Zirkus-Affe Zoodirektor kämpft um seinen Affen

Visselhövede · Tierrechtler wollen den Schimpansen aus dem Zirkus holen und in eine Auffangstation bringen. Das wäre sein Tod, meint der Besitzer.

 Schimpanse Robby und seine engste Bezugsperson Klaus Köhler: Seit mehr als 40 Jahren lebt das Tier im Zirkus. Für die Tierrechtsorganisation Peta ist Robby damit der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustiers.

Schimpanse Robby und seine engste Bezugsperson Klaus Köhler: Seit mehr als 40 Jahren lebt das Tier im Zirkus. Für die Tierrechtsorganisation Peta ist Robby damit der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustiers.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Wo ist der beste Platz für einen Schimpansen, der seit mehr als 40 Jahren ohne Artgenossen lebt? „Robby gehört zur Familie, er ist mein siebtes Kind, für ihn gibt es keinen besseren Platz auf der Welt“, sagt Zirkusdirektor Klaus Köhler. „Robby führt ein trostloses Leben, er wurde vermenschlicht und hatte noch nie adäquate Sozialpartner“, sagt hingegen Yvonne Würz von der Tierrechtsorganisation Peta. Am 8. November entscheiden die Richter des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg über das Schicksal des wohl letzten Menschenaffen in einem deutschen Zirkus.

Laut einer Leitlinie des Bundesagrarministeriums aus dem Jahr 1990 sind keine Menschenaffen mehr in Zirkussen zu halten. Der für den „Circus Belly“ zuständige Landkreis Celle gewährte über Jahrzehnte für Robby eine Ausnahmegenehmigung. Im Herbst 2015 ordnete die Behörde jedoch an, dass der Affe abgegeben werden muss. Köhler reichte Klage ein.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg entschied im Frühjahr 2017, dass Robby in einer Auffangstation für gequälte Schimpansen in den Niederlanden das Leben unter Affen lernen soll. „Dort sind geistig kaputte Tiere“, meint Köhler. „Ich empfinde es, als ob mir mein gesundes Kind weggenommen und in eine Nervenheilanstalt gebracht werden soll.“ Mindestens bis zur Entscheidung im Berufungsprozess bleibt der etwa 47 Jahre alte Affe in seiner gewohnten Umgebung.

Über die Jahre haben sich Köhler und Robby äußerlich angeglichen. Beide werden grau und haben am Bauch ein paar Kilo zu viel. „Hallo, mein Schatz! Komm zu Papa!“, ruft der 70-Jährige, als er auf dem Platz im niedersächsischen Visselhövede Robbys Wagen betritt. Der 1,50 Meter große und rund 75 Kilo schwere Affe legt seinen Arm um seine engste Bezugsperson, ordnet Köhlers lichtes Haar und versucht, in dessen Nase zu pulen. „Lass das, setz dich auf deinen Stuhl“, ordnet der Tierlehrer an. Robby gehorcht und trinkt seine Milch. Danach darf er noch eine Packung mit Leckerli für Hund Ted öffnen, der ihm täglich mehrere Stunden Gesellschaft leistet.

Für Peta ist Robby der Inbegriff eines leidenden Zoo- und Zirkustiers. Sein Wagen und Außengehege seien viel zu klein. 2011 startete die Organisation die Kampagne „Rettet Robby“.

Der Zirkuschef hat dafür kein Verständnis. „Er war ein ganz guter Akrobat“, sagt er über seinen Affen. Bei den Vorstellungen trat Robby früher im Anzug auf, machte Handstand, lief auf Stelzen und auf einer Kugel. Zuletzt düste er auf einem Roller durch die Manege und spielte Basketball mit Zuschauern.

Derzeit ist Robby bei den Vorstellungen nicht dabei. Nach Köhlers Überzeugung hat er darauf im Moment keine Lust, zwingen könne man ein Tier zu gar nichts.

Auch die Bremer Tierärztin Alexandra Dörnath will Robby retten – sie glaubt aber, dass eine Herausnahme aus dem Zirkus sein Todesurteil wäre. „Robby ist unumkehrbar auf den Menschen fehlgeprägt. Er zeigt aber keine Verhaltensstörung und leidet auch nicht“, sagt die Veterinärin, die ihre Doktorarbeit über die Ruhigstellung von Gorillas in Zoos schrieb. Dörnath hat Robby 75 Tage lang an verschiedenen Orten beob­achtet. Ihre Forschungsergebnisse stellte sie auf einem internationalen Primatenkongress vor. Die Sachverständigen, auf deren Gutachten das Verwaltungsgerichtsurteil fußt, seien keine Menschenaffenexperten, sagt die Tierärztin.

Dörnath will auch die OVG-Verhandlung am 8. November verfolgen. Peta-Fachreferentin Würz hofft darauf, dass die Entscheidung der ersten Instanz, Robby aus dem Zirkus zu holen, bestätigt wird. „Ich kämpfe weiter für Robby, ich schöpfe alles aus“, sagt Köhler dazu. Er fragt sich, warum die Richter nicht selbst vorbeikommen, um sich ein Bild zu machen. „Ich habe das Vertrauen in die Richter verloren“, sagt das Oberhaupt der Zirkusfamilie, die seit 350 Jahren mit ihren Tieren umherzieht.

Lamas, Kamele, Pferde, Schlangen und Alligatoren sind es derzeit. Seine Löwen und Tiger hat Köhler 2017 abgegeben. Der Deutsche Tierschutzbund fordert seit Jahren ein generelles Wildtierverbot in Zirkussen. Der Bundesrat forderte zuletzt 2016 die Bundesregierung auf, dieses in vielen EU-Ländern bereits bestehende Verbot per Verordnung umzusetzen.

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