Jung, hip und tierfrei

Berlin · Von Eis aus Sojamilch bis zum Vöner, dem veganen Döner: Essen ohne tierische Inhaltsstoffe wird in Berlin immer beliebter. Das hat auch mit dem Lebensstil junger Hauptstädter zu tun. Die Szene ist hip – und fleischfrei.

Berlin wird von Einheimischen und Medien gerne zur Trendhauptstadt erklärt, doch nur bei wenigen Themen stimmt das so sehr wie beim Essen. Während auch andere Metropolen eine lebendige Club- und Künstlerszene haben, bietet kaum eine andere Stadt der Welt so viele vegane Restaurants und Geschäfte wie die deutsche Hauptstadt. Damit ist Berlin tatsächlich ein Trendsetter.

Die Website "Happy Cow", ein Führer für fleischfreie Restaurants, zählt 24 vegane Restaurants in Paris, 40 in London. In Berlin , das deutlich weniger Einwohner hat, sind es 60 vegane Lokale - noch 2008 kam der Veganerbund Deutschland (Vebu) in ganz Berlin nur auf drei vegane Restaurants. Die vegane Bewegung sei ja in ganz Europa auf dem Vormarsch, sagt Vebu-Vizepräsident Sebastian Joy. "Aber Deutschland und vor allem Berlin stehen an der Spitze." Der Grund: Berlin ziehe mit seinen Elektro-Clubs und vergleichsweise erschwinglichen Wohnungen viele junge und hippe Menschen an, deren Lebensstil alternativer sei als bei Gleichaltrigen in München, London oder Paris.

Wie sehr Veganismus mit bestimmten Schichten und Lebensstilen verknüpft ist, zeigt ein Spaziergang durch Prenzlauer Berg. In der Schivelbeiner Straße sind ein Supermarkt, ein Café, ein Modegeschäft und ein Schuhladen zu finden, die alle vegan sind. Sie führen keine tierischen Produkte - weder Fleisch, Leder, Milch, Eier, Honig noch aus Knochen gewonnene Gelatine. Fast alles gibt es in der Stadt auch in vegan: Eis aus Sojamilch, die weltweit erste vegane Pizzeria und Vöner - der vegane Döner mit einem Fleischersatz aus Weizeneiweiß.

Dass sich das Angebot trägt, liegt nicht allein an den laut Vebu rund 80 000 Veganern in der Stadt. Das ist zwar ein großer Teil der deutschlandweit 900 000 Veganer . Verglichen mit rund 7,8 Millionen Vegetariern sind die Veganer aber noch immer eine Minderheit - auch in Berlin . Trotzdem hatte die Eröffnung eines veganen Imbisses im Frühjahr zu einem solchen Andrang geführt, dass die Polizei anrücken musste.

Manch einer argwöhnt, dass die Hinwendung zum Veganen nicht nur ethischen Motiven entspringt, sondern schlicht dem Lebensgefühl junger Hipster. Viele Berliner sind auch sogenannte Flexitarier, die ihren Fleischkonsum bewusst gering halten. Das weiß auch Johannes Theuerl, Besitzer des veganen Bistros "L'Herbivore". Er glaubt, dass die Menschen sich "einfach mehr und mehr Gedanken über die Herkunft dessen machen, was sie auf dem Teller haben." Und warum ist der Trend in Berlin so groß? Vebu-Vize Joy spricht von einem Schneeball-Effekt: "Ein Veganer zieht den nächsten an und so werden es immer mehr."

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