Diskussion um Wolfsnachwuchs Sechs Mischlinge auf der Abschussliste

Nicht Wolf, nicht Hund: Sechs Jungtiere lassen in Thüringen die Emotionen hochkochen. Es geht um einen möglichen Abschuss. Weil der Vater ein Hund und die Mutter eine Wölfin ist.

 Dass Wolf und Hund Nachwuchs bekommen, ist sehr selten. In Thüringen jedoch hat eine Wölfin, wie hier im Bild, sechs Mischlinge geworfen. Jetzt sollen sie zum Schutz der Arterhaltung erschossen werden.

Dass Wolf und Hund Nachwuchs bekommen, ist sehr selten. In Thüringen jedoch hat eine Wölfin, wie hier im Bild, sechs Mischlinge geworfen. Jetzt sollen sie zum Schutz der Arterhaltung erschossen werden.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Erfurt () Jäger bekommen Morddrohungen, Tausende Menschen unterschreiben eine Petition. In den Medien, im Landtag und unter Freunden wird teils mit aggressivem Unterton diskutiert. Was ist da los in Thüringen? Sechs junge Vierbeiner – halb Wolf, halb Hund – sorgen für Streit. Sie sind gerade einmal fünf Monate alt. Trotzdem wird bereits über ihren Abschuss diskutiert.

Eine Wölfin hatte im Wolfsgebiet Thüringens rund um den Bundeswehrübungsplatz Ohrdruf Nachwuchs bekommen. Auf Aufnahmen von Fotofallen waren die Jungen nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums zweifelsfrei als Mischlinge identifiziert worden. Weil ihr Vater ein Haushund sein soll, werden die sechs Jungtiere nun zu einem Problem für den Artenschutz – und angeblich auch für Menschen. Deshalb stehen sie nun potenziell auf der Abschussliste.

Wölfe breiten sich seit sieben Jahren wieder in Deutschland aus. Laut Naturschutzbund Nabu gibt es in Deutschland vermutlich 61 Rudel mit jeweils sieben bis zehn Tieren. Sie kommen hauptsächlich in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor. Wölfe stehen unter strengem Schutz. Dass sie sich mit Hunden paaren, ist extrem selten.

Tun sie es aber einmal doch, gefährdet die Vermischung der Wolf- und Hundegene nach Expertensicht die Wolfspopulation. Deshalb empfahl das bundeseigene Dokumentations- und Beratungszentrum zum Wolf (DBBW) dem Thüringer Umweltministerium ein schnelles Töten der Jungtiere, denen der Labrador-Vater durch das schwarze Fell auch anzusehen sein soll.

Der Aufschrei war groß. Weit über 10 000 Unterschriften haben Abschussgegner mit einer Online-Petition gesammelt. Jäger aus der Ohrdrufer Umgebung berichten im Zusammenhang mit dem Fall über anonyme Morddrohungen gegen sie im Internet. Dabei ist der Abschuss noch keine beschlossene Sache – und schon gar nicht, ob dann Jäger diese Aufgabe übernehmen müssen.

Nach Auffassung des Umweltministeriums müssten die Jungtiere nicht zwangsläufig getötet werden. Sie sollten aber auf alle Fälle „entnommen“ werden, also aus der Natur verschwinden.

Doch selbst Naturschützer halten Alternativen zu einem Abschuss für problematisch. „Einen Freilicht-Zoo mit Hybriden wollen wir nicht“, sagt Silvester Tamás, Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf beim Nabu Thüringen. Der Naturschutzbund stelle sich hinter die Experten des DBBW. Die Tiere einzufangen und in einem Gehege zu halten, sei keine tierschutzgerechte Alternative. Das zeige eine ähnliche Geschichte aus Sachsen, sagt Tamás. Dort hatte die Großtante der Ohrdrufer Wölfin ebenfalls Mischlingswelpen zur Welt gebracht. Sie wurden zum Teil eingefangen und kamen in ein Gehege. Die Hybride – wie die Hund-Wolf-Mischlinge im Fachjargon heißen – litten derart unter der Gehegehaltung, dass sie dann doch getötet wurden. Die sächsischen Welpen waren laut Tamás bislang der einzig wissenschaftlich belegte Fall von Hund-Wolf-Mischlingen in Deutschland.

Tierrechtler halten das Argument des Artenschutzes insgesamt für vorgeschoben. Ein Abschuss sei nicht mit dem Tierschutzrecht zu vereinbaren, heißt es bei der Tierrechtsorganisation Peta. Die von der Organisation und Abschussgegnern vorgeschlagene Option, die Tiere zu sterilisieren und wieder frei zu lassen, löst aber ein weiteres Grundproblem nicht. „Niemand weiß so recht, wie sich die Mischlinge im Bezug auf Menschen verhalten werden – vor allem nicht nach einer Kastration oder Sterilisation“, sagt der Sprecher des Thüringer Umweltministeriums, Tom Wetzling. Durch das Haushund-Gen könnten sie die Scheu vor Menschen verlieren. Dennoch blieben sie potenziell gefährliche Wildtiere.

Einig sind sich alle Seiten bei einem Punkt: Der Mensch habe die Hybriden erst möglich gemacht. „Wegen Zerschneidung der Landschaft durch Siedlungen und Autobahnen kann es anderen Wölfen schwerfallen, nach Ohrdruf zu kommen“, sagt Nabu-Wolfsexperte Tamás. Aber auch den Hundebesitzern vor Ort werden Vorwürfe gemacht. Sie dürften ihre Vierbeiner im Wald nicht frei laufen lassen, monieren auch Jäger.

Über das Schicksal der Mischlinge muss letztlich die höchste Thüringer Naturschutzbehörde entscheiden. Das Landesverwaltungsamt muss nämlich das OK für einen wie auch immer gearteten Sonderantrag auf „Entnahme“ des Umweltministeriums bewilligen. Dabei muss die Behörde dann auch das Tierschutzgesetz im Blick haben. Dort steht: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

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