Mordversuch an einem Obdachlosen?

Berlin · Sieben junge Männer sollen an Weihnachten in Berlin einen Wehrlosen angezündet haben. Jetzt kommen sie vor Gericht.

 Auf dieser Bank in Berlin schlief der Obdachlose, als er mit einem brennenden Taschentuch angezündet wurde. Fotos: dpa

Auf dieser Bank in Berlin schlief der Obdachlose, als er mit einem brennenden Taschentuch angezündet wurde. Fotos: dpa

(dpa) Der Obdachlose schlief in der Weihnachtsnacht zum 25. Dezember auf einer Bank in einem Berliner U-Bahnhof. Was dann geschah, löste deutschlandweit Entsetzen aus. Eine Gruppe junger Männer soll versucht haben, den Ahnungslosen anzuzünden. Vier Monate nach dem Angriff müssen sich nun sechs Verdächtige wegen versuchten Mordes sowie ein siebter Mann wegen unterlassener Hilfeleistung vor dem Berliner Landgericht verantworten. Der Prozess beginnt morgen.

Nur durch das Eingreifen von Fahrgästen einer kurz danach ankommenden U-Bahn konnte im Kreuzberg er U-Bahnhof Schönleinstraße laut Staatsanwaltschaft Schlimmeres verhindert werden. Sie löschten demnach die Flammen, der Obdachlose aus Polen wurde gerettet.

Sechs Verdächtige stammen nach Angaben von Ermittlern aus Syrien, einer aus Libyen. Die Jugendlichen und jungen Männer im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sollen zwischen 2014 und 2016 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sein - mehrere als alleinreisende Minderjährige. Als Haupttäter gilt ein 21-jähriger Syrer. Er soll das Taschentuch mit einem Feuerzeug angezündet und es auf den schlafenden Mann geworfen haben, der mit einer Decke über dem Kopf auf seinem Rucksack lag. Die jungen Männer sollen den Plan spontan und gemeinsam gefasst haben.

Laut Anklage nahmen die Täter in Kauf, dass der Mann Feuer fangen und qualvoll verbrennen würde. Als die Flammen auf den Rucksack und eine Plastiktüte übergriffen, flüchteten sie. Die Männer hätten die Ausbreitung des lodernden Feuers dem Zufall überlassen. In der Anklage wird ihnen vorgeworfen, sie hätten "heimtückisch und grausam versucht, einen M enschen zu töten".

Die Tat war von einer Überwachungskame ra gefilmt worden. Wegen der Schwere des Delikts hatte die Polizei die Fahndung mit Bildern der Männer nur Stunden nach der Tat beantragt. Sie wurde rasch genehmigt. Bald danach stellten sich die Verdächtigen. Dadurch fühlten sich die Unterstützer der Videoüberwachung bestärkt. Der Fall wird in der politischen Debatte um mehr oder weniger Videokameras immer wieder als Beleg angeführt.

Die sechs mutmaßlichen Haupttäter sitzen in Untersuchungshaft. Eine Jugendstrafkammer wird die Vorwürfe prüfen. Sechs der sieben Angeklagten können im Falle eines Schuldspruchs mit einer Strafe nach dem milderen Jugendstrafrecht rechnen. Für den 21-Jährigen gilt das Erwachsenenstrafrecht. Danach wird versuchter Mord mit einer Strafe nicht unter drei Jahren Gefängnis bestraft. Unter Umständen könnte sogar eine lebenslange Gefängnisstrafe verhängt werden. Nach früheren Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft machten die Verdächtigen unterschiedliche Angaben zu ihrer Beteiligung. Demnach sollen sie gestanden haben, in der Nacht in dem U-Bahnhof gewesen zu sein. Dies wäre auch schwer abzustreiten gewesen, hieß es. Es sei auch zu "teilgeständigen Angaben" gekommen. Der 21-Jährige soll erklärt haben, er sei betrunken gewesen und wisse nicht mehr, was passiert sei.

Wo sich der Obdachlose jetzt aufhält und ob er zum Prozess kommt, war unklar. Im Winter suchen viele Obdachlose aus Osteuropa Schutz in Berlin, weil das Hilfssystem in ihrer Heimat schlecht ist - oder es keines gibt.

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