Hat es sich bald ausgezwitschert?

Nürnberg · Schwalben gibt es in Deutschland immer weniger, sie gelten als gefährdet. Tierschützer fordern mehr Toleranz.

(dpa) Der Frühling hat sich endlich aus der Deckung gewagt, doch einige seiner zwitschernden Boten sucht man vielerorts vergebens: die Schwalben. Wo einst ihr keckes Gezirpe den Himmel erfüllte, herrscht Stille. In diesem Jahr schlagen Naturschützer Alarm. Der Bestand der Frühlingsboten geht schon seit Jahren zurück, Futtermangel und fehlende Brutplätze setzen ihnen zu. Zum Überleben brauchen sie die Hilfe desjenigen, der ihnen das Leben überhaupt erst so schwer gemacht hat: des Menschen.

Vor gar nicht so langer Zeit war es umgekehrt. Den Menschen wurde von den Schwalben geholfen, sie profitierten vom Heißhunger der Vögel auf Insekten, wie Lorena Heilmaier vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) sagt. Haus und Hof seien dadurch weniger von lästigen und schädlichen Insekten befallen gewesen. "Das tat nicht nur dem Vieh gut, sondern auch den Feldfrüchten." Heute kämen überall Insektengifte zum Einsatz, auf die Schwalben als Insektenvertilger sei der Mensch nicht mehr angewiesen. Den Vögeln macht das in zweierlei Hinsicht zu schaffen. Sie kämen zum einen an viel weniger Insekten für sich und ihre Küken heran, sagt Heilmaier. Zum anderen mangele es vermehrt an Toleranz - etwa, wenn bei den Mehlschwalben die Natur ruft.

Die geselligen Flugakrobaten mit dem blau-schwarzen Gefieder und weißem Bauch nisten gern an rauen Außenmauern von Gebäuden, unter Dächern und anderen Vorsprüngen. "Fällt Kot aus ihren an Häusern gebauten Nestern, wird das heute als störend empfunden." Die Rauchschwalben mit ihrem typischen kastanienbraunen Gesichtsfleck nisten bevorzugt in Kuhställen und Scheunen auf dem Land. Dort hätten sie es zwar etwas leichter, doch gebe es auch da Probleme, wenn größere Mengen Kot in die Futtertröge fielen. Nach ihrer tausende Kilometer langen Rückreise aus dem Winterquartier in Afrika finden die ortstreuen Schwalben ihren Nistplatz dann mitunter abgesperrt wieder. Moderne Ställe und Hallen sind ohnehin oft so abgedichtet, dass sie den Vögeln keinen Unterschlupf bieten. Auch durch Abriss, Sanierung oder Gebäudedämmung verlieren Schwalben Lebensraum.

Oft sei kein böser Wille im Spiel, sondern schlicht Unwissenheit, sagt Heilmaier. Dabei könne für das Zerschlagen von Schwalbennestern sogar eine Freiheitsstrafe drohen, denn die Vögel wie auch ihre Behausungen seien nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützt. In der Praxis komme es aber selten zur Anzeige - und wenn doch, werde meist nur eine Geldstrafe verhängt. Heilmaier und ihre Mitstreiter setzen beim Schwalbenschutz vor allem auf Aufklärung und die Warnung, dass die Vögel jetzt schon bedroht sind. Auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands sind Rauch- und Mehlschwalbe als "gefährdet" eingestuft. Um die Mehlschwalbe sei es besonders schlecht bestellt, sagt Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland. Er verweist auf die Ergebnisse einer seit 2006 laufenden landesweiten Zählaktion. "2016 hatten wir nur noch 60 Prozent des Bestandes von 2006." Bei der Rauchschwalbe sei in diesem Zeitraum zwar auch ein leichter Rückgang beobachtet worden, doch sei dieser bisher statistisch noch nicht gesichert.

Neben den Experten vom LBV kümmern sich auch Privatleute ehrenamtlich um die Tiere. Die Landshuterin Susanne Rieck hat 2015 das erste Mal beobachtet, wie während der Brutzeit Schwalben-Nester in ihrer Stadt abgeschlagen wurden. Seitdem wirbt sie bei Hauseigentümern und Mietern um Milde im Umgang mit Schwalben. Und sie hat Tipps, wie den Vögeln das Leben einfacher gemacht werden kann. Damit Schwalben wieder Baumaterial für Nester finden, rät sie zum Aufstellen von Lehmpfützen: Dazu einen großen Lehmklumpen in einen größeren Blumenuntersetzer geben, mit Wasser vermischen, etwas Stroh und ein paar Pferdehaare dazugeben und an einen Ort aufstellen, an dem Schwalben vorbeifliegen.

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