Manhattan – unterkühlt im Hochsommer

New York · Hitzewelle in New York – Zeit, den Winterpullover herauszukramen. Denn während draußen die Temperaturen auf über 30 Grad Celsius klettern, werden die Gebäude drinnen häufig auf die Hälfte heruntergekühlt.

 Ein Mann repariert ein Block-Klimagerät. Davon gibt es in New York sechs Millionen. Foto: dpa

Ein Mann repariert ein Block-Klimagerät. Davon gibt es in New York sechs Millionen. Foto: dpa

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Sommer in New York - das heißt drückende Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit und Winterpullover . Denn während draußen zwischen den Wolkenkratzern Manhattans die Temperaturen oft auf über 30 Grad steigen, die Stadtverwaltung immer wieder Hitze-Warnungen verkündet und dringend zum Wassertrinken rät, bibbern die Mitarbeiter in vielen Bürogebäuden in eiskalter Klimaanlagenluft.

"Ich trage kurze Hosen und in meinem Büro sind es 15 Grad. Ich friere!", schreibt ein New Yorker bei Twitter . Andere veröffentlichen Fotos von sich mit Handschuhen am Computer oder eingepackt in dicke Decken und Pullover bei der Arbeit. "Ich werde mir wohl warme Suppe zum Mittagessen holen müssen", schreibt eine New Yorkerin und ein anderer Twitter-Nutzer bringt es auf den Punkt: "Der Sommer ist in New York angekommen, das bedeutet, dass ich wieder einen Pulli ins Büro anziehen muss."

Die Amerikaner gelten als Klimaanlagen-verrückt und in kaum einer Stadt wird das so deutlich wie in der Millionenmetropole New York . Mehr als 500 000 Klimasysteme für ganze Gebäude und rund sechs Millionen Blockgeräte, die in Fenster eingebaut werden, seien im Großraum der Stadt in Betrieb, berichtet die "New York Times" . Die Zahl steige jedes Jahr um rund sechs Prozent an. Viele Geräte werden schlecht gewartet und gelten als Bakterienschleudern. Eines der aus den Fenstern hängenden und ständig leckenden Klimamodule auf den Kopf zu bekommen, gilt unter New Yorkern als Ur-Angst.

Das Ganze ist aber vor allem auch ein Energieproblem: Rund 49 Millionen Tonnen Treibhausgase blies die Millionenmetropole 2014 in die Atmosphäre. Das sei etwa so viel wie Norwegen oder Schweden, sagt John Lee vom Nachhaltigkeitsbüro der Stadt. 73 Prozent davon stammten von der Energienutzung in den etwa eine Million Gebäuden der fünf Stadtbezirke Manhattan, Bronx, Queen, Staten Island und Brooklyn, also unter anderem Klimaanlagen . 2050 sollen es nur noch rund 11 Millionen Tonnen sein, das ist die Zielvorgabe von Bürgermeister Bill de Blasio. Aber davon sei die Stadt noch weit entfernt, sagt Lee. Alle Gebäude der Stadtverwaltung werden inzwischen nur auf 25 Grad Celsius heruntergekühlt.

Die Klimaanlagen-Verrücktheit der Amerikaner sei historisch gewachsen, erklärt der Wissenschaftler Stan Cox, der 2010 zu dem Thema das Buch "Losing Our Cool" veröffentlichte. Erfunden Anfang des 20. Jahrhunderts von einem US-Ingenieur namens Willis Carrier, sei die Technik zunächst hauptsächlich in der Industrie benutzt worden. In den 1930er Jahren kamen Kinosäle hinzu, in den 50ern Bürogebäude . Noch 1960 besaßen nur rund zwölf Prozent aller Haushalte in den USA Klimaanlagen und die lagen hauptsächlich im warmen Süden. Dort habe die Technik die Massenbesiedlung vielerorts überhaupt erst möglich gemacht, sagt Cox. "Ohne Klimaanlagen hätte der Süden nicht so wachsen, entwickelt und urbanisiert werden können, wie das in den vergangenen 50 Jahren geschehen ist." Zudem gelte in den USA inzwischen: Je kälter, desto schicker, sagt Experte Cox. "Gerade im Einzelhandel und bei den Restaurants wird die Überkühlung als Zeichen von Opulenz gewertet." In den 70er und 80er Jahren stieg die Zahl der Haushalte mit Klimaanlagen massiv an. Auch die Bürogebäude seien immer mit eingebauten Klimaanlagen errichtet worden, die Fenster lassen sich häufig nicht öffnen.

Das habe sich auch auf die Kultur ausgewirkt. "Arbeitgeber glauben, dass ihre Mitarbeiter effizienter arbeiten, wenn sie intensiver gekühlt werden." Mehr Klimaanlagen führten zu mehr Treibhausgasen, die wiederum zu wärmeren Sommern - und damit wiederum zu mehr Anlagen führten, sagt Cox. "Es ist ein Teufelskreis."

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