Drogenboss El Chapo vor Gericht Die Jagdtrophäe im blutigen Drogenkrieg

New York · Dem mexikanischen Drogenboss Joaquín Guzmán – Spitzname „El Chapo“ – droht im heute beginnenden Prozess lebenslange Haft.

 Joaquín Guzmán – hier im Januar 2017, als er in Mexiko von Polizisten eskortiert wird – hat laut US-Staatsanwälten mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften Milliarden verdient.

Joaquín Guzmán – hier im Januar 2017, als er in Mexiko von Polizisten eskortiert wird – hat laut US-Staatsanwälten mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften Milliarden verdient.

Foto: dpa/Ho

Bei Gerichtsanhörungen wandert Joaquín Guzmáns erster Blick immer direkt zu seiner Frau, sofern sie im Saal sitzt. Auch mit Beginn seines Strafprozesses heute kann der mexikanische Drogenboss, besser bekannt unter seinem Spitznamen „El Chapo“, wieder nach Emma Coronel und den gemeinsamen Zwillingstöchtern Ausschau halten. Ihre emotionale Unterstützung, selbst durch ein Lächeln oder ein kurzes Winken quer durch den Raum, kann der Angeklagte in diesen Tagen gut gebrauchen.

Bald zwei Jahre harrt Guzmán nun schon im Hochsicherheitsgefängnis in New York aus. Die Einrichtung soll härter sein als das Lager Guantánamo auf Kuba. 24 Stunden am Tag verbringt Guzmán in einer 15 Quadratmeter großen, fensterlosen Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrrad-Trainer benutzen darf. Depressionen und Halluzinationen seien die Folge, warnten seine Anwälte.

Mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften verdiente der frühere Chef des Sinaloa-Kartells laut Staatsanwaltschaft Milliarden. Im Staat Sinaloa an der Westküste sitzt das Herz des mexikanischen Drogenhandels. Vor allem Marihuana und Schlafmohn zur Herstellung von Heroin werden hier angebaut. Auch das aus Kolumbien stammende Kokain wird tonnenweise vor allem über Mexiko in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Das Sinaloa-Syndikat zählt laut Drogenbehörde DEA schon lang zu den Hauptlieferanten illegaler Suchtmittel mit Ziel USA.

Guzmán gleicht im blutigen Drogenkrieg, der auch ohne ihn weiter tobt, einer Jagdtrophäe. Sein weltweiter Ruhm lässt sich mit dem des 1993 getöteten Drogenbarons Pablo Escobar vergleichen. Die unabhängige Chicago Crime Commission hatte ihn 2013 zum Staatsfeind Nummer eins erklärt – ein Titel, den zuvor nur Gangsterboss Al Capone bekam. Das Magazin „Forbes“ führte ihn in seinen Milliardärslisten und sprach vom „mächtigsten Drogenhändler weltweit“.

Gleich ein Dutzend Staatsanwälte sitzen in New York an dem Fall. Auch in Chicago, Miami, San Diego an der mexikanischen Grenze und weiteren Bundesbezirken wurde Guzmán angeklagt. Dort hatten sich Strafverfolger wohl schon die Hände gerieben. Aber in Brooklyn im Bezirk „Eastern New York“, wo der Fall jetzt verhandelt wird, sammelt sich das geballte Wissen aus einem jahrzehntelangen Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Entsprechend schwere Geschütze hat auch Guzmán aufgefahren. Neben den Anwälten Eduardo Balarezo und William Purpura wird er nun auch von Star-Verteidiger Jeffrey Lichtman vertreten. In höchstem Tempo arbeiteten sie sich durch 300 000 Seiten Dokumente und massenhaft anderes Beweismaterial.

Dabei war lange nicht klar, ob der 61 Jahre alte Guzmán seine Spitzenanwälte überhaupt bezahlen kann. Von geschätzt 14 Milliarden Dollar (12,2 Milliarden Euro) aus mutmaßlichem Drogenhandel fehlt den US-Behörden weiterhin jede Spur.

Von all dem Zirkus um einen der größten Drogenprozesse in der amerikanischen Geschichte lässt Richter Brian Cogan sich nicht beeindrucken. Mit ruhiger Hand hat er die Vorbereitungen für das Verfahren geleitet, das rund drei oder vier Monate dauern dürfte. Bei einer Verurteilung droht Guzmán eine lebenslange Haftstrafe. Die nach Bundesrecht der USA immer noch legale Todesstrafe ist ausgeschlossen, darauf hatten sich Mexiko und die USA bei der Auslieferung verständigt.

Zwölf Geschworene sollen nun über Guzmáns Schicksal entscheiden, komplett abgeschirmt von der Presse und Öffentlichkeit. Ihre Namen und Gesichter sollen geheim bleiben. Zu groß sei die von Guzmán ausgehende Gewalt, nachdem er mutmaßlich Hunderte Menschen ermorden, angreifen und entführen ließ, meint Richter Cogan.

Die Staatsanwaltschaft hat 16 Zeugen in Stellung gebracht – vermutlich frühere Partner, Freunde und Unterstützer. 2001 und 2015 waren Guzmán noch spektakuläre Gefängnisausbrüche in Mexiko gelungen, nun könnte es in seinem Drama der vorerst letzte Akt sein.

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