Urteil Der Glaube an Gerechtigkeit schwindet

Karlsruhe · Tausende Frauen wurden mit falschen Brustimplantaten geschädigt. Geld sehen sie nach einem Urteil aber nicht.

 Ein Spezialist nimmt die Implantate der Firma PIP genauer unter die Lupe. Die Frauen, die die minderwertige Ware eingesetzt bekommen haben, bekommen nach dem Urteil des BGH aber kein Geld vom Tüv.  Foto: Bruno Bebert/dpa, Foto oben: imago

Ein Spezialist nimmt die Implantate der Firma PIP genauer unter die Lupe. Die Frauen, die die minderwertige Ware eingesetzt bekommen haben, bekommen nach dem Urteil des BGH aber kein Geld vom Tüv. Foto: Bruno Bebert/dpa, Foto oben: imago

Foto: dpa/Bruno Bebert

(dpa) Es geht um Geld, viel Geld sogar, aber für Elisabeth Schmitt ist das Geld auch ein Stück Gerechtigkeit. Ihr sind die Tage lebhaft in Erinnerung, als in den Medien auf einmal die Rede war von einem Riesenskandal: Pfusch mit Brustimplantaten, gefüllt mit billigem Industrie-Silikon. Eine schlimme Geschichte, aber erst kommt ihr gar nicht in den Sinn, dass das alles etwas mit ihr zu tun haben könnte. Bis sie in ihre Unterlagen schaut.

Aber der gestrige Donnerstag ist kein guter Tag für Elisabeth Schmitts Glauben an die Gerechtigkeit. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Schmerzensgeld-Klage der Rentnerin aus Ludwigshafen abgelehnt: ein Grundsatz-Urteil. Im Frühjahr 2010, als alles auffliegt, tragen weit mehr als 5000 Frauen in Deutschland wie sie die reißanfälligen Implantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) in ihrem Körper – eine Zeitbombe. Ein Erfolg in Karlsruhe hätte anderen Klägerinnen den Weg ebnen könnten. Aber so sollte es nicht sein.

Es ist die Angst vor dem Brustkrebs, die Schmitt zu dem Eingriff treibt, ihre Mutter und eine Schwester sind erkrankt. 2008 lässt sich die heute 67-Jährige sicherheitshalber Brustgewebe entfernen und Implantate einsetzen, nach langem Überlegen. Aber mit der OP fangen die Probleme an: Fieberschübe, Erschöpfung, eine Gürtelrose. Die Ärzte sind ratlos. Bis schließlich der PIP-Skandal ans Licht kommt. Die Behörden empfehlen den Frauen, die Implantate besser zu entfernen. 2012 muss sich Schmitt das zweite Mal operieren lassen.

An der Schuld des Herstellers besteht kein Zweifel. Der PIP-Gründer ist zu einer Haftstrafe wegen Betrugs und Verbrauchertäuschung verurteilt. Aber den betroffenen Frauen, Hunderttausenden weltweit, hilft das nur bedingt. Denn Geld ist bei der insolventen Firma nicht mehr zu holen. Frauen wie Schmitt versuchen es deshalb auf einem anderen Weg – sie verklagen den Tüv Rheinland.

Sensible Medizinprodukte wie Brustimplantate dürfen in der EU nur vertrieben werden, wenn sie das CE-Kennzeichen tragen – als Zeichen dafür, dass sie alle Anforderungen erfüllen. Nur bestimmte Stellen dürfen das Siegel verleihen. Sie nehmen die Qualitätssicherung unter die Lupe, nicht das Produkt. Für PIP übernahm der Tüv diese Aufgabe. Zwischen 1998 und 2008 kamen die Mitarbeiter acht Mal zu angekündigten Besichtigungen vorbei – ohne einen Verdacht zu schöpfen. Aus Sicht der Klägerinnen ein Unding. Sie sagen: Hätte der Tüv genau genug hingeschaut, hätte der Betrug früher auffliegen müssen. Schmitt will vom Tüv deshalb mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld.

Aber so einfach ist die Sache nicht, denn auch der Tüv sieht sich betrogen. Kündigten sich Kontrolleure an, verschwand das Billig-Silikon und wurde durch das zugelassene Gel ersetzt. Die gesamte Dokumentation gab es doppelt, in einer echten und einer gefälschten Fassung. Der Tüv Rheinland (TRLP) beteuert bis heute seine Unschuld. Die BGH-Richter ziehen das nicht in Zweifel. Es sei nicht festzustellen, dass der Tüv seine Pflichten verletzt habe, sagt der Vorsitzende Richter Wolfgang Eick. Nach Auffassung von Eicks Senat gebe es für Prüfstellen wie den Tüv keine Verpflichtung zu unangemeldeten Kontrollen.

Damit ist Schmitts Klage auch in letzter Instanz gescheitert und ihr jahrelanger Kampf zu Ende. „Mir fehlen eigentlich die Worte“, sagt sie. „Es geht auch ums Recht. Und da fühle ich mich betrogen.“

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