„Wir lassen uns das nicht vermiesen“

Berlin/Köln · Sexuelle Übergriffe vor einem Jahr, Terrorangst – an Silvester wurden viele Städte zur Sicherheitszone. Die Stimmung ist nervös, aber die Feierlaune lassen sich viele nicht verderben.

Es scheint, als bewege sich der Boden unter den Füßen. Wörter wie "Frieden", "Heimat" und "Umsicht" sind auf die Kölner Domplatte projiziert. Manchmal bewegen sie sich und man denkt, man steht auf einem schwankenden Schiff. Es ist eine sehr symbolische Art, wie Köln den Jahreswechsel in diesem Jahr zelebriert. Denn schon vor einem Jahr sind nahe des Kölner Doms einige Dinge ins Wanken geraten - die deutsche Willkommenskultur, das Vertrauen in die Polizei , auch irgendwie das viel beschworene kölsche Lebensgefühl. Enthemmte Männergruppen gerieten außer Rand und Band, begrapschten und beraubten Frauen. Unter den Beschuldigten waren viele Flüchtlinge. Die Ereignisse sorgten für Entsetzen.

In diesem Jahr wollten Stadt und Polizei alles besser machen. Die Welt werde an dem symbolträchtigen Tag nach Köln schauen, hieß es. Deswegen hat man auch den Berliner Lichtkünstler Philipp Geist engagiert, um die Gegend um den weltbekannten Dom mit Licht, Nebel und sphärischen Klängen zu einer Attraktion zu machen.Was die Welt an Silvester 2016/17 in Köln allerdings auch sieht, ist sehr viel Polizei . 1500 Beamte sind im Einsatz, zehnmal so viele wie vor einem Jahr. Am Hauptbahnhof setzten Polizisten mehrere hundert verdächtige Männer fest, vornehmlich nordafrikanischer Herkunft. "Wir hatten Personengruppen, die vergleichbar aggressiv waren", sagte Polizeipräsident Jürgen Mathies. Der große Unterschied zum Jahr davor sei gewesen, dass die Polizei diesmal konsequent eingeschritten sei. Auch in Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf, Essen und Münster sichtete und beobachtete die Polizei Gruppen nordafrikanischer Männer.

In Berlin war ebenfalls vieles anders als sonst. Deutschlands größte Silvesterparty wurde mit deutlich mehr Polizei und hinter Betonsperren gefeiert. Ein Terroranschlag vor rund zwei Wochen erschütterte viele Menschen. Dennoch sind viele Besucher aus der ganzen Welt gekommen, um am Brandenburger Tor ins neue Jahr zu feiern. Der Veranstalter spricht von Hunderttausenden. Ob es eine Option gewesen sei, nicht zur Party zu gehen? "Auf keinen Fall. Wir lassen uns das doch nicht vermiesen", sagen zwei Berlinerinnen.

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Hintergrund Als allererste hatten die Menschen auf Samoa und anderen pazifischen Inseln das neue Jahr begrüßt. Punkt elf Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) begann dort 2017. Genau zwölf Stunden vor der deutschen Mitternacht startete dann Neuseeland ins neue Jahr. In der größten Stadt Auckland wurde ein Feuerwerk vom mehr als 300 Meter hohen Sky Tower abgeschossen. In Tokio ließen die Menschen Punkt Mitternacht hunderte weiße Ballons in die Luft steigen. In Thailand waren diesmal Feuerwerke zur Begrüßung des neuen Jahres verboten worden, nachdem die Regierung wegen des Tods von König Bhumibol Adulyadej im Oktober eine einjährige Trauerzeit ausgerufen hatte. In vielen Städten Indiens strömten die Menschen zu Partys im Stile von Bollywood-Filmen. Aus Sorge um Terrorattacken herrschten vielerorts strenge Sicherheitsvorkehrungen. dpa

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