Der Kampf gegen die Becher-Flut

München · Coffee-to-go-Becher schaden der Umwelt immens. München will sie jetzt verbannen.

 Sie sind das Sinnbild der Wegwerfmentalität: Einweg-Kaffeebecher. In Freiburg gibt es bereits 80 Cafés und Bäckereien, die als Alternative Pfandbecher anbieten. München will jetzt nachziehen. Fotos: Zucchi/dpa

Sie sind das Sinnbild der Wegwerfmentalität: Einweg-Kaffeebecher. In Freiburg gibt es bereits 80 Cafés und Bäckereien, die als Alternative Pfandbecher anbieten. München will jetzt nachziehen. Fotos: Zucchi/dpa

(dpa) Schnell austrinken und dann ab damit in den Müll - täglich verbrauchen die Menschen alleine in Deutschland hunderttausende Einwegbecher für den schnellen Kaffee zum Mitnehmen. Dabei gibt es inzwischen zahlreiche Projekte im ganzen Land, um der Abfallflut Herr zu werden. Der Erfolg allerdings ist bisher überschaubar. Jetzt plant auch München eine Kampagne und will die Pappbecher aus städtischen Kantinen verbannen. Das grüne Licht des Stadtrats fehlt aber noch.

Fast drei Milliarden Einwegbecher werden pro Jahr nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe bundesweit für "Coffee-to-go" verbraucht, hinzu kommen Zubehör wie Plastikdeckel, Rührstäbchen und Strohhalme. Nach wenigen Minuten Gebrauch landet das alles im Müll und lässt in vielen Innenstädten die Abfallbehälter überquellen - und belastet damit nicht nur die Umwelt, sondern auch die Abfallwirtschaft der Kommunen. Eine ganze Reihe von Initiativen kämpft mittlerweile für die Eindämmung der Becher-Flut. In Freiburg etwa lief im vergangenen November ein Pfandsystem an: In mittlerweile rund 80 Cafés und Bäckereien können sich die Kunden dort ihren Kaffee auch in eigens dafür ausgegebene Pfandbecher füllen lassen, für die sie bei Rückgabe einen Euro erstattet bekommen. Die Münchner Umweltaktivistin Julia Post hat bundesweit rund 400 Betriebe für ihre Initiative "Coffee to go again" gewonnen, in denen Kunden mit ihren eigenen Bechern und Tassen willkommen sind und teils einen Rabatt erhalten. Aber auch große Spieler wie McDonald's, Tchibo oder Starbucks schenken den Kaffee auf Wunsch in mitgebrachte Mehrwegbehälter aus. Die passenden Becher werden teilweise gleich mit angeboten.

Wie sich der Becher-Verbrauch seit Start der Initiativen verändert hat, ist schwierig zu messen, sagt Julia Post, die Mitglied im Münchner Stadtvorstand der Grünen ist. Bisher gebe es keine verlässliche Daten. Posts Eindruck: Das Bewusstsein für das Thema ist mittlerweile da. Aber am Verhalten habe sich noch nicht viel geändert. Auch die McDonald's-Kunden brauchen noch Anlaufzeit: Das Gäste-Feedback sei zwar positiv, "im Moment bewegt sich die tatsächliche Nutzung allerdings noch auf einem eher niedrigen Niveau, steigt aber an", sagt ein Sprecher. In Freiburg muss das Thekenpersonal teilnehmender Cafés die Kunden weiter aktiv ansprechen, und der Rücklauf gebrauchter Becher ist nach einer Zwischenbilanz noch ausbaufähig. Auch die Umwelthilfe geht davon aus, dass sich der Einweg-Verbrauch nur wenig verändert hat. Zwar nutzten mehr Leute Mehrwegsysteme, doch steigt zugleich der Außer-Haus-Konsum von Kaffee - auch im Einwegbereich, wie Thomas Fischer von der Umwelthilfe sagt.

Dass nicht längst jeder Kunde einfach selbst seinen Becher mitbringt, hat viele Gründe: Beim spontanen Stadtbummel ist der Becher nicht parat oder die Angst, dass Kaffeereste in der Handtasche landen, ist zu groß. Längst noch nicht jedes Café sagt außerdem Ja zum Befüllen mitgebrachter Becher, denn da müssen auch umfangreiche Hygienevorschriften beachtet werden. Das bayerische Umweltministerium hat eine Anleitung ins Internet gestellt: Berührungslos und aus einem speziellen Behälter sollte der ganze Vorgang demnach möglichst ablaufen, in zumindest augenscheinlich saubere Becher.

Auch Politiker befassen sich inzwischen mit dem Thema: Vor einem knappen Jahr sagten die Umweltminister der Länder den Einwegbechern den Kampf an. Den Bund forderten sie auf, die Folgen für die Umwelt zu untersuchen und zu prüfen, ob sich das Problem durch Verbraucheraufklärung und freiwillige Maßnahmen der Wirtschaft eindämmen ließe. Falls nein, drohten die Minister auch mit Zwang, indem sie den Bund baten, "die Möglichkeiten anderweitiger, rechtlicher Maßnahmen zu prüfen". Das Bundesumweltministerium hat eine entsprechende Studie ausgeschrieben, mit deren Ergebnissen allerdings erst Ende 2018 gerechnet wird. Einen Runden Tisch hatte die bayerische Staatsregierung ins Leben gerufen. Im Herbst sollen darüber bereits zum dritten Mal Wirtschaft, Verbände und Kommunen erörtern, wie der Konsummüll in den Städten zu reduzieren ist.

Das größte Problem scheint aber das Umdenken der Verbraucher zu sein. Denn nach vielen Jahren Wegwerfmentalität ist das gar nicht so einfach, sagt Umwelthilfe-Experte Fischer. "Musiker, Schauspieler und Prominente lebten jahrelang etwas Falsches vor, wenn Sie auf roten Teppichen mit Coffee-to-go-Einwegbechern zu Veranstaltungen gingen oder am Film-Set dutzendfach Pappbecher verbrauchten." Der Experte empfiehlt ein offensiveres Werben für die Mehrwegidee, wie es jetzt in München geplant ist, sowie Systeme mit einheitlichen Bechern und einem möglichst dichten Rücknahmenetz. So könnten wiederbefüllbare Becher massenmarkttauglich werden.

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