Deutsche Tränen in Kiew

Kiew · Levina legt beim ESC einen guten Auftritt hin, erhält aber nur wenig Punkte. Portugal siegt erstmals.

 Levina kann ihre Enttäuschung nicht verbergen. Die deutsche Teilnehmerin vergoss nach dem vorletzten Platz und gerade einmal sechs Punkten auch einige Tränen. Fotos: dpa

Levina kann ihre Enttäuschung nicht verbergen. Die deutsche Teilnehmerin vergoss nach dem vorletzten Platz und gerade einmal sechs Punkten auch einige Tränen. Fotos: dpa

(dpa) Und zwölf Punkte gehen… nicht an Deutschland. Wie in den vergangenen beiden Jahren gibt es beim Eurovision Song Contest (ESC) aus deutscher Sicht ein enttäuschendes Ergebnis. Gerade einmal sechs Punkte erhält Levina für ihr Lied "Perfect Life" und wurde Vorletzter der 26 Starter. Woran es gelegen hat? "Ich weiß es leider nicht", sagt Levina. Sie ist mit ihrem Auftritt selbst sehr zufrieden. Nun dürfte die altbekannte Diskussion wieder aufflammen: Was macht Deutschland bloß falsch? Warum mag keiner da draußen unsere Musik? Moderatorin Barbara Schöneberger bringt es trotzig auf den Punkt: "Ich weiß auch nicht, was wir noch machen sollen. Costa Cordalis schicken?"

Anders als Ann Sophie 2015 in Wien und Jamie-Lee 2016 in Stockholm bleibt immerhin der allerletzte Platz erspart, Levina schrammt mit sechs Punkten nur knapp daran vorbei. Drei Jury-Punkte gibt es aus Irland, von den Zuschauern noch einmal so viele. Nur eine fade Surfer-Nummer aus Spanien schneidet noch schlechter ab. Manch einer will am Ende scherzhaft ein Ringen um den letzten Platz heraufbeschwören. TV-Komiker Oliver Kalkofe twittert in der Nacht zum Sonntag: "Mist! Um 1 Punkt gegen Spanien das Ziel verfehlt!" Für Levina ist der Platz nur ein kleiner Trost, ihr kommen während der Abstimmung die Tränen. Erst nach dem Irland-Voting hat sie das Null-Punkte-Tal verlassen; der Druck fällt. Dann lächelt sie wieder. "Wir sind nicht Letzter geworden, sondern Vorletzter", betont sie.

Der portugiesische Sieger Salvador Sobral zeigt nicht die großen Emotionen. Eher ungläubig blickt der Portugiese in die Kamera. Dass er gerade einen der wichtigsten Musik-Wettbewerbe Europas gewonnen hat, ist ihm nicht wirklich anzusehen. Ruhig und gelassen geht der introvertierte Sieger des ESC in Kiew auf die Bühne. "Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl", sagt der 27-Jährige, als er die Trophäe, ein gläsernes Mikrofon, überreicht bekommt. Musik sei keine austauschbare Ware. Wie so vieles, das an diesem Abend gezeigt wurde.

Mit großem Abstand lässt Sobral mit dem melancholischen, in seiner Muttersprache gesungenen jazzigen Liebeslied "Amar Pelos Dois" die kunterbunte ESC-Konkurrenz hinter sich. 758 Punkte gelingt es ihm zu holen. Es ist der erste Sieg in der 53-jährigen ESC-Historie des Landes. Noch nie hat es Portugal unter die Top Five geschafft.

Ähnlich wie Portugal bringt auch Deutschland einen kühlen, reduzierten Auftritt auf die Bühne. Dennoch geht sie unter. Der britische "Guardian" nennt das Lied "süß, aber leicht zu vergessen."

Der Auftritt war fehlerfrei, jeder Schritt, jeder Ton schien zu sitzen. Ein Moderator nannte die 26-Jährige die "perfekte Deutsche". ARD-Kommentator Peter Urban betonte immer wieder: "Wir haben nichts falsch gemacht." Trotzdem bleibt nur Rang 25.

In Kiew selbst läuft fast alles nach ESC-Routine, wenige Sekunden zieht ein Flitzer blank. Er stürmt während einer Pauseneinlage die Bühne. Der große ESC-Skandal ist bereits Wochen vor der Glitzerveranstaltung ausgetragen worden - Russland ist nach einem diplomatischen Streit ausgestiegen. Das Extravagante fehlt in Kiew im Finale vollkommen. Nur ein Drama in weißen, brautähnlichen Kleidchen, lange Frauenbeine und strenge Choreographien sorgen für Aufsehen.

In dieser glatten Bonbonwelt sticht der Portugiese Sobral eindeutig hervor. Er lebt seine Lieder selbst bis in die Fingerspitzen. "Ich habe nie ein Lied geschrieben, um im Radio gespielt zu werden", sagt Sobral nach seinem Sieg. Er selbst sieht den Rummel gelassen: "Nächsten Monat erinnert sich keiner mehr daran."

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