotthilf Fischer auch nicht wehren, versprach er – auch wenn sich der aufgeweckte Jubilar mit den schlohweißen Haaren von jeher als „Hüter des deutschen Liedguts“ versteht. Kaum ein anderer brachte so viele Menschen zum Singen wie der Schwabe. Seinen Neunzigsten feiert er eine Woche lang – mit jedem seiner Chöre an einem anderen Tag.

Auch Titel wie „Herr der singenden Heerscharen“ hat er sich erworben, oder „Therapeut der wunden Seelen“. Mit all dem könne er „sehr gut leben“, betont Fischer, der sich zum Geburtstag noch viele Reisen ins Ausland wünscht. „Wenn ich da etwas Englisches anstimme, sagen die Leute: ‚Singen Sie deutsch’.“ Lieder wie „Im schönsten Wiesengrunde“, „Das Wandern ist des Müllers Lust“ oder „Jetzt gang I ans Brünnele“ seien dort fast bekannter als hier. „Die haben die alle drauf“, freut sich Fischer. Für Moritz Puschke, Geschäftsführer des Deutschen Chorverbands, hat Fischer seinen Teil dazu beigetragen, dass Chorsingen „in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“. Inzwischen seien neue Formate entstanden, und das Repertoire habe sich gewandelt. „Die zentrale Botschaft dabei bleibt: Singen steckt an, Singen verbindet. Dies ist sicherlich auch ganz im Sinne des Jubilars.“

Geboren wird Fischer 1928 in Plochingen, westlich von Stuttgart. Mit 14 gründet Fischer seinen ersten Chor, nach Kriegsende wird er mit 17 Leiter des Gesangvereins Concordia in Deizisau, später Leiter weiterer Gesangvereine. Bundesweit bekannt wird er mit den Fischer-Chören, die 1969 in der ZDF-Sendung „Dreimal neun“ des TV-Moderators Wim Thoelke auftreten. Bald drauf erscheint die erste Schallplatte. Der Weg zum ersten Millionenauftritt war geebnet: 1974 in München, vor dem Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft, lässt Gotthilf Fischer einen Mammutchor von 1500 Menschen auf dem Rasen des Olympiastadions „Eviva Espana“ anstimmen. Es folgen hunderte TV-Auftritte, „Sing mit den Fischer-Chören“ heißt seine eigene Sendung. Es entstehen dutzende Schallplatten. Fischer erinnert sich noch eindrücklich an Besuche im Vatikan. „Mit 300, 400 Sängern im Petersdom – das war ein ganz besonders Erlebnis.“

Rund um die Welt hören zeitweise 62 000 Sangesfreunde, vereint in Freundeskreisen der Fischer-Chöre, auf das Kommando des Schwaben. Weit über 16 Millionen Schallplatten werden weltweit verkauft. „Böse Menschen haben keine Lieder“, das Motto der Fischer-Chöre ist bis heute sein Credo. „Wenn einer singt, ist er fröhlich“, sagt der Jubilar, der sein Alter am liebsten verschweigt. „Einfach nicht dran denken“, dann merke man die 90 Jahre nicht, ist Fischer überzeugt. Seine große Liebe Hilde stirbt im Jahr 2008 im Alter von 89 Jahren und nach 59 Jahren Ehe. Sie bringt 1949 Sohn Herbert mit in die Ehe, gemeinsam bekommen sie noch Renate und Brigitte.

„Ich habe wenige Freunde, dafür aber 1000 gute Bekannte“, sagte er mal und ist sich eine Zeit lang für keine Schlagzeile zu schade: Bei der Love-Parade 2000 macht er Bekanntschaft mit der Modedroge Ecstasy, er springt medienwirksam mit dem Fallschirm ab, besucht den „Big Brother“-Container, singt im Weißen Haus und vor den Pyramiden. Eine Studie des Südwest-
rundfunks (SWR) zeigt: 83 Prozent der Zuschauer können Gotthilf Fischer auf Fotos eindeutig identifizieren. Fischer kommentiert seine hohen Einschaltquoten so: „Die Leute haben doch die Schnauze voll davon, alle zwei Minuten einen Toten im Fernsehen zu sehen.“

Zum eigenen Tod hat Fischer ein sehr offenes Verhältnis: „Ich wünsche mir, eines Tages dirigierend in die Kiste zu fallen“, soll er mal gesagt haben. Oder auch: „Die Zeit wird kommen, wo ich die Engel im Himmel dirigieren darf.“ Gotthilf Fischer sammelt Grabkreuze, seine Fischer-Chöre verteilten etliche als Gastgeschenke in der ganzen Welt. Und auch sein eigenes hat er schon. Es steht neben dem Klavier.

 „Sing mit den Fischer-Chören“ hieß seine eigene TV-Sendung, hier 1977.

„Sing mit den Fischer-Chören“ hieß seine eigene TV-Sendung, hier 1977.

Foto: dpa/dpaweb/dpa

Im kleinen Kreis will der musikalische Autodidakt seinen Geburtstag feiern. Wobei er selbst nicht glaubt, dass es wirklich ein ganz kleiner Kreis bleibt. Dann geht Fischer auf Geburtstagstournee: Eine Woche lang feiere er mit jedem seiner Chöre einzeln – mit vielen Ständchen.

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