MeToo Wenn Abgeordnete grapschen

Brüssel · Auch im EU-Parlament ist sexuelle Belästigung bis hin zum Missbrauch offenbar kein Einzelfall. „MeTooEP“ will den Opfern Gehör verschaffen.

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Foto: SZ

Die Opfer berichten von Kollegen, die sie im Aufzug bedrängen. Die sie heimlich fotografieren. Die sie in dunkle Büros einladen. Die kein Nein akzeptieren. So verschieden die Geschichten sind, sie haben zwei Dinge gemeinsam: Es sind Beschwerden von Mitarbeitern des Europäischen Parlaments. Und sie sind nachzulesen im Internetblog „MeTooEP“.

Der Hashtag „#MeToo“ machte Karriere: Mit ihm gekennzeichnet berichteten Menschen in aller Welt in sozialen Netzwerken und darüber hinaus von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung – bis hin zur Vergewaltigung. „MeTooEP“ erzählt von Fällen, die sich im EU-Parlament abgespielt haben sollen. Mit einem Blog dieses Namens kämpft eine Gruppe von rund 20 Parlamentariern dagegen an. Seit Oktober veröffentlichen sie fast jeden Tag einen neuen Beitrag.

Eine von ihnen ist Milena Horn aus Deutschland, die seit vier Jahren als handelspolitische Referentin im Parlament arbeitet und sich als Vertrauensperson für Kollegen engagiert. „Dass es diese Fälle gibt, war klar. Aber es sind noch mehr, als ich gedacht hätte.“ Um die Opfer zu schützen, aber auch, um die Täter nicht öffentlich an den Pranger zu stellen, veröffentlichen die Blog-Betreiber die Beiträge in anonymisierter Form. Auch, „weil es unser aller Geschichten sind“, wie es heißt.

Florian Meinhold vom Kölner Institut für Diversity- und Antidiskriminierungsforschung hält das Projekt für hilfreich, um die Sichtbarkeit des Problems erhöhen. „Sehr viele Opfer sprechen nämlich gar nicht über ihre Erfahrungen“, sagt der Psychologe. „Wenn andere Betroffene ihre Geschichten öffentlich machen, kann das helfen, zu verstehen, was alles unter sexuelle Belästigung fällt.“

„MeTooEP“ ist Weckruf und Protest zugleich. Bereits vor einem Jahr stimmte das EU-Parlament für eine Resolution, die den Kampf gegen sexuelle Belästigung wirksamer machen sollte. Vorgesehen sind unter anderem externe Ansprechpartner, an die Opfer sich wenden können. Zwar gibt es bereits ein beratendes Komitee mit Ansprechpartnern für Opfer von Belästigung oder Mobbing – allerdings sitzen darin Parlamentarier. Horn nennt diese Struktur einen „No-Brainer“, also eine Schnapsidee. Niemand traue sich, vor Parlaments-Kollegen über seine Erfahrungen am Arbeitsplatz zu sprechen – zumal die Berichte teilweise ziemlich heftig sind. „Ich wurde von einem Kollegen vergewaltigt. Es war gewaltsam und furchteinflößend“, heißt es in einem der anonymen Beiträge. „Ich hatte gehofft, eines Tages selbst in die Politik zu gehen, aber nun habe ich keine Energie mehr. An manchen Tagen nicht einmal genug Selbstvertrauen, um zu sprechen.“

Mit ihrem Blog will die „MeTooEP“­Bewegung beweisen, dass es mehr Fälle von Missbrauch und Belästigung im Parlament gibt, als dem internen Komitee bekannt sind. Auf einer Demonstration im März sammelte die Gruppe nach eigenen Angaben 1000 Unterschriften von Kollegen, die ihre Forderungen unterstützen. Eine Sprecherin des EU-Parlaments bezeichnet die Forderung der „MeTooEP“-Bewegung nach externen Beratern als „unmögliche Forderung“. Parlamentarier würden die Beurteilung ihres Verhaltens durch Externe nicht akzeptieren. Um dem Anliegen der Kritiker trotzdem Rechnung zu tragen, will das Parlament den bisherigen Beschwerdeprozess mit Hilfe von Außen überarbeiten. Es soll einfacher für Betroffene werden, sich an das Komitee zu wenden.

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