Hoher Wildbestand setzt den Wäldern zu Geht es Bambi an den Kragen?

Rehungen · Hirsche und Rehe setzen den Wäldern in Deutschland zu. Kritiker der Wildbestände fordern deshalb nun Änderungen im Jagdrecht.

 Rehe sind scheue Waldbewohner. Zum Ärger von Waldbesitzern fressen sie jedoch die Triebe junger Bäume.   Foto: Felix Kästle/dpa; Oben: Ossinger/dpa

Rehe sind scheue Waldbewohner. Zum Ärger von Waldbesitzern fressen sie jedoch die Triebe junger Bäume.  Foto: Felix Kästle/dpa; Oben: Ossinger/dpa

Foto: dpa/Felix Kästle

(dpa) Im Wald von Ernst-Detlef Schulze müssen Rehe und Damwild draußen bleiben. Der Mittsiebziger öffnet einen Zaun und stapft stolz durch die vielen jungen Ahorne und Ulmen, die hier gedeihen. Vor zehn Jahren habe er den Wald hier im nordthüringischen Rehungen durchforstet, um Licht für die nächste Generation von Bäumen zu schaffen. Die sind jetzt auf eine Höhe von rund drei Metern herangewachsen. „Das haben sie aber nur geschafft, weil ich damals gleich zwei der drei Parzellen eingezäunt habe“, erklärt er. Sonst hätte sie das Wild weggefressen.

Während sich Spaziergänger oft über den Anblick von Wildtieren in Wald und Feld freuen, klagen Waldbesitzer wie Schulze über zu viel Reh-, Dam- oder Rotwild. Die Folge seien erhebliche Schäden an jungen Bäumen. Das gehe soweit, dass bestimmte Baumarten durch Wildverbiss fast komplett verschwinden. Die Wildtiere vertilgen nicht nur die Triebe junger Bäume. Oft schälen sie auch deren Rinde oder wetzen sie mit ihren Geweihen ab, so dass das zarte Bäumchen abstirbt.

Wie Waldbesitzer Schulze hält auch Bestseller-Autor und Förster Peter Wohlleben die Anzahl der Rehe und Hirsche in Wäldern für zu hoch. Er spricht in seinen Büchern gar von einer „Haustierhaltung im Wald“. Wohlleben wirft Jägern vor, beispielsweise mit der Fütterung im Winter möglichst viel Wild zu päppeln und vor allem auf kapitale Hirsche und Böcke bedacht zu sein. „Gab es früher ein Reh pro Quadratkilometer Waldfläche, so sind es heute durchschnittlich 50“, schreibt der Förster in seinem Buch „Der Wald. Eine Entdeckungsreise“. Kritiker der hohen Wildbestände regen beispielsweise Änderungen im Jagdrecht an, um die Populationen einzudämmen. Etwa dahingehend, dass Waldbesitzer Jägern stärker Weisungen geben können.

„Wir haben seit Jahrzehnten einen Anstieg von Schalenwildbeständen zu verzeichnen“, bestätigt Matthias Neumann vom Thünen-Institut für Waldökosysteme im brandenburgischen Eberswalde. Schäden an jungen Bäumen seien aber nicht allein auf die Tierzahl zurückzuführen. „Wenig Wild heißt nicht unbedingt auch wenig Schäden“, betont der Fachmann.

Ähnlich sieht das Sven Herzog, Dozent für Wildökologie und Jagdwirtschaft an der Technischen Universität Dresden. Es sei verkehrt, die Jagd auszuweiten. Helfen könnte es nach Ansicht der Experten, wenn Waldbesitzer Waldwiesen pflegten, damit Rehe und Hirsche junge Baumknospen verschonen. „Tiere gehören in die Wälder genauso wie Pflanzen“, betont Herzog. Er sieht die Kritik von Waldbesitzern eher ökonomisch motiviert und das Einzäunen ganzer Waldstücke kritisch. „Wir müssen uns fragen, was wir für Wälder wollen“, erklärt Herzog. „Wälder, wie sie mit den Tieren entstehen, oder klinisch reine Wälder.“ Die Herausforderung sei es deshalb, ein Gleichgewicht hinzubekommen, sagt Herzog.

Angesichts des vielen Wildes sieht Waldbesitzer Schulze derzeit aber nur die Möglichkeit, seine Bäume durch einen Zaun zu schützen. „Wenn ich den Zaun jetzt abbauen würde, würde das Damwild den Ahorn schälen und nichts übrig lassen.“

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